Mittenmang

Hier können meine Kolumnen, die seit Juli 2020 jeden zweiten Mittwoch im Fehmarnschen Tageblatt erscheinen, nachgelesen werden.


Moin!


03.04.2024

Es gibt in Deutschland eine nennenswerte Zahl Menschen, die weniger Angst vor einem Hakenkreuz als vor einem Genderstern haben. Die Aufregung über Sprache und ihre Facetten steht in einem Missverhältnis zu offensichtlicher Hetze und Menschenverachtung. Dass bestimmte Formen der (An)Sprache Menschen entrüsten, aber klar ausgesprochener Hass ein maximal ein Schulterzucken hervorruft ist bedenklich. In den letzten Wochen sind sehr viele Menschen auf die Straßen gegangen und haben ein Gegengewicht erzeugt, haben aufmerksam gemacht. Konsequenzen gab es allerdings in anderen Bereichen. Es gibt aktuell in Deutschland Sprachverbote. Es wird vorgeschrieben, wie Sprache verwendet werden soll.

Die Kernidee vom Gendern war Gleichberechtigung, aber anscheinend ist das Gendern in Gehaltsabrechnungen lieber gesehen. Nun ist Gerechtigkeit eine menschliche Idee – ein Ideal. Die Natur, meinetwegen die Welt, ist ungerecht. Es ist eigentlich keine Kategorie. Ohne Menschen geht es weder gerecht noch ungerecht zu. Haben wir einen Gerechtigkeitssinn, so verdanken wir diesen zuerst unseren Eltern. Also anderen Menschen, klingt banal, ist aber so. Die Gerechtigkeit soll ja allen Menschen zu Teil werden, aber in erster Linie natürlich einem selbst. Selbstloses Verhalten kommt vor, aber man ist sich selbst erstmal der nächste – machen wir uns da nichts vor. Also ich möchte mich gerecht behandelt fühlen. Und anscheinend kann dieses Gefühl gegenteilig ausgelöst werden, wenn andere gerechte Behandlung fordern. Obwohl nichts weggenommen wird, sondern nur eine Veränderung bzw. Sensibilisierung erwünscht ist, entsteht Unruhe.

Das Zeigen des Hakenkreuzes außerhalb von Kunst und Kultur ist strafbar. Das ist gut und richtig. Es zeugt vom Respekt der Opfer, die unter diesem Symbol gelitten haben und gestorben sind. Es heißt leider nicht, dass entsprechende Gedanken und dann auch Taten vergangen sind. Wir waren im letzten Sommer in der wunderschönen Stadt Quedlinburg. Dort sind wir in einer Straße an einer Kneipe vorbeigekommen. Es stand „Heimatverein“ oder ähnliches an der Tür. Ein Fenster war auf und mein Sohn schaute hinein. „Papa, da hängt ein Bild von Adolf Hitler.“ Wir haben geredet. Erklärt. Dabei hatte ich ein ungutes Gefühl im Körper. Das Gefühl zu wissen, dass Menschen, die solche Bilder und Symbole nutzen, eine völlig pervertierte Sicht auf die Idee von Gerechtigkeit haben, die in letzter Konsequenz die größtmögliche Verachtung anderer Menschen hat, ist ein beängstigendes Gefühl.

Wir sollten mehr Angst haben. Ein Satz, den ich ungern schreibe. Aber wir sollten mehr Angst, Nervosität und Besorgnis haben – vor dem Hakenkreuz und was es bedeutet: Nicht vor irgendwelchen Sternchen und Unterstrichen.

Euer Patrick


20.03.2024

In einer hektischen Welt, in der wir durch die Tage hetzen und unsere Gedanken von einem Termin zum nächsten jagen, kann etwas so Einfaches wie ein Spaziergang eine der kostbarsten Quellen der Entspannung und Inspiration sein. Das schlichte Spazieren ohne mediale oder soziale Ablenkung tut gut. Hundebesitzer kennen das ohnehin, aber auch ohne Hund wissen viele die Vorzüge des Spaziergangs zu schätzen.

Doch das Spazieren bietet nicht nur eine Flucht aus dem Alltag. Es ist auch eine Zeit des Nachdenkens und der Reflexion. Während unsere Füße den Boden berühren, wandern unsere Gedanken durch die Landschaft unserer eigenen inneren Welt. Probleme lösen sich bestenfalls auf oder werden mit jedem Schritt kleiner, Ideen nehmen Gestalt an und wir finden Antworten auf Fragen, die uns schon lange beschäftigen und für die wir vorher keine Zeit hatten.

Es gibt jedoch eine Kunst des Spazierens, die über das einfache Gehen hinausgeht. Ob man es nun spirituell oder gar religiös oder wissenschaftlich psychologisch betrachten möchte, soll jede und jeder für ich klären: Es geht darum, bewusst zu sein, im Moment zu leben und die Schönheit um uns herum zu schätzen. Es geht darum, unsere Umgebung mit offenen Augen zu betrachten, als würden wir sie zum ersten Mal sehen. Denn selbst in der vertrautesten Nachbarschaft gibt es immer noch Unentdecktes zu entdecken. Kleinigkeiten, die man sonst übersehen hat. Hinzu kommen die jahreszeitlichen Veränderungen. Man kann jeden Tag den selben Weg gehen und doch ist er immer anders.

Spazieren ist darüber hinaus auch eine gesellige Erfahrung. Gute Gespräche, die auch noch schwerer zu belauschen sind, bringen uns näher zueinander. Ebenso auch das Verlieren im Schweigen. Gemeinsam einen Weg gehen. Allein hier ist schon viel Raum für Symbolik und Interpretation. Ein Schwelgen in Metaphorik ist möglich – aber man sollte es nicht übertreiben.

Und dennoch ist es bemerkenswert, wie ein so einfacher Akt wie das Spazierengehen so viele positive Auswirkungen auf unser Wohlbefinden haben kann. Und doch nutzen viele, so meine Vermutung, diesen Effekt zu selten. Ein Osterspaziergang reicht da nicht aus. Das Spazieren ist eine Erinnerung daran, dass die schönsten Dinge im Leben oft die einfachsten sind. Es erinnert uns daran, dass wir nicht immer rennen müssen, um vorwärts zu kommen.

„Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

Euer Patrick


06.03.2024

Der Abendbrottisch ist ein Ort und ein Ereignis der Familie. Das Abendbrot wird auch als die Familienzeit schlechthin bezeichnet. In der Regel zwischen 18 und 20 Uhr. Bei den Deutschen wird etwa Hälfte zu Hälfte kalt bez. warm das Abendessen zu sich genommen. Ein Drittel schaut dabei Fernsehen; das kann man bedingt Familienzeit nennen. Das Wort „Abendbrot“ ist eher im norddeutschen Raum zu finden und ich selbst empfinde es als ein ungemein gemütliches Wort. Abendbrot – ein Sinnbild für eine liebevolle Zeit. Zumindest in der Idealvorstellung.

Es ist die Zeit des Tages, in der alles besprochen werden kann und manchmal auch muss. Familienangelegenheiten und die Themen der Welt. Wenn alles gut läuft, dann kommt jeder zu Wort und jeder Quatsch ist erlaubt. Auch sollten die Fragen der Kinder ernst genommen werden. Handys sind nicht am Tisch erlaubt – eine Unart der Moderne oder einfach ausgedrückt: unhöflich. Also wird auch nicht gegoogelt. Antworten nach bestem Wissen und Gewissen. Wie verhält man sich, wenn der Fahrstuhl abstürzt? Hochspringen? Aber wann? Hinlegen ist wohl die sicherste Alternative – sagt der Sohn. Dann geht es um Fallschirmspringen. Hat noch keiner von uns gemacht, aber wir haben alle da unsere Meinung. Ich erzähle da was vom Luftwiderstand, was die Kinder bedingt interessiert. Dann wird es wild. Alle reden dazwischen. Also Ruhe bewahren. Ausreden lassen. Thema beenden und neues Thema anfangen. Die Kinder erzählen von ihrem Ausflug mit Freunden. Im Jump House ist eine Frau im Trampolin stecken geblieben. Ich lache. „Aber Papa, die wurde dann ins Krankenhaus gebracht.“ Ich höre auf zu lachen. „Oh, das wusste ich ja nicht.“ Die Kinder erzählen weiter: „Die ist auch falsch draufgesprungen. Wir haben gesagt, dass sie das so nicht machen kann. Die anderen auch. Auch die Mitarbeiter haben es zu ihr gesagt. Es war ihr erster Sprung an dem Tag.“ „Auch die Mitarbeiter haben es ihr gesagt?“ „Ja.“ Ich überlege kurz und sage: „Also wenn das mit dem Krankenhaus nicht wäre, dann ist das schon eine lustige Geschichte.“

Die Tragöde kann durchaus lustig sein, wenn sie den nötigen zeitlichen Abstand hat. „Komödie ist Tragödie plus Zeit.“ (Woody Allen) Ich hoffe die Frau schaut irgendwann belustigt auf ihren ersten katastrophalen Sprung zurück. Das Abendbrot endet mit Geschichten aus der Schule, die einen kleinen Einblick in eine längst vergessene Welt bietet. Nervige und zugleich lustige MitschülerInnen. Ähnliches bei den Lehrenden und Details, die man eigentlich gar nicht wissen will. Somit ist das Abendbrot auch eine Offenbarung. Also die Offenlegung von Geheimnissen. Der Familienabend (Es funktioniert auch mit Freunden.) mit Essen in gemütlicher Atmosphäre ist ein Schutzraum. Wir fühlen uns wohl und sicher. Sei es Tragödie oder Komödie. Das entscheidet nicht der Tag an sich, sondern wie wir ihn betrachten: Man soll den Tag nicht vor dem Abendbrot loben.

Euer Patrick


21.02.2024

Wird Kultur populär, dann erscheint sie in einigen Augen als weniger wertvoll. Popkultur soll dann der Hochkultur entgegenstehen. Da macht man es sich zu einfach. Zugänglichkeit oder Komplexität entscheiden doch nicht per se über Anspruch oder Relevanz. Ist ein Werk leicht verständlich, dann kann es durchaus kulturelle Bedeutung haben. Wenn es komplex und undurchdringlich ist, dann kann es durchaus bedeutungslos sein. Und das alles wiederum auch umgekehrt. Also über Kunst lässt sich durchaus streiten. Dazu noch die Geschmacksfrage und schon erscheint jegliche Diskussion unnötig.

Man muss aber schon zugeben, dass Erfolg, also Popularität, ein besonderer Faktor sein muss, denn ein ungesehenes Bild, ein ungehörtes Lied oder ein ungelesenes Buch haben keine gesellschaftliche Relevanz. Wenn man darüber spricht, streitet und es konsumiert, dann hat es Einfluss, ob man es nun mag oder nicht. Es gibt beispielsweise die Unart von Fans sich von einer Musikband, die eher unbekannt, also indie, war, abzuwenden, sobald diese bekannt wird. Dann wird gern vom Mainstream gesprochen. Der kulturelle Geschmack der Mehrheit. Das ist nichts Schlechtes. Das ist auch Gemeinschaft.

Unerträglich ist jedoch die Bedeutungsumkehrung des Medialen Mainstreams, also der Massenmedien. Zeitungen in hoher Auflage oder Radio und Fernsehen mit hoher Quote werden Unabhängigkeiten abgesprochen. Einseitigkeiten angeprangert, weil es nicht in den eigenen Kram passt. Ein Grundverständnis zum Problem von Objektivität und Fehlerquote fehlt bei solchen Bemerkungen. Die Möglichkeit, dass jeder und jede heute in der Lage ist, in sozialen Medien eine Scheinunabhängigkeit zu gestalten und verkörpern zu wollen, ist kein Segen. Allgemeinplätze, Scheinprobleme, Nebelkerzen, einfache Lösungen werden leicht konsumiert – es braucht weniger Denkkraft und Demut. Daraus kann unglücklicherweise auch ein Mainstream werden. In letzter Konsequenz färbt sich ein solcher Strom mit Blut.

Die Bequemlichkeit der eigenen Meinung. Der Algorithmus bestätigt diese nur und verstärkt diese im ungünstigsten Fall bis hin zur Grenzüberschreitung. Es wird unmenschlich und man fühlt sich dabei noch im Recht. Also bitte mehr Denken und Demut. Die Bereitschaft anzuerkennen, dass der Fehler vielleicht nicht nur bei den anderen zu finden ist, ohne dabei seine Überzeugung über Bord zu werfen. Nicht nachgeben, sondern zugeben. Das ist sehr schwer und daher leider selten. Denn unsere Stärke ist zugleich unsere Schwäche: Emotionen. Unsere Gefühle treiben uns eher zum Draufhauen als zum Durchatmen. Dabei geht es natürlich besser, wenn wir uns einfach nicht zu wichtig nehmen würden.

Weil das alles wieder so kompliziert ist und zugleich deprimierend, hilft die Popkultur. Sie kann Emotionen ansprechen und vereinfachen, ohne dass es einfacher wird, dafür aber verständlicher: 1967 sangen The Beatles „All You Need Is Love“. Was das genau bedeutet? Das singen sie auch in dem Lied. Da heißt es dann: Love is all you need.

Euer Patrick


07.02.2024

Das zieht sich. Sagt man gerade häufiger. Das Wetter. Der Winter. Der Januar und nun noch der Februar. Bei manchen schlägt es auf das Gemüt – Schlechtlaunigkeit. Es fehlt halt die Sonne. Vitamin B kann helfen, ist aber bei der Langstrecke Winter nicht das Wundermittel schlechthin. Was also tun? Die Antwort steckt in der Frage. Etwas tun. Egal was. Es geht um die Aktivität. Fehlt es an Motivation, dann ist er da der Teufelskreis. Die Herkunft des Begriffs „Teufelskreis“ ist unklar. Gut vorstellen kann man sich einen Ort oder Raum, der mit einem Zauber oder Bann belegt wurde, den es zu durchbrechen gilt. (Wenn erwünscht.)

Die Abwärtsspirale von miesem Wetter und mieser Laune kann, wie angedeutet, durch zwei Faktoren durchbrochen werden: Besseres Wetter und gute Laune. Eines davon reicht schon. Das Handy hilft dabei nicht, denn weder das Anstarren der Wetterapp noch Doomscrolling wird etwas Positives bewirken.

Es gibt Ratgeber, die empfehlen schlichtweg die Entscheidung zu treffen fröhlich zu sein. Das klingt vielleicht merkwürdig, ist jedoch einleuchtend. Aber ist die schlechte Laune auch eine Entscheidung gewesen? Ist zu bezweifeln, denn wer steht schon morgens mit den Worten „Heute habe ich schlechte Laune und ich vermiese mir und allen anderen den Tag,“ auf? Das Gegenteil war der Fall: Es war eine sogenannte passive Entscheidung – also die Entscheidung keine Entscheidung zu treffen. Nicht zu Lächeln ist eben eine Entscheidung. Dabei ist es so einfach und das gegenseitige Anlächeln ist wunderbar. Stichwort „Spiegelneuronen“. Im Deutschen Ärzteblatt fand ich folgende Passage: „Wir erleben, was andere fühlen, in einer inneren Simulation. Dies führt oft zu einer Art emotionaler Ansteckung, zu spontaner Imitation, zum Gleichschritt und zur Kopie von Duktus und Habitus.“ Sei und fröhlich und nett, dann sind es die anderen auch und dir gegenüber. Einfach mal ausprobieren. Bringt richtig Spaß.

Das ändert alles nichts am Wetter. Wir brauchen das Wetter als gehaltsleeres Gesprächsthema zwischen Tür und Angel oder als Stellvertreter für betretenes Schweigen. Um den Konflikt zu meiden einigt man sich auf schlechte Stimmung wegen schlechtem Wetter. Das ist dann eine schlechte Entscheidung gewesen. Auch hier gilt es den Teufelskreis zu durchbrechen: Die positiven Seiten von Regen erkennen oder sich einfach auf die Gewissheit zu besinnen, dass der Frühling schon kommen wird. Bei Unsicherheiten noch mal Tomte Tummetott lesen: „Viele Winter und viele Sommer sah ich kommen und gehn. Geduld nur, Geduld! Der Frühling ist nah.“

Euer Patrick


24.01.2024

Da sind so Bilder in meinem Kopf. Vorstellungen, Annahmen und Ideale. Es gibt Dinge, die sollten eigentlich so sein, wie ich es für richtig halte. Manche dieser Dinge „gehören sich einfach nicht“. Das ist ohne Frage eine Frage der Erziehung und steht zugleich im Schatten der Aufklärung. Daher könnte man meine Bilder als einfältig, konservativ und intolerant ansehen. Oder genau das Gegenteil. Alles eine Frage der Perspektive, wenn der Kompass verloren gegangen ist. Im Grunde geht es doch immer um die eigene Existenz. Selbst und gerade beim z.B. Altruismus.

Eine Kugel Eis sollte wieder 50 Pfennig, ja Pfennig, kosten. So als Beispiel. Auch möchte ich wieder Telefonzellen in den Straßen sehen. Twix sollte wieder Raider heißen und das ß wieder mit sz schreiben.

Die eigenen Ideale gelten selten. Doch leider ist nichts ideal. Es gibt zwar Dinge, die sind genial. Tiefkühlpizza etwa. Oder ethisch: Vegetarische Tiefkühlpizza. Oder gar idealistisch. Vegane Bio-Tiefkühlpizza. Aber ideal? Was ist schon ideal? Wohl nur das, was in meinem Kopf ist, wenn’s gut läuft. Dann nämlich gäbe es jeden Tag einen neuen Helden, eine Heldin gar, die die Welt retten. Henry Fonda würde Nazis erschießen. Pflanzen könnten sprechen. Draußen nur Kännchen. Ich mache mir die Welt, wie es mir gefällt.

Doch leider steige ich jeden Morgen aus meinem Bett. Verschwende Wasser. Esse viel zu billiges Essen. Trage Klamotten gemacht von Menschen, die davon krank werden. Trinke Kaffee, für den kleine Kinder sterben und mache mit meinem Auto meine Heimat zum Seegrund.

Ideal ist das nicht. Nicht mal ethisch. Schon gar nicht idealistisch. Und es steckt auch keine Genialität dahinter. Eine Tiefkühlpizza ist besser. Aber es bleibt Hoffnung. Meine Gedanken sind gut und richtig. Meine Bilder und Ideale überdauern die Zeit, ja die Ewigkeit. Denn die Gedanken sind frei und früher war wieso alles besser. Ist natürlich Quatsch. Hätte ich aber so stehen lassen können. Freie Meinungsäußerung eben und am Ende fragt man sich: Was will er uns damit sagen? Meine Damen und Herren und alles dazwischen: Das ist die falsche Frage. Wie heißt es oft so schön, wenn man sich um die eigentliche Intention herumwindet: Es ist eine Einladung. Man kann sie annehmen oder auch nicht. Völlige Beliebigkeit. Schwammigkeit. Das Beige des alten Menschen ist Unauffälligkeit aus Angst geboren. Wer Haltung zeigt, muss sich irgendwo festhalten können. Das wäre ideal.

Euer Patrick


10.01.2024

Das, was einem am Leben nerven kann, ist die Tatsache, dass es immer weitergeht. Es hört nicht auf. Aufräumen zum Beispiel. Man ist damit nie fertig. Es muss immer wieder aufgeräumt werden. Vielleicht ist das Schaffen von Ordnung das große universale Lebens-, ja, Weltenziel. Ein endloses Graffiti voller Schattierungen von Grau, manchmal mit einem Hauch von Beige, wenn es besonders aufregend wird. Farblosigkeit als Pessimismus im Lebenssinn. Doch inmitten dieser Farblosigkeit gibt es eine Quelle der Inspiration und des Trostes: die Welt der Kunst und Kreativität.

Egal, ob es sich um den Ohrwurm einer eingängigen Melodie, den Anblick eines beeindruckenden Gemäldes oder den Genuss eines gut geschriebenen Buches handelt – Kunst hat die unglaubliche Fähigkeit, uns aus dem tristen Alltag zu entführen und unsere Sinne zu beleben. Doch in einer ernsten Welt, müssen wir lernen, Kunst nicht nur als Luxus, sondern als Notwendigkeit zu betrachten.

KünstlerInnen sind die wahren SuperheldInnen unserer Zeit. Sie setzen sich gegen das Übliche, das Normale, das Erwartete ein. Nehmen wir beispielsweise die Straßenkünstler, die mit Graffitis graue Wände in farbenfrohe Meisterwerke (Ja, nicht immer, aber durchaus.) verwandeln. Sie zeigen uns, dass es inmitten der monotonen Fassaden des Alltags Raum für Schönheit gibt.

Auch in der Musik gibt es Menschen und deren Kunst, die in uns Freude, Wohlbefinden, Ekstase oder die schöne Melancholie hervorrufen. Aber die Kreativität nicht nur für Profis reserviert. In jedem von uns ist Kunst verborgen. Kreativität im Alltag. Die Kunst des Alltagslebens besteht darin, Farbe in die Routine zu bringen. Kreativität ist ein Spielplatz für die Seele, auf dem wir uns austoben können, ohne dass uns jemand die Spielregeln vorgibt.

Wenn der Alltag vielleicht grau erscheint, so sind Farben doch möglich. Ein Lächeln, eine Begrüßung, ein wenig Zeit. Ganz konkret: das nächste mal beim Bäcker heißt es nicht sofort beim Betreten: „Ich bekomme drei Mohn und zwei Sesam.“ Sondern mit Farbe etwa so: „Guten Morgen. Ich hätte gern vier Brötchen. Zwei Mohn und zwei Sesam. Vielen Dank. Schönen Tag noch und auf Wiedersehen.“ Dieses kleine Kunststück sollte doch möglich sein. Eine Freude für jeden Menschen, der das hört.

So kann das Leben weitergehen. Nervt dann auch gar nicht mehr. Bringt Ruhe und Ordnung. Und wenn man erstmal Spaß an der Kunst hat, dann kann man noch ein „Bitte“ einfügen. Lasst eurer Kreativität freien Lauf.

Euer Patrick


27.12.2023

Jahresrückblick. So rein aus dem Gedächtnis ist das eine Anstrengung. Es ploppen da einige Highlights auf oder die besonders schlimmen Dinge, die einem passiert sind. Letztere können die schönen Dinge mit einem Schatten überlagern. Umgekehrt geht das auch – nur mit Licht. Je nach Stärke und Gewichtung. Der persönliche Jahresrückblick ist nicht ganz, aber zu einem großen Teil, deckungsgleich mit denen der Liebsten. Gemeinsames Erinnern hilft bei der Bewertung und zeigt zugleich, dass die Schwerpunkte unterschiedlich sein können. War es nun ein gutes Jahr oder erscheint es lediglich als ein schlechtes Jahr? Die Tradition der guten Vorsätze birgt den Gedanken in sich, dass das neue Jahr besser wird. Für ein selbst. Aber auch die generelle Hoffnung auf Besserung ist da. Für das Persönliche also Vorsätze. Für die Allgemeinheit die Hoffnung. Vielleicht sollten wir es umkehren in gute Vorsätze für uns alle. Die Aufgabe schlechter Gewohnheiten oder diese ganzen Sport- und Ernährungsangelegenheiten sind doch ohnehin blattgoldverzierte Hoffnungen, die ihren Glanz noch vor dem Frühling verlieren, während die Welt und die Menschen darin neue Missbilligungen, Unverständnis und Konflikte bis hin zu Bösartigkeiten hervorholen.

Natürlich haben wir es augenscheinlich besser bzw. leichter in der Hand unser alltägliches Verhalten zu ändern als gleich die ganze Welt. Aber anstatt einer Diät wäre es für alle besser zum Beispiel einfach netter zu sein. „Es ist nett, nett zu sein | Ohne was zu wollen | Es ist nett, nett zu sein | Ohne Müssen, ohne Sollen | Einfach nur so | Egal wann, egal wo | Ist es nett, nett zu sein, nett zu sein.“ (Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen) Weniger Schimpfen und mehr Verständnis wäre auch nicht schlecht. Wir können so viel Gutes tun, wenn wir es miteinander gut meinen und nicht nur mit denen, die wir wieso schon gut finden. So was schreibt sich leicht herunter. Ist leicht gesagt. Moralapostel. Aber manche Dinge müssen halt mal ausgesprochen werden. Beim Namen genannt werden. Auch die Unangenehmen. Auch die Schönen und Guten.

Der Rückblick stellt uns die Aufgaben für die Zukunft. Ganz von allein. Wir neigen zu Vergleichen. Wir haben ja auch so schöne Sprichwörter wie „Kann ja nur besser werden“, oder „Das war nicht schlecht.“ (Des Deutschen größtes Kompliment beim Essen lautet: „Kann man essen.“) Natürlich ist es dieser Tage schwer an das Gute zu glauben – an Besserung zumindest. Aber wer schwarzmalt, schaut auf schwarze Leinwand. Da ist kein Licht mehr. „Nützt ja nichts. Kannste nichts machen.“ Der Pessimismus ist verführerisch und leicht zu erlernen, während der Optimismus eine Anstrengung ist. Genau wie der Jahresrückblick. Es sind nicht die Highlights, sondern die vielen bunten und hellen Angelegenheiten des tagtäglichen Lebendigseins. Alles das, was wir vergessen, weil es unbedeutend erscheint. Weil es einfach nur nett war.

Euer Patrick


13.12.2023

Sitzen zwei Kühe auf einem Hochspannungsmast und stricken Honig. Fliegt ein Joghurt vorbei. Da sagt die eine Kuh zur anderen: „Wieso? Bananen haben doch gar keine Gräten.“ Ein sogenannter Antiwitz. Keine Pointe. Mehrere Brüche. Nicht witzig. Oder doch witzig? Ist ein Antiwitz auch lustig? Also ernstzunehmen ist er schon mal nicht. Und da bekanntlich, Heinz Wäscher sei Dank, Witzigkeit keine Grenzen kennt, kann auch ein solcher Witz witzig sein. Mag nicht jedem Menschen gefallen, aber was macht das schon. Mit dem „Anti“ ist es ohnehin etwas schwer und auch uneindeutig. Ich mochte schon immer in Filmen und Büchern den Helden der Geschichte. Habe bei einigen dieser Figuren aber früh erfahren, dass es sich um Antihelden handelt. Zuerst habe ich es nicht verstanden, denn sie waren doch Helden, für mich jedenfalls, auf ihre Art. Warum also „Antihelden“? Weil auch sie Brüche haben, nicht moralisch einwandfrei handeln, egoistisch sein können, eher passiv und melancholisch sind, einsame Gestalten, denen selten das Happy End vergönnt ist. Das Heldenhafte ist die Identifikation in der zu kritisierenden Gesellschaft.

Obwohl der Antiheld nicht aktiv etwas zum Guten bewirken will bzw. kann, ist er ein Held. Obwohl der Antiwitz keine Pointe hat, kann er witzig kein. Das lässt sich natürlich nicht mit jedem „Anti“-Wort durchspielen. Zum Glück, denn Antiwitz und auch Antiheld stoßen oft auf Unverständnis. Das liegt zum einen in der Natur der Sache, zum anderen in der Erwartungshaltung der Menschen. Kunst ist doch schon spannender, wenn sie einen unerwartet trifft. Der Bruch mit der Tradition kann dies auch sein.

Da stelle ich mir die Frage, ob unser Weihnachtsbaum im Wohnzimmer eine Installation ist? Also grundsätzlich ist er es ja. Unser steht schon geschmückt im Advent da. Ist das schon Kunst? Die Kunst liegt nicht nur beim Künstler, bei der Künstlerin, sondern bei den Menschen, die sie betrachten. Die allgemeine und allgegenwärtige Weihnachtsdeko als große Kunstinstallation? Ist der Weihnachtsbaum wirklich nur Kindheit, Heimat, Tradition und Traum? Oder ist es auch der Wunsch nach Veränderung? Nach einem temporären Anderssein? Ein anormal, ein anti-normal? Ein Festhalten an einer Tradition, die im Januar zergeht und uninteressant wird? Jedes Jahr neu belebt werden muss, um dann wieder zu sterben? Die (scheinbar) ewige Wiederholung gibt Sicherheit. Der Bruch wirft Fragen auf. Ein guter Witz und ein strahlender Held machen Freude. Wirklich aufregend sind aber strickende Kühe oder James Dean. Oder der Weihnachtsbaum drei Wochen vor Weihnachten.

Euer Patrick


15.11.2023

Ich schreibe unter Zeitdruck. Immer. Grundsätzlich. Anders geht es auch nicht, denn nach hinten raus ist die Zeit endlich. Alles ist befristet. Irgendwo ist die Deadline. Bei mir ist es diesmal ein Schlemmerfilet. 45 Minuten braucht es im Ofen und bis dahin soll diese Kolumne fertig sein. Da die Lesezeit für eine meiner Kolumnen weit unter dieser Zeit liegt, muss ich nicht in Echtzeit schreiben, was eine besondere Herausforderung wäre. Demnach habe ich genügend Zeit. Meine ich. Aber während der Timer gnadenlos herunterzählt, vertippe ich mich, korrigiere ich, lösche und schreibe neu. Ich frage mich, wohin die Reise diesmal geht und ob mir der Text am Ende gefallen wird. Es sorgt mich nicht; es ist eher spannend, denn sehr selten steht der Text als Konzept oder gar Struktur vor dem Schreiben gedanklich fest. Ich schreibe den Text direkt am PC.

Dazu eine Begebenheit: Auf die Frage, ob ich denn auch Gedichte am Computer und nicht etwa auf Papier verfasse, habe ich einst geantwortet, dass ich auch Lyrik nicht ausschließlich, aber doch recht häufig direkt am PC schreibe. Das traf auf Unverständnis. Ich verstand und verstehe auch heute die romantische Idee der Lyrik und ihre Genese durch den Autor mit Stift und Papier. Am liebsten noch in der freien Natur, aber die Realität verweigert manchmal die Analogie zum Analogen.

Aber nun zurück zum Schlemmerfilet. Ich möchte hier keine Werbung machen, aber das Wort „Schlemmerfilet“ ist schon sehr gut. Überhaupt gibt es tolle Marken- und Produktnamen. „Fanta“ zum Beispiel. Ist abgeleitet von Fantasie. Bekanntlich ein Getränk von Coca-Cola. Aber da war doch was. Stimmt. Erfunden in Deutschland im Jahr 1940. Oder wie der Stern 2021 schrieb: „Die Wurzeln der Orangenlimo liegen in NaziDeutschland.“ Aufgrund von Rohstoffknappheit konnte The Coca-Cola Company in Deutschland keine Coca-Cola herstellen, also entwickelte der Chefchemiker Wolfgang Schetelig in Essen die Fanta. Überhaupt verstanden sich Coca-Cola und Nazideutschland ganz gut. 1936 war das US-Unternehmen Hauptsponsor der Olympischen Spiele.

So ist das mit den Gedanken. Da will man sich mal ein Fisch heiß machen und schon landet man im Dritten Reich. Der Timer wird jeden Augenblick klingeln und ich stelle mir die Frage, ob das jetzt ein guter, nein, ein angebrachter Text ist. Das entscheide zum Glück nicht ich. Aber einen Gedanken habe ich da noch. Vorbei ist schon mal gar nichts. Alles hängt irgendwie nach. Daraus wächst Verantwortung. Nicht nur im Umgang, sondern auch die Verantwortung zum Wissen. Man kann natürlich nicht alles wissen, aber das, was man weiß, sollte man nicht ignorieren oder versuchen zu vergessen. Niemals vergessen. Niemals.

Euer Patrick


01.11.2023

Konkret. Wenn Dinge sinnlich erfahrbar sind. Anschaulich und wirklich, dann sind sie konkret. Oder aber man formuliert konkret. Das bedeutet demnach sachlich, deutlich und genau. Also die Dinge beim Namen nennen und nicht um den heißen Brei herumreden. Je nach Zweck haben beide Varianten oder Verhaltensweisen ihre Berechtigung. Man könnte meinen: Je unkonkreter, desto artifizieller. Konkretes Beispiel dazu wäre etwa, dass Freddy Mercury mit seinen Liedtexten besser wurde, als er weniger konkret über die Themen, die ihn umtrieben, schrieb. Oder Gedichte, die vor Unverständlichkeiten nur so trotzen, sind umgeben von einer besonderen künstlerischen Aura. Vorausgesetzt sie sind mit ernst vorgetragen oder buchbinderisch geschmackvoll eingefasst. Falls nicht, dann ist es womöglich Klamauk. So haben die Beatles mit „I Am the Walrus“ bewusst einen Quatschtext geschrieben. (John Lennon fand es lustig, dass Englischlehrer mit ihren Schülern Beatlestexte interpretieren.) Eigentlich angekündigter Klamauk und doch versuchen sich Menschen bis heute an seriösen Interpretationen.

Man landet schnell bei der Frage, was denn Kunst sei. Schnell, grob und zutreffend ausgedrückt ist Kunst das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Da findet sich jeder Mensch gern wieder, wenn er denn möchte. Zuerst kommen da Bilder, Skulpturen oder eben Musik in den Kopf, aber da gibt es noch mehr und eine konkrete Form der Kunst möchte ich kurz erwähnen: das Videospiel.

Ich war mit meinen Kindern auf einer Messe für Videospiele und Comics. Es war ein Eintauchen in eine Welt voller Kreativität. Zum einen war da natürlich das Cosplay. Also die Kostümierung als ein Charakter aus einem Manga, Film oder Videospiel. Sehr beeindruckend. Zum anderen die Vorstellung und das Feiern von Videospielen. Sei es die neuesten Entwicklungen oder die Klassiker. In dem Retrobereich waren viele Klassiker zu finden und die Faszination war bei uns sofort da. Es hatte etwas museales. Wir spürten bei den Besuchern viel Leidenschaft und Gemeinschaft. Da wurde in Erinnerung geschwelgt und gefachsimpelt. Interpretiert, kritisiert und gelobt. Obwohl die Messe groß war, haben wir uns auf eben diesen Retrobereich beschränkt. Die alten Spiele hatten es den Kindern angetan. Je älter desto spannender waren sie.

Demnach war der Tag auf der Messe ein Festspiel des Konkretums. Die sinnliche Wahrnehmung der digitalen Spielekunst. Ist es so viel anders, sich ein Videospiel zu verlieren als in ein Ölgemälde? Es gibt Videospiele, die hohe Preise erzielen. Lapidar ausgedrückt ist es eine Welt für sich. Aber was ist schon keine Welt für sich? Wir wurden und waren ein Teil dieser Welt und ich konnte es mir nicht nehmen lassen, dort einen Kunstgegenstand zu kaufen. Ein klassisches Stück. Nostalgisch, nein eher historisch. Revolutionär und wegweisend. Nach dreißig Jahren besitze ich wieder einen Game Boy. (Genau, den Classic in Grau.) Was soll ich sagen? Als Kind die Finger wund gespielt und jetzt als steht er schick im Regal. Damals wie heute sinnlich erfahrbar. Konkret.

Euer Patrick


18.10.2023

Unwissenheit kann ein Segen sein. Sie ist es aber nicht per se. Bestimmte Dinge nicht zu wissen, kann das Leben vereinfachen. Sie beschäftigen einen nicht mehr und bereiten keine Sorgen. Aber eine übertriebene, selbstgewählte Unwissenheit, kann sich zu Ignoranz entwickeln. Und diese wird im Allgemeinen negativ bewertet. Es ist völlig nachvollziehbar, dass wir Menschen bestimmte Themen ignorieren möchten. Im Grunde geht es um Schmerzverhinderung. Zumindest sich nicht schlecht zu fühlen. Der Eskapismus klopft an die Tür und sagt: „Komm, lass uns einen Film schauen oder kochen! Schau dir nicht die Nachrichten an, spiel lieber ein Spiel, geh spazieren, mach dir keinen Kopf.“ Das kann und sollte man für die eigene Gesundheit ruhig tun. Bevor es aber zur Ignoranz wird, könnte auch gegebenenfalls das schlechte Gewissen anklopfen und fragen: „Wie kannst du bei all dem Leid der Menschen auf der Welt so selbstgefällig sein? Kümmert es dich nicht?“

Nun hat beides seine Berechtigung. Auch wenn je nach Verhältnis das eine oder das andere schwerwiegender ist. Es bedarf ein gutes Gefühl der richtigen Verhältnismäßigkeit. Also eine Abwägung bestimmtes Wissen für sich zuzulassen oder eben jenes zu ignorieren. Ein Austarieren von Mitgefühl für das eigene Ego und für andere Menschen. Dabei hilft es zu wissen, dass man nicht der Mittelpunkt der Welt ist und nicht ansatzweise in der Lage ist, wirklich viel zu wissen. Wir überschätzen uns da gewaltig, denn unser Unwissen ist gewaltiger. Wir glauben zu verstehen, wie unsere unmittelbare Umwelt oder gar die Welt funktioniert, aber wir sind ja noch nicht mal in der Lage die Funktionsweise unseres Handys oder unserer Küchenmaschinen zu erklären. Oder gar wie unser Körper funktioniert. Wir meinen zu wissen und verstehen so wenig.

Und wenn ich nun auf die Metaebene schaue, dann ist dieser Text natürlich auch nur Geraune. Unwissenheit und Gemeine. Ein Beispiel für Unwissenheit bei gleichzeitiger Selbstüberschätzung. Was also tun? Das Richtige tun – nach bestem Gewissen und Wissen und Unwissen.

Euer Patrick


04.10.2023

Ohne Erlebnisse auch keine Erinnerung. Außergewöhnliche Erlebnisse führen auch zu bleibenden Erinnerungen. Die guten wie auch die schlechten. Wie erinnern uns nicht an alle Schultage unserer Kindheit und Jugend, aber ein paar sind uns im Gedächtnis geblieben. Etwas war an den Tagen anders. Besonders. Je öfter wir dann dieses Erlebnis im Kopf nachleben oder davon berichten, um so präsenter und klarer bleibt es im Gedächtnis. Man muss aber schon zugeben, dass sich die Geschichten und Bilder im Laufe der Zeit verändern. Wie bei der Genese der biblischen Schriften wird hinzugedichtet, verbunden, gekürzt, überschrieben, verschrieben, rangehängt, durchgestrichen, ausgebessert, ausgelassen, ausgeschmückt etc. Und irgendwann weiß man gar nicht mehr, ob das Erinnerte überhaupt noch stimmt – also mit dem tatsächlich Erlebten übereinstimmt. Ohne Fotos oder Videomaterial haben wir keine Beweise wie es wirklich war. Da nützt es auch nicht, wenn jemand, der damals dabei war, seine Erinnerung zum Besten gibt, denn diese ist auch unzuverlässig. Da wird dann gern kolportiert. Letztendlich sollte man sich auf Uneinigkeit einigen. Recht haben alle, die darauf bestehen.

Nun haben Erinnerungen auch den Vorteil, dass man in ihnen schwelgen kann. Daher ist es erstmal egal, wie wahrheitsgemäß sie sind. Schwelgen ist ein schönes Wort und es beschreibt auch eine schöne Tätigkeit: sich genüsslich in etwas versenken, sich an etwas berauschen, einem Genuss hingeben. Damit man in eben diesen Genuss kommen kann, braucht es vorangegangene Erlebnisse. Erlebnisse, die wir selbst kreieren und forcieren, führen zukünftig zu schwelgerischen Erinnerungen. Es ist ein wenig wie Gesundheitssport: die Sporteinheit von heute ist ein Invest in den Körper der Zukunft. Solange wir also in der Lage sind schöne Dinge zu erleben, sollte dies genutzt werden. Irgendwann bleiben halt, so kann der Lauf des Lebens sein, nur noch die Erinnerungen.

Es könnte alles so einfach sein, wenn es da nicht erstaunliche Studien und Experimente zum Einpflanzen von Erinnerungen gebe. Allein durch Suggestivfragen kann man Menschen sehr detaillierte Erinnerungen von Taten und Erlebnissen einpflanzen, die nie stattgefunden haben. Ein Diebstahl etwa. Es wurde eine neue fiktive Realität in die eigene Vergangenheit geschrieben. Wie vertrauensvoll sind unsere eigenen Erinnerungen? Am Ende sind unsere ganz persönlichen Erlebnisse und die Erinnerungen dazu eben – persönlich – und privat. In unserem Kopf. Unser Gewissen und unsere Verantwortung. Erinnerungslücken dienen dem Schutz. Für sich oder für andere. Erinnerungslücken, die keine sind, aber vorgeschoben werden, auch. Wir alle wollen lieber schwelgen als darben. Oder wie es Olaf Scholz einst formulierte: „Ich habe keine eigene Erinnerung.“

Euer Patrick


20.09.2023

Seit ich diese Kolumne schreibe, gibt es ein Thema, das ich immer wieder behandele: Zeit. Jedes Jahr gab es eine Kolumne über die Zeit. Dies hier ist die vierte. Das liegt ohne Frage an der Faszination an dem Begriff bzw. dem Thema. Ohne jegliches Expertenwissen, wie die eines Astrophysikers etwa, erstaunt es mich sehr, wenn ich mir bewusst mache, dass der Sternenhimmel aus Lichtern besteht, die vor Tausenden oder gar Millionen von Jahren leuchteten. Wir sehen die Sonne immer etwa acht Minuten später als sie ist. Also ihr Licht braucht acht Minuten zur Erde. Wir sehen also in die Vergangenheit, je nachdem wie weit der Ursprung des Lichts entfernt ist. Wir sehen das Licht von Sternen, die es gar nicht mehr gibt. Das alles ist so groß und in Gänze unbegreiflich, dass unser persönliches Leben, die ganze Erde, sehr unbedeutend und klein erscheint. Und doch ist unser Leben auf diesem Planeten alles, was wir haben und verantworten.

Jedenfalls noch, denn ich möchte nicht ausschließen, dass es der Menschheit gelingt auf dem Mars oder sonst wo ihre Zelte aufzuschlagen. Dazu bin ich ein zu verträumter Star-Trek-Fan.

Es kam mir bei all dieser Faszination ein betrüblich-heiterer Gedanke: Wenn jetzt auf einmal, wie auch immer, von einem Augenblick auf den anderen, die Welt, das Weltall, das Universum zerfällt, dann wäre alles für uns alle vorbei. Und wenn das einfach so passiert, ohne dass wir es bemerken, wäre es dann überhaupt schlimm? Zack! Vorbei! Zumindest besser als ein langsamer und schmerzvoller Zerfall.

Bei dieser Überlegung gibt es natürlich eine Parallele zum persönlichen menschlichen Schicksal. Lieber ein schneller Tod ohne Schmerz als ein langes Siechen. Es gibt Dinge, die sollen möglichst kurz sein und andere Dinge möglichst lange anhalten. Aber die Zeit ist da recht erbarmungslos. Sie schreitet voran. Jeder Tag ist ein Tag näher am eigenen Tod. Wie im letzten Jahr in der Kolumne über die Zeit, muss ich auch diesmal aus dem Lied „Time“ von Pink Floyd zitieren, denn dort ist prägnant und wunderschön alles auf den Punkt gebracht: „And you run and you run to catch up with the sun, | But it’s sinking | Racing around to come up behind you again | The sun is the same in the relative way, | But you’re older | Shorter of breath and one day closer to death.“

Ist das jetzt alles Trübsal und traurig? Falls ja, dann sollte man schleunigst etwas ändern. Denn wenn der natürliche Lauf der Dinge bzw. das Aussprechen und Vergegenwärtigen des Unvermeidlichen einen traurig stimmt, dann erscheint das zwar nachvollziehbar, ist aber ein Hindernis das Leben zu bejahen. Es gibt eine Menge Sterne, die sind schon lange erloschen, aber dennoch strahlt ihr Licht uns an und macht uns Freude.

Euer Patrick


06.09.2023

Viele Dinge können giftig sein. Pflanzen, Pilze, vergammeltes Essen, Reinigungsmittel, generell bestimmte chemische und auch natürliche Substanzen. Meist sind wir gut vor Vergiftungen geschützt, denn die entsprechenden Dinge sind sehr oft bitter und nicht gerade schmackhaft. Jedenfalls lernen wir Menschen durch eindringliche Erziehung oder noch eindringlichere Erfahrungen, was schädlich für unseren Körper ist. Das funktioniert in der Regel gut. Und doch machen wir alle früher oder später die Erfahrung, mal etwas Falsches gegessen zu haben. Da war dann irgendetwas nicht in Ordnung. Ich kann mich an meine leichten bis schweren Lebensmittelvergiftungen sehr gut erinnern: Omelett in Paris, Garnelen und Hamburger in Spanien. Man ahnt es – alles im Urlaub. Der Lerneffekt war eindeutig und klar. Keine Hackwaren und ominöse Garnelencocktails in warmen Ländern zu sich nehmen und bei Eiergerichten mehr Feingefühl für den Laden entwickeln. Das sind natürlich nur persönliche Erfahrungen und ist keine generelle Aussage. Zudem bin ich verdauungstechnisch recht empfindlich.

So oder so gibt also giftiges. Aber nicht nur beim Essen. Denn nun wird es toxisch. Vieles ist gerade toxisch. Das Wort wird häufig verwendet. Toxische Beziehungen. Toxische Männlichkeit. Toxische Weiblichkeit. Toxisches Verhalten. Toxische Menschen. Toxisch. Toxisch. Toxisch. Es herrscht Toxizität. Die Stimmung ist vergiftet. Es scheint mir nicht richtig zu sein, Menschen als giftig zu bezeichnen – wie ein verschimmeltes Brot. Das wäre in der Tat despektierlich. Es geht vielmehr um Verhaltensweisen. Es geht um das Miteinander. Grob sind dies die Punkte, mit denen man toxische Menschen bzw. deren Verhaltensweisen beschreibt: „Sie werden oft beleidigend. Sie sind immer auf der Suche nach Problemen, bieten aber keine Lösungen an. Sie sehen alles immer negativ. Sie trauen sich selbst mehr zu als anderen. Sie sehen sich immer im Recht. Sie respektieren den persönlichen Raum anderer nicht. Heuchelei. Manipulation. Aus Prinzip trotzig sein. Lügen.“ Da kann einem schon schlecht werden und, wenn möglich, wäre es von Vorteil einen solchen Menschen zu meiden wie der Teufel das Weihwasser. Man muss die Garnelen nicht bestellen. Doch manchmal sind sie einfach da und man isst sie mit schlechtem Gefühl. Es gibt Menschen, die tun einem nicht gut. Man weiß das und es ist unendlich schwer sich dies einzugestehen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Es geht eben um das Miteinander und Chancen. Wenn aber das Gift zu stark ist, dann entsteht eine Vergiftung und das kann echt weh tun.

Nach meinen spanischen Garnelen hatte ich Fieberträume und Schmerzen und war kurz davor ins Krankenhaus zu fahren. Schaffte es aber noch in den Flieger nach Hause. Dort angekommen ging es mir auf dem heimischen Sofa schnell besser. Es brauchte Zeit, Abstand und eine heimelige Atmosphäre. Es wurde immer weniger toxisch. Vielleicht brauchen wir Menschen manchmal mehr Zeit und mehr Abstand und dann noch eine warmherzige Umgebung. Das nennt man dann Detox. Aber diese Phiole mache ich jetzt nicht mehr auf. „Mit dem Geschmack aus dem Giftparadies | Ich bin süchtig nach dir. | Weißt du nicht, dass du giftig bist?“ (Britney Spears, Toxic)

Euer Patrick


09.08.2023

Über Geschmack lässt sich streiten. Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Beide Redewendungen kursieren in der alltäglichen Verwendung. Je nach Lesart sind beide auch richtig. Da Geschmack ein subjektives Empfinden ist, treffen zwangsläufig verschiedene Geschmäcker aufeinander und Streit darüber ist in der Sache an sich begründet. Man kann es auch spielerisch sehen und den Streit zulassen, wenn ohnehin klar ist, dass es keinen Gewinner gibt. Also einen schönen Streit, ohne das Gegenüber zu überzeugen. Andererseits lässt sich eben nicht darüber streiten, da es vergeblich ist, sachliche Argumente für persönliches und emotionales Empfinden überzeugend anzuführen.

Somit finden wir in unseren Gesprächen immer wieder die Geschmacksstreitereien, die zuweilen Spaß machen, aber auch ganz schön anstrengend sein können. Besonders unangenehm wird es, wenn die Spielregeln nicht eingehalten oder gar nicht erst verstanden wurden. Wenn Beharrlichkeit und Rechthaberei das Gespräch vergiftet. Wenn ernsthaft über den richtigen, den angeblich guten, Geschmack gestritten wird. Ohne objektive Kriterien ist alle Ernsthaftigkeit müßig. Das Feuilleton

bewegt sich ständig irgendwo dazwischen. Ein Bewertungssystem mit Noten, Punkten oder Sternchen sagt mehr über KritikerIn als über das Werk aus. Und doch erscheinen solche Skalen von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“ hilfreich in der Orientierung, ob es sich lohnt dies zu lesen, jenes zu sehen oder Besprochenes zu hören. Hinzu kommt der Faktor Erfolg bzw. Popularität. Gute Kritiken, viele finden es toll, dann wird es mir wohl auch gefallen. Vielleicht ist es wahrscheinlicher, aber niemals sicher. Hohe Popularität, miese Kritiken oder umgekehrt – irgendwie ist das alles keine Orientierung.

Angenehmer sind persönliche Empfehlungen von Menschen, die den Geschmack des anderen gut kennen. Das sind auch die Menschen, die stets die guten Geschenke machen. Das passende Buch oder die noch unbekannte aber richtig gute Musik. Im Grunde ist es ein Angebot, das passt oder nicht. Den Geschmack trifft oder eben nicht. Da gehört das eigene Ego zurückgestellt. Das geht man in einen Kinofilm oder auf ein Konzert, die einem nicht zusagen, aber man macht es trotzdem. Dem Streit wird die Versöhnung vorweggenommen. Geschmack wird akzeptiert. Mit dieser Offenheit kann etwas geschehen, das man für unmöglich gehalten hat: Man ist auf den Geschmack gekommen. Also zunehmend an etwas Gefallen finden, das vorher nicht dem eigenen Geschmack zusagte. Das kann man so hinnehmen oder man zweifelt am eigenen ästhetischen Urteilsvermögen, was nachvollziehbar, aber auch hinderlich ist. Der innere Konflikt, ob ich etwas mag oder nicht, zeigt sich beispielhaft bei Oliven. Ich möchte sie mögen. Seit Jahren, immer wieder, probiere ich sie. Auch verschiedene Sorten, aber ich komme da einfach nicht auf den Geschmack. Ich bemühe mich da wirklich. Sie schmecken mir einfach nicht. Oder noch nicht, denn da gebe ich nicht auf. Irgendwann schmecken sie mir schon und das ganz ohne Streitereien.

Euer Patrick


26.07.2023

Stell dir vor, du betrittst einen gut gefüllten Raum, sei es ein Klassenzimmer, ein Büro oder eine Party. Du fühlst dich beobachtet und hast das unangenehme Gefühl, dass alle Augen auf dich gerichtet sind. Wie sehe ich aus? Verhalte ich mich richtig? Egal. Denn in Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Du bist den Leuten ziemlich egal. Reden wir also über den „Spotlight-Effekt“. Dieses Phänomen beschreibt die Tendenz, anzunehmen, dass andere Menschen unsere Handlungen und Erscheinung intensiver wahrnehmen als sie es tatsächlich tun.
Der Rampenlicht-Effekt tritt auf, weil wir dazu neigen, uns selbst als Mittelpunkt der Welt zu sehen. Wir neigen dazu uns selbst als ganz schön wichtig zu nehmen. In unserem eigenen Film spielen wir die Hauptrolle. Dies kann zwar zu Selbstbewusstsein aber auch zu Selbstzweifeln führen.
Das kann schon morgens losgehen, wenn wir überlegen, was wir anziehen möchten oder sollten. Wir stehen vor dem Spiegel und fragen uns, ob unser Outfit angemessen ist, angemessen in den Augen der anderen. In Wahrheit aber sind die meisten Menschen viel zu sehr mit ihren eigenen Gedanken und Problemen beschäftigt, um sich mit unserer Kleidung zu befassen. Der Spotlight-Effekt bläht die Bedeutung unserer Handlungen auf und verleitet uns dazu, uns viel zu sehr um die Meinung anderer zu sorgen. Er kann auch unser Verhalten beeinflussen. Wenn wir denken, dass alle Augen auf uns gerichtet sind, könnten wir zögern, uns einzubringen oder unsere Ideen zu teilen. Wir fürchten uns vor Ablehnung oder Kritik und ziehen uns möglicherweise in unsere Komfortzone zurück. Die Komfortzone ist der Lebensbereich unseres Verhaltens, in dem wir uns wohl fühlen. Klingt gut, ist aber trügerisch, denn ähnlich dem Sofa verleitet es dazu, eher nichts zu tun und sich der Passivität zu ergeben.
Der Spotlight-Effekt ist eine Täuschung unseres Geistes. Natürlich sind wir den Menschen um uns herum nicht egal, aber egaler als wir denken. Es mag auf den ersten Blick ernüchternd wirken, aber die Überwindung dieses Effekts bedeutet einen Zugewinn an Freiheit und Gelassenheit. Jeder Mensch ist mit seinem eigenen Drama beschäftigt, daher ist das eigene Leben keine große Bühne, worauf die anderen blicken. Sei es Hybris oder Bescheidenheit in Selbstzweifel – lass dich nicht von der Annahme täuschen, dass du immer im Zentrum der Aufmerksamkeit stehst. (Die Ausnahme ist natürlich die Präsenz auf einer echten Bühne.) Stell dir doch mal vor, du betrittst einen gut gefüllten Raum, sei es ein Klassenzimmer, ein Büro oder eine Party. Jeder schaut auf jeden. Alle schauen auf sich selbst. Alle sind allen egal und dadurch ganz entspannt.

Euer Patrick


12.07.2023

„Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart.“ (Noël Coward) Herrlich, oder? Ob nun als Selbstreflexion oder in Richtung der Nörgler des eigenes Umfeldes gerichtet, es ist ein wirklich herrlicher Satz. So oder so ist es ein Spiegel. Die Kritik – dabei ist es völlig egal ob gerechtfertigt oder nicht – wird mit in diesem Satz im Hinterkopf direkt gespiegelt, zurückgeworfen, und der Blick nach innen gerichtet: „Welche Berechtigung zur Kritik habe ich eigentlich? Was kann ich eigentlich an mir und meinen Taten kritisieren?“ Das ist wesentlich schwieriger und unbequemer als der Zeigefinger, der sich auf das Gegenüber richtet. Die Frage, ob man denn mit Kritik umgehen könne oder wie man es denn täte, wird normalerweise gestellt. Wie sinnvoll Kritik eigentlich ist weniger. Hier muss kurz unterschieden werden: Es gibt die fachmännische, prüfende Beurteilung und dann die Bemängelung oder weniger hart die persönliche Beanstandung – also das Gemecker. Während das erste Fachleute unter sich regeln sollten, ist das zweite weiter verbreitet und nimmt für sich nicht selten den Anspruch das erstere zu sein.

Die zwischenmenschliche Krittelei ist weder Teil eines wissenschaftlichen Diskurses, noch Grundbegriff der Philosophie, sondern eher der Kitt unserer verkorksten Beziehungen. Denn mit eben jener Kritik funktioniert es nur, wenn bei beiden Akteuren die Kritikkompetenz vorhanden ist. Klingt in der Theorie ja ganz nett: „Unter Kritikkompetenz versteht man einerseits die Fähigkeit, Menschen positiv und negativ im Sinne der Person und der Sache zu kritisieren, andererseits die Fähigkeit, Kritik im Sinne der Person und der Sache selbst zu akzeptieren und produktiv zu verarbeiten.“ (Wikipedia) Also ohne Selbstwert und Humor endet die Sache meist in schlechter Stimmung.

Meiner Meinung nach gibt es aber ein Gefälle. Das kritische Gegenüber sieht sich meist in einer überlegenden Position. Das liegt schon in der Sache, denn in der kritischen Aussprache schwingt dieses „Ich weiß, was du nicht weißt“ mit. Es ist eben die aktive Seite der Kritikmedaille. Und die kann so was von nerven. Gerade wenn sie ungefragt an einen herangetragen wird. Ja, die Kritikkompetenz ist keine Einbahnstraße, aber sie ist auch keine lästige sich verselbständigte Einladung der Meinungsäußerung ohne Ahnung. Daher sollte der Kritik am Gegenüber zuallererst die Selbstkritik stehen, um die emotionale Komponente ein klein wenig herunterzukochen. Am Ende geht es um Beziehungen und psychische Gesundheit. Es gibt da eine Sache, die, was das angeht, richtig gut funktioniert. So eine Art heilsame Äußerung, die leider anscheinend schwerer über die Lippen geht. Es ist nicht der Kitt unserer Beziehungen, sondern, der Kittharz, die Propolis, also das richtig gute Zeug. Ich rede von Komplimenten. Die tun gut. Kosten nichts und zaubern ein Lächeln hervor. „Ein Kompliment ist Sonnenschein mit Worten.“ (Phil Bosmans)

Euer Patrick


28.06.2023

Das Problem bei der Motivation ist es, diese aufrecht zu erhalten. Besser ist die Gewohnheit. Die Gesamtheit aller Motive, die uns Menschen zur Handlungsbreitschaft führen, um ein Ziel zu erreichen, nennen wir Motivation. Durch sie beginnen wir ein bestimmtes Verhalten, führen es fort und beenden es schließlich. Das klingt recht theoretisch und die Praxis zeigt häufig ein Nachlassen der Motivation – nach gewisser Zeit. Besonders bei Zielen, die einen langen Atem erfordern. Es braucht Energie. Auch Willenskraft genannt. Erst durch die Willenskraft kann man zu einem Ziel kommen, wird die Motivation aufrecht gehalten. Die Erfahrung, dass diese Kraft nachlässt, hat jede und jeder schon mal gemacht. Ob nun beim Sport, bei der Arbeit oder einem Gartenprojekt. Der Anfangsenthusiasmus lässt nach und zugleich auch das gute Gefühl, das dem einherhing. Schade eigentlich, aber was ist passiert? Wo ist sie hin die Kraft, die Lust etwas zu machen? Das Ziel war doch so schön und klar vor Augen.

Daher: Besser ist die Gewohnheit. Die Gewohnheit ist ein Perpetuum mobile. „Aber Moment,“ höre ich da schon sagen, „neue Gewohnheiten zu etablieren ist ja mindestens genauso anstrengend und überhaupt gibt es ein Perpetuum mobile doch gar nicht!“ Alles richtig. Hinzu kommt, dass Gewohnheiten die Kreativität erstickt. Trotzdem. Mit der anfänglichen Motivation eine Gewohnheit zu etablieren kann Energie und Kreativität stärken. Das Problem bei der Gleichung ist unterm Strich in der Tat die Gewohnheit – auch wenn sie zugleich die Lösung ist. Denn so gern wir Dinge gewöhnlich tun, umso schwerer tun wir uns mit den ungewöhnlichen Dingen. Bei den Dingen, die wir uns neu angewöhnen müssen. Vielleicht spielt da auch mal Sturheit mit hinein, aber im Grunde sind wir in unseren täglichen Gewohnheiten dermaßen gefangen, dass die Willenskraft nicht reicht und entweder Ausreden oder ein Verschieben auf morgen uns besser in den Kram passen. Dabei waren die etablierten Gewohnheiten ja auch einmal neu. Der Kaffee morgens, das Lesen des FT oder das Zähneputzen – Gewohnheiten, die wir halt machen. Kosten keine merkliche Energie. Das müsste mit einer kleinen Sporteinheit oder dem Schreiben eines Tagebucheintrages ja auch gehen. (Wenn dieses zum Beispiel neu definierte Ziele sind.) Geht auch. Zur Not mit den sogenannten Mikrogewohnheiten. Nehmen wir an, man möchte jeden Morgen nach dem Zähneputzen eine halbe Stunde Sport machen. Wenn es jedoch in vieler Hinsicht unmöglich erscheint, aber die Motivation noch vorhanden ist, dann kann man mit einer Mikrogewohnheit starten. Also wenigstens nur eine einzige Kniebeuge. Wenn die geht, ohne Probleme, jeden Tag, dann – tada – neue Gewohnheit. Darauf kann man aufbauen. Das mag vielleicht lächerlich klingen, aber es schont die Ressourcen und die Motivation gleitet hinüber zur Gewohnheit. Es gibt einen Film mit dem Titel „Lebe lieber ungewöhnlich“. Der Spruch findet sich auch auf Postkarten und Wandtattoos. Letzteres ist ein eindeutiges Warnsignal, ihn nicht mit tieferem Sinn zu versehen. Gewöhnlich zu leben ist gar nicht schlecht bei entsprechender Motivation.

Euer Patrick


14.06.2023

Lohnt es sich noch, die eigene Handschrift zu verbessern? Leserlich zu schreiben ist das eine, eine schöne Handschrift zu haben das andere. Ich bin bestimmt nicht der einzige, der im Supermarkt den Einkaufszettel abarbeitet und dann ein Wort gelangt, das Rätsel aufgibt. Lustig bis traurig, dass ich es nicht mehr lesen kann – beängstigend, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. Immerhin habe ich es ja vor Kurzem erst selbst aufgeschrieben. Die Leserlichkeit liegt nun in der Schnelligkeit und Lustlosigkeit des Schreibaktes. Langsam und sauber aufgeschrieben erleichtert es den Einkauf, ist bei Weitem aber noch keine Kunstwerk, sprich schön geschrieben.

Die Notwendigkeit eine schöne Handschrift zu entwickeln, liegt in der eigenen ästhetischen Empfindung begründet: sich mit schönen Dingen zu umgeben, schließt die Handschrift mit ein. Daher kommt meist der zweite Schritt vor dem ersten. Nämlich der Kauf eines Füllers, nein, was rede ich, eines Füllfederhalters. Am besten gleich einen Kolbenfüller. So stilvoll wird das schon mit der Handschrift – na klar. Eben nicht. Ich habe zwar keinen Kolbenfüller, sondern einen allseits beliebten Allrounder von Lamy, aber ohne Übung bleibt selbst ein mit Füller geschriebener Einkaufszettel ein Rätselspaß. Auch wenn ich beruflich jahrelang schnell aufgezeichnete Mitschriften um das Jahr 1800 gelesen, ja geradezu entschlüsselt habe, verzweifel ich bei meinen eigenen Texten. Dass ich damit nicht allein bin, hilft nur bedingt, denn es verstärkt die Haltung es nicht zu ändern. Es ist zwar tröstlich sich nicht allein zu wissen, aber gleichzeitig hemmt es das Gefühl der bereits genannten Notwendigkeit. Die Notwendigkeit ist eine Triebfeder. Wikipedia definiert es so: „In der Alltagssprache bezeichnet man etwas als notwendig, wenn man glaubt (‚für notwendig halten‘), dass es benötigt wird bzw. vorhanden sein muss, um einen bestimmten Zustand oder ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.“ Es geht also um Zustände und Ergebnisse.

Zurück zur Eingangsfrage. Lohnt es sich bzw. warum die Handschrift verbessern, also schön schreiben? Ist es wirklich nur die Ästhetik? Ich hoffe doch, denn sonst wird es schnell küchenpsychologisch. Handschrift als Spiegel der Persönlichkeit. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Oder nur zum Teil. Der Hang zu viel zu tief in Dinge hineinzuinterpretieren. Wollte ich diese unleserliche Sache auf dem Einkaufszettel unterbewusst gar nicht haben und habe es daher so unleserlich geschrieben? Blödsinn. Denn ich traue mit durchaus zu, es in dem Fall gar nicht erst aufzuschreiben. Am Ende ist es wohl doch nur die Gewohnheit des Mal-eben-schnell. Und das ist leider eben nicht notwendig. Zwar ist der Einkauf weder ästhetisch noch künstlerisch, noch der Einkaufszettel muss dies sein, und doch freue ich mich über alles, was ich auf Anhieb lesen kann. Es lohnt sich.

Euer Patrick


31.05.2023

Auch schon an Nobelitis gelitten? Grundsätzlich, also vom Worte her, müsste man schon einen Nobelpreis bekommen haben, um daran zu erkranken. Als Nobelitis, nobel desease, wird das Phänomen bezeichnet, wenn ausgezeichnete, im wahrsten Sinn des Wortes, Wissenschaftler*innen den Pfad der Wissenschaftlichkeit verlassen und schlussendlich anfangen Blödsinn zu erzählen. Nicht selten kommen noch Arroganz, Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit dazu. Vielleicht ist ihnen der Ruhm zu Kopf gestiegen oder das Selbstbild hat sich in unreale Sphären katapultiert, so dass man nun über alles aus der Lamäng erzählen kann und meint, es sei die ultimative Wahrheit.

Es gibt aber auch Effekte, die breiter gestreut und bekannter sind. Der Expertenmodus bei einer Fußball-WM etwa oder recht neu bei einer Pandemie. Da werden auf einmal ganz viele Bundestrainer*innen oder Virologen*innen. Im Grunde ist es egal, welche mediale Sau durch das Dorf getrieben wird: alle wissen Bescheid und wissen es besser. Da ist er, der Dunning-Kruger-Effekt. Weniger kompetente Menschen neigen zu Selbstüberschätzung, können die eigene Inkompetenz nicht richtig einschätzen und erkennen die Kompetenz der anderen nicht. Wenn man nicht weiß, dass man nichts weiß, dann meint man alles zu wissen. Bildung und Übung kann Abhilfe schaffen. Wenn nicht, dann stellt sich die Frage eines jeden Menschen, ob er denn nun kompetent ist oder nicht? Bin ich es oder erkenne ich es nur nicht, weil ich es eben nicht bin und es daher meine zu sein? Da vertüddelt man sich sich schnell und wählt im Zweifel immer die eine Möglichkeit: Ich bin doch nicht blöd!

Wenn das alles nicht schon lästig genug ist, dann gibt es ja noch das Hochstapler-Syndrom. Obwohl man also kompetent ist und seinen Kram gebacken kriegt, leidet man an Selbstzweifeln hinsichtlich der eigenen Leistungen, Erfolge und Fähigkeiten. Also das Gegenteil vom Dunning-Kruger-Effekt.

Zum nächsten Gedanken schicke ich voraus, dass ich weder die Kompetenz und noch die Nachforschung dazu getrieben habe, aber ich meine zu beobachten, dass beide Effekte wie die zwei faustschen Herzen in einer Brust schlagen können. Bei der einen Sache völlige Selbstüberschätzung bei gleichzeitigen Selbstzweifel bei einer anderen Sache. Und so interagieren wir miteinander. Kein Wunder, dass es zwischen Menschen schon mal knallt. Ein Wunder, dass so manche Gesellschaft stabil bleibt.

Ich gebe zu, dass ich gern mal Videos schaue, bei denen Menschen Missgeschicke passieren. Pleiten, Pech und Pannen bzw. Fails. Sehr häufig entstehen die Unfälle und Stolpereien aus völliger Selbstüberschätzung oder Fehleinschätzung. Bevor das Unheil passiert, ahnt man schon: Das geht schief. Die eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen ist ein Schatz und kann das Leben besser machen und das der anderen. Ohne Nobelitis und dafür nobel.

Euer Patrick


17.05.2023

Beginnen wir mit einem Zitat aus dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm: „da wählen zu wollen gehört, so musz wahl zunächst einen willensact bezeichnen und zwar einen solchen, der unter verschiedenen möglichkeiten, die sich bieten, für eine die entscheidung gibt.“ Sehr lapidar im Alltag auch als „Qual der Wahl“ ausgedrückt. Eine Redensart, die wohl im 15. Jahrhundert ihren Ursprung hat, aber eher in der Formulierung „Wahl macht Qual“. Ob nun Willensakt oder Qual, Entscheidungen sind nicht immer leicht, denn sie können eine Richtung einschlagen, ohne zu wissen, wie es gewesen wäre bei anderer Entscheidung.

Vergangenes Wochenende war es wieder soweit. Viele Kanditat*innen und Möglichkeiten. Es war laut und leise. Hier und da ein Aufreger. Es wurde geweint. Ja, es gab enttäuschte Gesichter. Und ja, eine klare Siegerin. Zum zweiten Mal. Loreen hat es wieder geschafft den Eurovision Song Contest nach Schweden zu holen. Wie sollen wir nun damit umgehen? Klar, gar nicht. Brauchen wir nicht. Es ist keinen Aufreger wert. Der deutsche Beitrag hat es auf den letzten Platz geschafft. Schlimm? Natürlich nicht. Irgendwer muss ja den letzten Platz belegen. Warum nicht wir? Wobei: „Wir“? Wie ist das mit dem Wir-Gefühl? Beim Fußball ist das schon mehr ausgeprägt, aber auch da sind nicht alle dabei. Selbst bei der Sprache kann man nicht wirklich von Einheitlichkeit sprechen. Wäre ja auch echt langweilig, wenn alle sprechen würden, als kämen sie direkt aus Hannover. Irgendetwas hält eine Gesellschaft schon zusammen. Respekt hilft, Egoismus nicht. Traditionen sind von Vorteil. Offenheit für Neues ist hilfreich. Daher ist es gut, die Wahl zu haben. Es sollte auch immer ein wenig quälend sein, denn Gemeinschaft zu bilden ist schwer, in ihr zu leben erleichtert eben dieses Leben.

Und doch nehmen sich viel zu wenig ihr Anrecht zur Wahl wahr. Schade eigentlich, aber da hatte Friedrich Schiller eine Beobachtung: „die menschen, in der regel, | verstehen sich aufs flicken und aufs stückeln, | und finden sich in ein verhasztes müssen | weit besser, als in eine bittre wahl.“ Manche wählen lieber Quälen als sich zur Wahl zu quälen. Ich habe beim Songcontest nicht angerufen und abgestimmt. Das nehme ich mir und auch kein anderer übel. Ich rege mich daher auch nicht über Gewinner oder Verlierer auf. Und obwohl es mir herzlich egal ist, bin ich irgendwie froh, dass es diesen Wettbewerb gibt. Ist halt auch eine Tradition. Viele haben ihre Freude daran. Dabei sein ist alles. Ach, da war doch was. Richtig. Pierre de Coubertin, maßgeblicher Mitbegründer der Olympischen Spiele, sagte: „Das Wichtigste an den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme, wie auch das Wichtigste im Leben nicht der Sieg, sondern das Streben nach einem Ziel ist. Das Wichtigste ist nicht erobert zu haben, sondern gut gekämpft zu haben.“

Euer Patrick


03.05.2023

„Ursprünglich sollte … .“ So kann eine interessante Geschichte beginnen, denn darin steckt schon die Ankündigung einer Wende – eines Twists. Nicht der Tanz, keine Drehung, kein Ort in Niedersachsen, nicht das Protein, kein Garn und mit Tennis hat es auch nichts zu tun, sondern der Plot Point, der Plottwist, einer Erzählung. Ein Klassiker, typisches Partywissen, ist die Erfindung von Coca Cola. Ursprünglich sollte es ein Sirup gegen Kopfschmerzen, bzw. gegen Morphiumabhängigkeit, sein, dann wurde aus der Medizin ein sogenanntes Erfrischungsgetränk. Ist die Party weiter fortgeschritten, dann kommt Viagra auf den Tisch. Ursprünglich sollte Viagra ein Herzmittel sein, dann bemerkte Mann, dass ihm das Herz in die Hose gerutscht ist. Da ist der Weg zur Kettensäge nicht weit, die, bevor sie für Holz benutzt wurde, eine Knochensäge war. Luftpolsterfolie war eigentlich als Tapete gedacht, Frisbees waren Kuchenblechteller und der Kleber an den Post-Its sollte mal ein Superkleber werden.

Die Liste ist noch länger und es wird auch in Zukunft noch so einiges an Überraschungen geben, wenn Neuentwicklungen und Erfindungen ganz andere Richtungen einschlagen. Steuern lässt sich das nicht und daher ist so einiges dem Zufall überlassen und einfach nicht absehbar. Da gibt es die großen Dinge, wie das Internet, das ursprünglich zum Informationsaustausch zwischen Wissenschaftlern diente und nun das ist, was es ist. Dann gibt es kleine Dinge wie unsere Mikrowelle, die ursprünglich Essen heiß machen sollte, aber eigentlich nur für Rapskissen zum Einsatz kommt. (Aber das ist sie und eine Anschaffung wert.) Gezielt ziellos oder ziellos gezielt. Ziele sind wichtig für den Weg. Das Ankommen am Ziel ist nicht zielführend, sondern das Ergebnis. Man könnte es ein aktives Abwarten nennen. Also sich passiv Hinbewegen. Oder weniger stilsicher: Offen für Neues sein.

Unsere Intention sollte also unbeabsichtigt sein, was sich zwar ausschließt, aber nützt ja nichts. Ohnehin muss man sich ja den Realitäten des Lebens unterwerfen und auf alles gefasst sein. Mit „ursprünglich sollte“ beginnen Geschichten über Beziehungen, Arbeitsverhältnisse und ganze Biografien. Ursprünglich sollte es halt alles ganz anders laufen. Das war so nicht gedacht. Hätte ja keiner ahnen können. Steckste nicht drin. Dumm gelaufen oder Glück gehabt. „Hätte ich gewusst, dass … dann hätte ich… .“ Hätte ich die Möglichkeit meinem jüngeren Ich etwas mitzuteilen, ich würde es lassen. Der Konjunktiv ist das Futur des Lebens. Hätte, hätte, Fahrradkette. Dies das Ananas.

Euer Patrick


19.04.2023

Wir Menschen auf Fehmarn leben in einer wunderschönen und wunderbaren Umgebung. Diesen großen Baustein zum Glücklichsein haben wir gemeinsam. Aber auch hier gibt es Momente, in denen sich manche frustriert und unzufrieden fühlen. Vielleicht liegt es daran, dass sie schon seit Jahren hier leben und die Wertschätzung verloren haben. Oder es gibt Herausforderungen in ihrem Leben, die sie nicht alleine bewältigen können. Wie auch immer, es gibt Wege, um mit Frust und Unzufriedenheit umzugehen.

Anerkennung und Annahme solcher Gefühle sind der Schlüssel. Kein Unterdrücken oder Ignorieren. Dann braucht es nur noch die Bemühung um die aktive Veränderungen. Also neue Hobbys oder Interessen ausprobieren. Wirklich neue Erfahrungen sammeln, was auch bedeuten kann, sich professionelle Hilfe zu suchen. Ich möchte aber nicht zu küchenpsychologisch klingen. Sich auf die positiven Aspekte des Lebens zu konzentrieren und sich daran zu erfreuen, erscheint mir schon als ratsam und hilfreich. Das Augenmerk auf die positiven Dinge führt zu mehr Zufriedenheit. Natürlich sollte man sich nicht ungebändigt dem reinen Eskapismus hingeben, denn das wiederum wäre realitätsfern.

Es ist schon in Ordnung frustriert oder unzufrieden zu sein. Aber es ist auch wichtig, aktiv dagegen anzugehen. Denn es geht nicht nur um die eigene Persönlichkeit; es geht auch um die Art und Weise, wie viele Menschen ihren Frust und ihre Unzufriedenheit an anderen Menschen auslassen – insbesondere in den sozialen Medien. Anstatt sich um Lösungen für ihre eigenen Probleme zu bemühen, greifen sie andere an und verbreiten Hass und Negativität. Dies kann zu einer Abwärtsspirale führen, in der alle Beteiligten unglücklich und unzufrieden sind. Unsere Worte und unser Verhalten haben einen starken Einfluss auf unser eigenes Wohlbefinden sowie auf das Wohlbefinden anderer. Wenn wir unsere negativen Gefühle an anderen auslassen, können wir uns in einem endlosen Kreislauf von Frustration und Unzufriedenheit festfahren.

Respektvoll und höflich sein ist gar nicht so schwer. Aber die scheinbare Anonymität enthemmt persönliche Angriffe. Aber die anonyme Scheinbarkeit lässt dies auch in der Realität zu. Wir leben auf der derselben Insel und zugleich auf unseren ganz eigenen Inseln, die vom Meer des Unverständnisses umgeben sind. Was also tun? Brücken bauen. Von mir aus auch Tunnel. Hauptsache wir finden zueinander.

Euer Patrick


05.04.2023

Clint Eastwood kann sich nicht daran erinnern, ob die Filmmusik am Set abgespielt wurde. Es heißt der Regisseur ließ die Musik abspielen, damit die Darsteller der Stimmung der Musik angemessen schauspielern. Aber die wenigsten Schauspieler können sich daran erinnern. Das Drehen in Italien und Spanien unterschied sich schon sehr von dem in den USA. Aber es war besser als in der Armee Schwimmlehrer zu sein. 25 Jahre später fiel in Deutschland die Mauer und Clint Eastwood spielte eine Art Kopfgeldjäger in dem Film „Pink Cadillac“.

Als Helmut Kohl in der Wehrmacht war, besuchte Eastwood die Schule, ging dann aber vom College ab und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Helmut Kohl widmete sein Leben der Politik. Durch die italienischen Filme wurde Eastwood ein Star und das Bild des Filmhelden änderte sich grundsätzlich: Der neue Held war egoistisch, geldgierig, skrupellos und doch auch sympathisch. Die Grenze zwischen Gut und Böse verwischte allmählich. Als dann der Eiserne Vorhang fiel, wurden die Grenzen unklar.

Helmut Kohl wurde der Kanzler der Einheit, aber sein Gedächtnis ließ nach. Er vergaß Namen. Ob er jemals einen Western mit Clint Eastwood gesehen hat? Vielleicht hat Helmut Kohl, wie auch Eastwood in dem italienischen Western, zwei Räuberbanden ausgespielt, damit es der kleinen Familie gut geht und ist dann mit den Dollars seines Weges gegangen. Irgendwie war auch Helmut Kohl ein moderner Antiheld.

Auf meinem Schreibtisch liegen zwei Bücher: Das eine zeigt den großen Helmut Kohl. Auf dem Foto trägt er keine Brille, denn im Alter kann, wenn man kurzsichtig ist, die Altersweitsichtigkeit einen Ausgleich schaffen. Im Buch daneben ein Bild von Clint Eastwood in jungen Jahren mit Cowboyhut, Poncho und Zigarillo im Mundwinkel. Er fand es widerlich die Dinger zu rauchen, aber es passte zum Charakter. Helmut Kohl hatte eine Eigenart zu sprechen. Wunderbar zu parodieren. So ließ sich leicht eine Witzfigur aus ihm machen. Als er nicht mehr Kanzler war, flog Eastwood ins All. In dem Film Spacecowboys spielt er einen gealterten Piloten, der 1958 nicht ins All fliegen durfte, denn die NASA bevorzugte einen Schimpansen. 40 Jahre später können nur er und seine ebenfalls pensionierten Kollegen einen russischen Satelliten mit amerikanischem Steuerungssystem, der auch noch Atomraketen an Bord hat, davor bewahren, dass dieser auf die Erde stürzt.

Gerhard Schröder wurde Kanzler und Clint Eastwood bekommt einen Oscar nach dem anderen. Ich schließe das Buch von und über Helmut Kohl. „Erinnerungen“ steht auf dem Cover. Dann schließe ich das Buch über Clint Eastwood. Auf dem Cover steht: „Um sie weht der Hauch des Todes.“ Es ist übrigens ihre Körpergröße: Beide sind bzw. waren gleich groß. Zudem: Beide kamen 1930 zur Welt. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ (Helmut Kohl, 31. August 1984)

Euer Patrick


22.03.2023

Missverständnisse gehören zum zwischenmenschlichen Leben dazu. Jede und jeder hat schon einmal erlebt, dass das, was man sagt, nicht so verstanden wird, wie es gemeint war. Seien wir mal ehrlich: das passiert täglich. Leider kann das zu Verwirrungen, Verletzungen oder Unannehmlichkeiten führen.

Ein häufiger Grund für Missverständnisse ist der Mangel an Klarheit. Wenn man nicht genau ausdrückt, was man meint, kann es leicht zu Interpretationen kommen, die nicht der ursprünglichen Intention entsprechen. Auch Unterschiede in der Interpretation von Begriffen oder die Unkenntnis von bestimmten Kontexten können zu Missverständnissen führen. Dazu noch eine Prise Genuschel und verhaltenes Leiserwerden in der Stimme und schon ist das Unbehagen da.

Ein weiterer Faktor ist die unsere, die menschliche, Wahrnehmung. Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung und Perspektive auf die Dinge. Was für den einen offensichtlich ist, kann für den anderen vollkommen unverständlich sein. Unterschiedliche Wahrnehmungen können auch durch individuelle Erfahrungen und Vorurteile beeinflusst werden. Wir leben ja im Grunde in unseren ganz eigene Welten. Dazu kommen noch die emotionalen Faktoren dazu. Wenn man beispielsweise in einer hitzigen Diskussion ist oder emotional aufgeladen ist, kann es passieren, dass man nicht mehr klar und deutlich kommunizieren kann. Gerade hier kann es schnell zu besonders misslichen Missverständnissen kommen.

Das ist natürlich alles sehr ernst und macht schlechte Stimmung. Klingt beinahe so, als ob wir Menschen nun gar nicht mehr miteinander reden könnten. Wir bekommen es ja glücklicherweise meistens ganz gut hin. Wir stolpern halt so durch unsere Gespräche. Beim Lesen kann es ebenso holprig werden. Schachtelsätze, unglückliche Satzkonstruktionen oder missverständliche Wörter. Sind jetzt Pferde oder die Erde bei Blumentopferde gemeint? Oder was ist mit Altbaucharme, Hoffensterchen, Kreischorverband, Rotzeder, Stiefenkelchen, Indienstellung oder Nachteilzug? Einige lesen die Wörter sofort korrekt. Andere brauchen ein wenig, um herauszufinden, dass nicht gekreischt oder gerotzt wird. Bei den meisten wird es aber hier und da schon mal kurz holpern im Gehirn. Das sind äußerst kurzzeitige Missverständnisse, die nur in unserem Kopf aufflackern. Zum Glück, denn es gibt ja auch Wörter wie „Duschlampe“. Da muss man allerdings schon aufpassen, allein wegen der Aussprache. Kontext und Klarheit sind hier alles.

Kommen wir zu dem oben genannten Verwirrungen, Verletzungen oder Unannehmlichkeiten: Spüren wir diese in einem Gespräch, einmal kurz zurücktreten, es kurz holpern und stolpern lassen und vielleicht war es wirklich nur ein Missverständnis. Bitte was?

Euer Patrick


08.03.2023

Der März ist schon ein fieser Kerl. Da stehen alle Zeichen auf Frühling. Knospen, Krokusse, sonnige Tage – aber eben noch kein echter, richtiger Frühling. So mit weniger Klamotten am Leib und dem lichten Gefühl von wärmenden Sonnenstrahlen. So ein wenig gibt er uns davon, aber schon nach wenigen Augenblicken fröstelt ein kalter Wind in den Nacken. (Noch schlimmer an den Nieren.) Man weiß es ja eigentlich auch besser. Es ist noch nicht soweit. Geduld ist gefragt. Es wird schon wieder Sommer. Kommt alles. Zum Wetter gehört auch die Phrasendrescherei. Einstiegsthema und Smalltalkthema Nummer eins. Meist regt man sich darüber auf. Wetter als Ventil. Besser als Tratschen, denn da werden Mitmenschen als Ventil genutzt. Dann lieber auf das Wetter schimpfen. Das Äquivalent zum Boxsack bei angestauter Wut. Meine schwarzmalerischen Großeltern, die auf alles und jeden zu schimpfen pflegten, waren beim Wetter allerdings entspannt. Sie meinten stets: „Oh, wenn jeder das Wetter so drehen könnte, wie er es möchte, dann wäre ja was los.“ Sie liebten dieses Gedankenspiel, dass jeder Mensch sich sein eigenes Wetter machen könne und dann letztendlich die Welt im Chaos zugrunde gehen würde. Letzteres passiert vielleicht ohnehin irgendwann. Das ist in der Tat Schwarzmalerei und blockiert die Tatkraft im Leben. Manche nennen es Realismus. Ich denke, dass Hoffnung und Zuversicht trotz allem angebracht ist. Nicht im religiösen Sinne, sondern auf eine Art im Hier und Jetzt.
Nun mag es Zeiten und Lebensumstände geben, die einem recht wenig von dieser Zuversicht geben. Da herrscht die Angst vor, dass es noch schlimmer wird. Einerseits berechtigt, andererseits geht nun wirklich alles irgendwie vorbei. Nichts ist für die Ewigkeit. Nicht einmal die Ewigkeit selbst. Egal was man macht oder sagt, irgendwann ist es egal. Ich kann zwar noch bewerten, was meine Großeltern sagten und dachten. Aber die Taten und Gedanken derer Großeltern sind bereits nichtig. Irgendwann kommt der Moment, da ist alles egal. Man selbst wird egal. Klingt furchtbar deprimierend, ist aber befreiend. Oder wie es der britische Comedian Ricky Gervais vor einer versammelten Riege berühmter SchauspielerInnen sagte: „We’re all gonna die soon. And there’s no sequel.“
So ist und war das mit dem März. Die waffenfähigen römischen Bürger versammelten sich auf dem Märzfeld (Marsfeld) und Vorbereitungen für die Feldzüge wurden getroffen. Im ursprünglichen römischen Kalender begann das Jahr mit dem Monat März. Dem März wohnt irgendwie Anfang und Ende inne – existenziell. Und was machen wir? Ziehen doch die Winterjacke an und warten ungeduldig auf den Frühling. Dabei ist er doch schon da.

Euer Patrick


22.02.2023

Lesen. Langsam Lesen. Schnell Lesen. Speedreading. Surfen (Nicht Internet, sondern eher Querlesen.) Lesen ist nicht gleich Lesen. Es gibt Lesetechniken und sogar Kurse und Seminare zum Lesen. Meist geht es darum schneller zu lesen. Das kann durchaus sinnvoll sein – etwa beim Durcharbeiten von mehreren Sachbüchern. Es gibt Apps bei denen man Zusammenfassungen von Büchern vorgesetzt bekommt. Zehn Minuten Lesezeit und schon ist ein Buch „durchgearbeitet“. Immer mehr, immer schneller. Bei Wissenshunger hat das alles schon seine Berechtigung und doch zeigt sich bei größeren und komplexeren Themen, dass diese nicht mit einer Schlagzeile oder einer kurzen Zusammenfassung zu erschließen sind. Manchmal ist es angebracht sich die Zeit zu nehmen. Dies ist dann das Problem: Die Ruhe zu finden. Die Gedanken zu sortieren. Ein Buch aufzuschlagen und sich zu vertiefen. Nicht das Handy dabei griffbereit zu haben und für die innere Ruhe am besten keinen Anschlusstermin mehr haben.

Es soll ja Menschen geben, die können beim Lesen Musik hören. Ich gehöre nicht dazu. Entweder oder. Da braucht es schon so eine richtige Ruhe. Daher sind Bibliotheken Oasen der Ruhe. Nun können diese Schnelllesetechniken für Sachangelegenheiten sinnvoll sein, aber ein Roman sollte schon genossen werden. Er darf gern verschlungen werden, aber mit Ruhe. Nun muss ich aber zugeben, dass ich beim Romanlesen hin und wieder, wenn sich ein langweiliger Absatz ankündigt, in den Schnelllesemodus wechsel. Anfangs noch mit schlechtem Gewissen, dann aber glücklich schnell wieder beim interessanten Teil der Geschichte gelandet zu sein. Beim Schnelllesen verstummt die innere Vorlesestimme. Das muss in der Tat trainiert werden und es besteht die Gefahr Details zu überlesen bzw. sie nicht aufzunehmen. Kompromisse halt. Kurze Sätze helfen. Hauptsache lesen.

„Ein Leben ohne Bücher ist wie eine Kindheit ohne Märchen, ist wie eine Jugend ohne Liebe, ist wie ein Alter ohne Frieden.“ (Carl Peter Fröhling) Ich schaue wirklich gerne Filme und auch Verfilmungen. Es gibt auch gelungene Romanadaptionen, aber selbst diese haben nicht die Kraft und den Sog, das Eintauchen, wie die Geschichten in den Büchern. Manchmal scheint der Fernseher mehr Entspannung zu versprechen als das Buch in dem Regal. Der Griff zu Fernbedienung ist ein Leichtes; das Aufschlagen des Buches eine Anstrengung. Ein Trugschluss. Das Gehirn lechzt nach den Buchstaben. Es möchte auf eine Reise gehen und nicht mit schnellen Bildern vergrämt werden, ohne von der Stelle zu kommen.

„Lesen stärkt die Seele“, heißt es von Voltaire. Was auch immer unter Seele zu verstehen ist, man fühlt die Wahrheit hinter dem Satz. Denn manchmal, wenn nicht sogar oft oder gar immer, ist das Lesen ein Gefühl. Kein Verstehen. Es ist ein Gefühl des Verstehens. Das Gefühl, dass in all den Geschichten etwas Wichtiges, etwas Heilsames, steckt. Etwas Erlesenes. Ob nun schnell oder langsam. „Manche leuchten, wenn man sie liest.“ (André Gide)

Euer Patrick


08.02.2023

„Schreibe doch mal was zur Jugendsprache!“ Kann ich nicht. Will ich nicht. Warum sollte ich da meinen Senf dazugeben? Klar, meine Kinder kommen da schon mit allerlei Wörtern und sprachlichen Wendungen daher. Von lustig bis kryptisch. Die sollen sie gern und unzensiert benutzen. Ist nicht meine Welt. In der bin ich nur Gast. Einige der Jugendwörter aus meiner Jugend benutze ich noch immer. Ich möchte hier keine Auflistung machen. Nur hier ein kleines Beispiel: „Geil“. Ja, ist jetzt nicht das schönste Wort und der Bedeutungsumfang geht von harmlos bis verfänglich, im Sinne von „verlegen“ – dieses Sexding halt. Und daher durften wir in der Grundschule damals das Wort nicht sagen. Unser Lehrer erklärte uns, dass das Wort den üppigen Wachstumstrieb von Pflanzen beschreibt. Da hatte er auch recht. Nur hat ihn diese Bedeutung wohl nicht gestört, sondern die andere: die sexuelle Erregung. Tja, wir haben aber Dinge als „geil“ beschrieben, die wir gut fanden, was uns begeisterte. Das Verbot hatte keine Auswirkungen. Wir nutzen das Wort weiterhin – bis heute. Eine Jugendgeneration nahm sich ein Wort und versah es mit einer neuen Bedeutung. So funktioniert Sprache eben. Ist alles im Fluss.

Daher mische ich mich nicht in die sprachliche Kreativität anderer ein. Letztendlich kommt es auf die intendierte Bedeutung an. Ob nun Muhammad Ali oder Lionel Messi: Wenn sie als „Goat“ bezeichnet werden, dann eben nicht abwertend als „Ziege“, sondern als „Greatest of all times“. Interessanterweise sind solche Codes nicht ausschließlich der Jugend vorbehalten. Innerhalb der sogenannten „Bubbles“ werden eigene sprachliche Finessen kultiviert. „Goats“ gibt es in erster Linie beim Sport. Ein „SuB“ gibt es bei Viellesern: Stapel ungelesener Bücher. Den es übrigens gilt abzubauen, indem man mehr und schneller liest und weniger neue Bücher kauft. „DruKos“ ist ein verkürzter Ausdruck für „Drunter-Kommentare“ bei Twitter. Und wer kennt es nicht, das „OOTD“: „Outfit of the day“ bei etwa Instagram.

Das kann alles verwirrend sein, wenn man nicht viel oder gar nichts damit zu tun hat. Ich mag es. Sprache wird bereichert und verändert; es spiegelt die Veränderung und Kultur der Gesellschaft wider. Manches bleibt, vieles vergeht. Neues kommt und so weiter. Die Zeit sich darüber aufzuregen sollte man sich sparen und sich die Wörter aneignen, die einem Freude bereiten. Mein neues Lieblingswort ist „Genagsel“. Die Sache selbst kann natürlich sehr unschön sein, wenn das Genagsel vom Rundköpfigen Apfelbaumbohrer stammt. Aber das Wort selbst ist niedlich und lässt sich doch wunderbar im Alltag integrieren. Lasst eurer Kreativität freien Lauf. Dazu muss man nicht jugendlich sein.

Euer Patrick


25.01.2023

Wer weiß, wie lange ich noch selbst diese Kolumnen schreiben muss. Mittlerweile und besonders in der Zukunft kann das eine KI (Künstliche Intelligenz) für mich erledigen. Beispiel gefällig? Ich habe ChatGPT gebeten einen Text über den zukünftigen Einfluss von KI auf Fehmarn zu schreiben. Hier das Ergebnis: „KI wird wahrscheinlich keinen direkten Einfluss auf das menschliche Leben auf Fehmarn haben. Allerdings werden KI-Technologien eingesetzt, um die Effizienz und Qualität vieler auf der Insel angebotener Produkte und Dienstleistungen zu verbessern. Zum Beispiel werden KI-basierte Systeme eingesetzt, um die Logistik des Tourismus auf der Insel zu vereinfachen sowie Prozesse in der Gastronomie- und Tourismusindustrie zu automatisieren und zu verbessern. KI wird auch eingesetzt, um die Genauigkeit von Wetter-, Wellen- und Gezeitenvorhersagen zu verbessern, um die Sicherheit von Seglern und anderen wasserbasierten Aktivitäten zu gewährleisten.“
Wenn man die KI fragt, warum Fehmarn lebenswert ist oder so eine tolle Insel ist, dann bekommt einen netten Text zu Stränden, Natur, Gastronomie und diesen Satz: „Darüber hinaus bietet die Insel ein angenehmes Klima, eine gute Infrastruktur und ein aufgeschlossenes und gastfreundliches Volk. All dies macht das Leben auf Fehmarn zu einem sehr angenehmen und lebenswerten Erlebnis.“
Das stimmt wohl. Oder etwa nicht? Auf die Frage, was denn schlecht auf Fehmarn sei, gab mir die Software diese Antwort: „Einige Nachteile des Lebens auf Fehmarn sind die begrenzte Anzahl an Einkaufsmöglichkeiten, die begrenzte Anzahl an Verkehrsverbindungen zu anderen deutschen Städten und die begrenzte Anzahl an Einrichtungen, die für die Unterhaltung und Freizeitgestaltung zur Verfügung stehen. Auch die steigenden Immobilienpreise können ein Problem sein.“
Das alles ist noch Spielerei und wirklich mehr gibt die KI zu Fehmarn nicht mehr her. Wenn ich nach der ganzen Fragerei aber noch wissen will, wer eigentlich ich bin, dann kommt diese Antwort: „Du bist ein einzigartiges Individuum, das seine eigenen Interessen, Fähigkeiten und Stärken hat. Es ist ganz allein dir überlassen, wie du diese auf Fehmarn auslebst!“ Das finde ich ganz hübsch. Zwar auch generisch, aber nett zu lesen. Und da man ja immer sich selbst korrigieren sollte und sich gern verbesser darf, habe ich gefragt, was eine gute Kolumne ausmacht: „Eine gute Kolumne ist eine, die gut recherchiert, informativ und unterhaltsam ist. Es muss eine starke Stimme haben und ein einzigartiges Thema behandeln, das die Leser interessiert. Es sollte eine klare Struktur haben, so dass die Leser wissen, worum es geht und wo es hingeht. Es sollte auch eine starke Schlussfolgerung haben, die die Leser dazu ermutigt, über das Thema nachzudenken.“
Das ist der Anspruch. Also habe diese Kolumne der KI zu lesen gegeben und dann sollte sie diese bewerten: „Diese Kolumne ist interessant und informativ und verfolgt ein klares Thema, das die Leser zum Nachdenken anregt. Es ist gut recherchiert und bietet einen guten Einblick in die zukünftige Nutzung von KI auf Fehmarn. Es enthält auch einzigartige Informationen, die sich auf die Insel beziehen. Der Text liefert eine starke Schlussfolgerung und motiviert die Leser, über das Thema nachzudenken. Insgesamt ist diese Kolumne sehr gut geschrieben.“ Gut, das mag mir wohl gefallen, aber Lobhudeleien sind immer Anlass zu Skepsis. Noch rede ich lieber mit Menschen, aber wer weiß wie lange noch.

Euer Patrick


11.01.2023

Wer kennt ihn nicht: Den erlaubnisgebenden Gedanken. Verwandt mit dem inneren Schweinehund, aber geschickter und vielfältiger. Mit dem erlaubnisgebenden Gedanken geben wir uns selbst eine Erlaubnis, Dinge zu tun oder sein zu lassen, die wir eigentlich gegenteilig haben wollten oder tun sollten. Beispiele dafür gibt es viele. Nehmen wir mal an, man möchte auf Süßigkeiten verzichten. Um diese dann mit guten Gewissen essen zu können, braucht es den erlaubnisgebenden Gedanken. Dieser könnte lauten: „Ich habe jetzt schon zwei Wochen nichts Süßes mehr gegessen und jetzt kann ich mich mit diesem einen Schokoriegel belohnen und außerdem merke ich gerade, dass ich etwas Zucker brauche um mich besser zu konzentrieren.“ Das waren sogar schon zwei erlaubnisgebende Gedanken.
Wir können uns so selbst das Gewissen rein reden oder rein denken. Das kann Vorteile und auch Nachteile haben. Der Vorteil ist, man muss sich nicht immer vor sich selbst rechtfertigen. Der Nachteil ist, man kann für jede Form der selbst auferlegten Regeln oder Disziplin Ausreden finden und sich Erlaubnis geben. Wie bei so vielen Dingen braucht es hier ein gutes Mittelmaß oder eine gute Auswahl, wann ich mir einen erlaubnisgebenden Gedanken gönne oder wann ich ihn am besten davon ziehen lasse.
Wir hadern ständig mit uns und das ist schon anstrengend genug; mit sich und seinen eigenen Facetten klar zu kommen. Mache ich es richtig oder falsch? Wie nervig und unnütz ist es dann noch, wenn erlaubnisgebende Gedanken von außen in Frage gestellt werden. Also der Anspruch von anderen Menschen. Stark betroffen sind Menschen in der Öffentlichkeit. Seien es Politiker, Sportler oder Prominente jeder Art. Die Öffentlichkeit beansprucht sagen zu dürfen, wer welche Leistung hervorbringen soll. Wie jemand zu trainieren, ja, sich zu verhalten hat. Und wenn diese Person dann nicht die Leistung bringt, sprich verliert, dann kann es mit dem Ansehen schnell weniger werden. PolitikerInnen sollen moralisch handeln. Das Problem: Was als moralisch gilt, ist von den Menschen zu definieren und kann unterschiedlich sein. Wenn sie etwas verändern oder fordern, dann scheint das nur legitim zu sein, wenn sie alles können, wissen und machen. Das ist ganz schön unfair, während wir uns ständig mit erlaubnisgebenden Gedanken Freifahrtscheine ausstellen und guten Gewissens doppelmoralisch durchs Leben gehen.
Geben wir doch auch unseren Mitmenschen Erlaubnis. Geben wir den Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit die Erlaubnis Fehler zu machen, auch unwissend sein zu dürfen. Geben wir ihnen die Erlaubnis, das zu tun, was sie für richtig halten. Den erlaubnisgebenden Gedanken der anderen Menschen anzuerkennen und den Maßstab nicht höher zu halten als bei sich selbst.

Euer Patrick


14.12.2022

Unter „kreatives Schreiben“ wird so einiges verstanden. Häufig sind damit unterschiedliche Techniken gemeint, die beim Ideenfinden oder Strukturieren von Texten helfen. Es geht manchmal um das Spielen mit der Sprache, die Selbstreflexion oder um den schlichten Pragmatismus. Beim Schreibprozess stellt sich dann auch die Frage, ob es um den Text an sich geht oder doch eher um den Schreibenden. Anders: Schreibe ich für mich oder für andere? Für beide oder für niemanden? Einmal darüber nachgedacht ist die Kreativität dahin. Eine Schreibmethode kann zielgerichtetes Schreiben begünstigen; der Weg dahin kann durchaus mit Kreativität gefüllt werden, aber die Zielsetzung engt dann doch ein. Das ist okay, denn viele (wohl die meisten) Texte verfolgen letztendlich ein Ziel. Die Freiheit einer Malerin, die vor einer weißen Leinwand steht und sich so wirklich kreativ ausleben kann, ist beim Schreiben eher nur in der Lyrik zu finden.
Gedichte zu schreiben ist ein großer Spaß, denn alles ist erlaubt. Es ist nicht nötig sich an das Versmaß zu halten. Reimen ist kein Muss und Grammatik kein Thema. Alles dies darf, aber es ist keine Notwendigkeit. Allein das Image der Lyrik stellt ein Problem dar. Oder wann hast Du Dich zuletzt auf das Sofa mit einem Lyrikband einen schönen Abend gemacht? Auch Lesungen mit ausschließlich Gedichten können eine durchaus trockene Veranstaltung sein. Als Student war ich in einem Literaturkreis aktiv. Privat haben wir uns unsere Texte vorgetragen und darüber diskutiert. Eben auch Gedichte und es war sehr erhellend. Wir lasen das Gedicht mehrmals und reichten diese auch herum. Dazu Tee. War schon nett. Dann haben wir öffentliche Lesungen gemacht und die Stimmung von kreativer Tiefe überzuckert von der Duldsamkeit der Teerunde wich einem „Hier bin ich. Unterhaltet mich!“ Ich habe bei solchen Auftritten auf den Vortrag von Gedichten verzichtet und die kurzweiligen Kurzgeschichten ausgepackt, in denen provozierte Lacher eingearbeitet waren. Das Ziel der Geschichten war, die Leute zu unterhalten und lustig zu sein. Eingeschnürte Kreativität auch hier. Man mag sich als noch so kreativ halten, am Ende verfolgt man immer ein Ziel. Selbst beim sogenannten „freien Schreiben“. Dabei schreibt man einfach los. Nicht durchdenken, sondern den den Gedanken sofort niederschreiben und dann wieder und wieder – bis ein Schreibfluss entsteht. Der Prozess ist spannend und das literarische Ergebnis ebenso. Es erscheint ziellos, aber das Ziel ist dann doch die Lust an der Selbsterkenntnis.
Wer kreativ sein möchte, sollte sich nicht um die Regeln der Kunst scheren. Ärgerlich ist es, wenn die Absicht zu erkennen ist, da zu offensichtlich. Verwirrend ist es, wenn die Gedankensprünge zu häufig und schlecht nachzuvollziehen sind. Nervig ist es, wenn sich einem der Sinn des Gelesenen nicht erschließt und jeder Satz ein zweites Mal gelesen werden muss. Wenn gar nichts mehr hilft kommt einer um die Ecke und ruft: „Metaebene!“ Und dann schauen sich alle verdutzt an, reichen das Gedicht weiter, trinken Tee und meinen etwas verstanden zu haben, was nicht zu verstehen ist, denn das war nicht die Zielsetzung.

Euer Patrick


30.11.2022

Boketto. Komorebi. Tsundoku. Das sind drei japanische Wörter, deren Bedeutungen sich nicht einfach durch ein Wort übersetzen lassen. Dazu braucht es schon mindestens einen Satz, also eine Erklärung. Es sind unübersetzbare Wörter. Die gibt es in jeder Sprache. „Boketto“ – Ziellos in die Ferne schauen, ohne an etwas Bestimmtes zu denken. „Komorebi“ – Das Sonnenlicht, das durch die Blätter von Bäumen schimmert. „Tsundoku“ – Ein Buch ungelesen lassen, nachdem man es gekauft hat, und es zu den anderen ungelesenen Büchern legen. Man könnte schon neidisch werden, dass es in der eigenen Sprache diese Wörter nicht gibt. Aber keine Panik, denn wir haben auch solche tollen Wörter. Nur eben nicht für dieses besondere Sonnenlicht oder für das ungelesene Buch, welches wir alle nur zu gut kennen.
Es gibt ein Büchlein, dass viele von solchen Wörtern aufführt und kleine Erklärungen dazu gibt. Es war lange bei mir ein Tsundoku, aber nun habe es ich es gelesen und diese wundervollen Wörter entdeckt. Die Beispiele für deutsche unübersetzbare Wörter darin waren mir bis auf eines bekannt. Ich kannte „Kummerspeck“, „Warmduscher“, „Kabelsalat“ und die „Waldeinsamkeit“. Nur das Wort „Drachenfutter“ kannte ich noch nicht. Es ist auch nicht besonders schön und bezeichnet eher einen, sagen wir mal, fraglichen Aspekt einer Beziehung zwischen zwei Menschen. Im Buch steht als Erklärung: „Drachenfutter“ – Das Geschenk eines Ehemannes an seine Frau, wenn er etwas wiedergutmachen will. Das geht andersherum bestimmt auch, ist aber weniger Klischee. Das eigentlich Unschöne ist der Aspekt, dass Vergebung erkauft werden soll. Das gefällt mir nicht. Mit Drachenfutter ist man auf langer Sicht schlecht beraten. Da ist die Waldeinsamkeit schon viel besser. Nun erlebe ich diese hier auf Fehmarn anders und muss das Wort norddeutsch anpassen: Strandeinsamkeit. Und die ist nur, wenn überhaupt, in den Wintermonaten zu erreichen. Dann aber sehr schön.
In solchen Momenten darf man auch über die großen Themen sinnieren und da sind wir wieder bei einem japanischen unübersetzbaren Begriff: „Wabi-Sabi“ – Die Entdeckung der Schönheit in der Unvollkommenheit, die Akzeptanz des Kreislaufs von Leben und Tod. Das ist keine Kleinigkeit und lässt einen tiefer einatmen als bei etwa „Kabelsalat“. Es gibt eben Wörter, in denen mehr steckt als eine einfache Bedeutung, und sie regen zum Nachdenken an. Andere wiederum sind in ihrer Prägnanz und Bildlichkeit praktisch. Gerade jetzt im Advent haben wieder viele mit Kabelsalat zu kämpfen, wenn die Lichterketten im letzten Jahr schlampig in die Dachbodenkiste geballert wurden. In dieser Situation des Entwirrens möchte man seinem Drachen nicht noch groß erklären, dass man ein Gewirr völlig verknoteter Kabel vor sich hat, sondern einfach nur einen Kabelsalat. Da ist dann nicht viel mit Boketto oder Komorebi, denn beim Kabelsalat stellt sich auch immer die Schuldfrage. In einer Beziehung gibt es da auch nur eine Antwort: Der andere.

Euer Patrick


16.11.2022

Ruhe bewahren! Nicht aufbrausen und das eigene schlechte Gefühl den anderen in die Schuhe schieben. Also tief durchatmen, die Muskeln entspannen, lächeln und abwarten. Der Ärger verfliegt, auch wenn es in dem Moment der Wut unmöglich erscheint. Natürlich gibt es Lebenssituationen, bei denen die Wut gut und wichtig für Aktionismus ist, etwa bei Ungerechtigkeit. Da stimmt dann die alte Boxerweisheit, dass es sich mit Wut im Bauch besser kämpft. Aber meistens ist ungebändigte Wut wie ein Feuer, dass sich vergrößert, und dann wird es immer schwieriger dieses zu löschen. Also bändigen. „Bändigen“ bedeutet „zähmen“ oder „gehorsam machen“. Die Wut in uns können wie nur selbst zähmen und somit kontrollieren. In der Theorie erscheint das praktisch und einfach, aber die Realität lehrt uns, dass dies unheimlich schwer sein kann.
Wir alle werden hin und wieder wütend. Auslöser kann ein dummer Spruch sein oder ein nachrichtlicher Blick in das Weltgeschehen. Einige werden wütend, wenn es im Straßenverkehr nicht so richtig läuft. Überhaupt wenn Geduld gefragt ist. Eigentlich paradox, wenn gerade in diesen Momenten der Zwangspause die Ungeduld in Ärger und Wut übergeht, man aber genau dann durchatmen und die Ruhe zulassen könnte. Machen wir aber nicht, denn meist haben wir die Zeit im Nacken – meinen wir jedenfalls. Irgendwie lassen wir zu, dass der Druck im Kessel steigt. Kommen wir dann in eine Situation, für die ein Ventil nicht ausreicht: Bamm! Da wird dann der Stinkefinger gezeigt, der Kopf geschüttelt, die Stimme lauter, die Brust breiter, der Blick finster und man wird das Gefühl nicht los, dass da jemand ganz unzufrieden mit sich und der Welt ist. Aber stimmt das überhaupt? Das vermag ich nicht zu beantworten. Interessant sind dann aber ein paar Studienergebnisse, die gezeigt haben, dass schimpfende Menschen weniger schmerzempfindlich sind (Es hat schon seinen Grund, warum wir laut fluchen, wenn wir uns den Zeh am Tischbein stoßen.) und sogar als attraktiver wahrgenommen werden. (Ich weiß, ist schwer zu glauben.) Generell ist es eben gesünder seinen Frist, seine Emotionen, zu äußern, als herunterzuschlucken. Die Wut im Bauch muss raus. Dem Ärger Luft machen, kann also gut tun. Also sich selbst. Ob nun im Straßenverkehr oder an der Supermarktkasse.
Was nun? Den Ärger wegatmen und mit Muskelentspannung mönchisch durchs Leben gehen oder lieber raus damit und die reinigende Kraft des Schimpfens und des Aufbrausens ihr Werk machen lassen? Im Grunde haben wir die Wahl und ich muss sagen, dass mir bei der ersten Variante gefällt, dass ich mich nicht vor möglichen Faustschlägen in Deckung begeben muss. Daher lieber: Ruhe bewahren.

Euer Patrick


02.11.2022

Manchmal muss es eben Tee sein. Krankheitsbedingt habe ich nun über eine Woche (neben Wasser) ausschließlich Tee getrunken. Nicht unbedingt weil Tee der Gesundung dient, sondern weil ich bei Unwohlsein einfach keinen Appetit auf Kaffee haben. Es ist ein untrügliches Zeichen, dass etwas im Argen ist. Ist die Kaffeelust wieder da, dann ist auch alles überstanden. Ich habe mir also kannenweise schwarzen Tee reingeschraubt. Gern auch mit Honig – na klar. Unbestritten ist meiner Meinung nach die Gemütlichkeit, die ein Heißgetränk mitsichbringt. Je heißer desto langsamer muss man es trinken, umso stärker daher die Entschleunigung. Entschleunigung ist die Rückkehr zur Langsamkeit. Keine Hast. Keine Hektik. Zeit als kostbarstes Gut. Der Aussage, dass man keine Zeit habe, steht die Erkenntnis, dass man sich keine Zeit nehme, gegenüber. Raucher sind da im Vorteil, denn die nehmen sich ihre Zigarettenpause. Der Preis ist aber definitiv zu hoch. Die Kaffeepause ist in der Regel auch eher ein Wirkungstrinken mit Hast. Nein, der Tee hat da eine andere Charakteristik. Der muss ziehen. Ihm haftet traditionell ein Zeremoniell an. Tee tut gut.

Allgemein bekannt und oft gebraucht ist die Redewendung: „Abwarten und Tee trinken.“ Wie so oft bei tradierten Sprüchen ist unklar von wem es stammt. In diesem Fall geht er womöglich auf Philipp Heinrich Ast („Schäfer Ast“) zurück. Der Schäfer und Kräuterheilkundiger beschreibt damit die heilenden Wirkung, die ein Tee haben kann, im Zusammenspiel mit Geduld. Klingt jedenfalls plausibel. Aber hat der Tee denn auch einen Nutzen, wenn er nicht zur Genesung dient? Auf jeden Fall und jetzt wird es interessant: „Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen.“ Ein chinesisches Sprichwort und das Besondere daran ist, dass dieser Ausspruch beinahe 500 Jahre alt ist. Man möchte meinen zu der Zeit gab es doch keinen Lärm, den man zu vergessen nötig gehabt hätte. Der Lärm der Welt ist nicht der Krach auf den Straßen, sondern eher die zu Beginn erwähnte Hektik und Hast in unserem Leben. Ob nun heute, vor 500 oder 1000 Jahren. Alltag gab es schon immer. Dinge müssen erledigt, Katastrophen gemeistert, Probleme gelöst und der Anstand muss gewahrt werden. Hier kann der Tee ein Rückzug sein. Ein kurzes Innehalten und Abstandnehmen. Ungestört – das ist wichtig. Auch hier gibt es eine chinesische Weisheit: „Ein Mord mag verziehen werden, eine Unhöflichkeit beim Tee nie.“

Auch wenn man über diesen Satz recht lange nachdenken kann, ist er ja geradezu schwarzhumorig, gibt es auch aktuelle Meinungen zum Teegenuss, die nicht minder den Tee exponieren. So gab der Sänger Boy George in einem Interview die Antwort: „Sex? Eine Tasse Tee ist mir lieber.“ Na dann, Prost!

Euer Patrick


19.10.2022

Nun gibt es also ein neues Lied der Band Queen mit der Stimme von Freddie Mercury. Moderne Technologie machte es möglich, dass aus einer alten und schon vergessenen Aufnahme ein frischer und bereits erfolgreicher Song wurde. Zu der Stimme von Mercury spielten die übrigen Bandmitglieder die Musik neu ein und beim Hören könnte man sich der Illusion hingeben, dass der Sänger wieder lebt. Das ist natürlich Quatsch, aber falls man Fan ist und eine gewisse Sentimentalität beim Hören beigemischt ist, dann mögen solche Irrationalitäten aufkommen. Nun handelt es sich hier ja nur um eine (zugegeben aufwändige) Restauration einer Aufnahme; besonders verwirrend wird es jedoch, wenn die Stimme samt Inhalt generiert wird. Gerade geschehen mit Steve Jobs: eine künstliche Intelligenz hat ein ganzes Interview mit dem 2011 verstorbenen Geschäftsführer von Apple samt Interviewer erzeugt. Da hat kein Mensch herumgeschnippelt oder eingegriffen. Faszinierend und beängstigend. Letzteres, da das Gespräch nicht echt ist, aber so wirkt, und in Zukunft kann es ja noch perfektioniert werden. Die Illusion ist dann eben perfekt.
Hinzu kommen dann die ohnehin schon kursierenden Fälschungen im Netz. Und da haben Menschen aktiv verändert, geschnitten, entkontextualisiert – also gefälscht. Darauf fallen schon viele Menschen rein. Wenn jetzt und bald KIs Stimmen, Gesichter und Geschichten erfinden, wird es schwer zu unterscheiden sein, was echt und was gefälscht ist. Wenn die Kategorien (wahr und falsch) überhaupt noch stimmen oder relevant sind. Bei alledem darf aber eine Sache nicht übersehen werden: Bildschirme und Lautsprecher sind die Transporteure. Der Äther ihr Medium. Also raus aus den Stuben und weg vom Blaulicht, hin zur Geselligkeit, zum Händeschütteln und zum Gespräch mit echten Menschen. Zwar können die einen auch veräppelt, aber zumindest sind sie nicht künstlich.
Wenn es mit Freunden einen geselligen Abend im Kino geben soll, dann bitte Obacht. Bruce Willis hat gerade sein Gesicht, also die Rechte an seinem Gesicht, an eine Firma verkauft. Die kann und darf sein Gesicht digital auf die Leinwand bringen. Stirb langsam oder eben gar nicht. Das bringt meine Gedanken zurück zu Freddie. Ich mochte die Musik von Queen schon immer und das neue Lied erfreut mich sehr. Es ist seine echte Stimme und das berührt mich. Ich hoffe aber sehr, dass niemals seine Stimme künstlich errechnet wird und somit Gesang entsteht, der wie Freddie klingt, aber dem die Menschlichkeit (oder Geist oder Seele – wie man es auch nennen mag) fehlt. Manchmal ist die Show zuende, der Vorhang gefallen und alle gehen nach Hause. Ende.

Euer Patrick


05.10.2022

„Schlaf gut!“ Netter Wunsch oder fieser Befehl? Als Befehl gedacht ist es besonders amüsant am nächsten Morgen die betreffende Person mit der Frage „Hast du gut geschlafen?“ zu konfrontieren. Denn ein Schlechtschlafen wäre ja eine Enttäuschung. Ob nun lieb oder böse gemeint, hängt nicht von der Wortwahl ab, sondern vielmehr von der Interpretation. Zwischen Sender und Empfänger liegen Welten. Aber ich möchte gar nicht über Kommunikation schreiben, sondern über den Schlaf. Für eine kleine Kolumne ein viel zu großes Thema. Von Eulen über Lerchen, von Abendritual bis Morgenritual, Schlafhygiene, Schlafforschung, Einschlafprobleme, Durchschlafprobleme, Aufwachprobleme, Mittagsschlaf, Sekundenschlaf und die beliebte Frage nach der Länge des Schlafes, das sind schon viele Themen und Aspekte. Und das berühmte Verschlafen eines Drittels des Lebens reißt auch keinem mehr vom Hocker – nützt ja nichts. Schlaf muss sein. Ob nun abends oder spät abends, irgendwann sehnt sich jeder Mensch nach seinem Bett. (Wobei das Einschlafen auf dem Sofa auch sehr reizvoll sein kann.) Dass der Tod gern als Bruder des Schlafes bezeichnet wird, liegt in der Tatsache begründet, dass man ja sein Bewusstsein beim Schlafen verliert. Dazu passt auch die mögliche Herkunft bzw. die Verwandtschaft zum Wort „schlaff“. Hübsch sind auch Abbildungen des Totengottes Thanatos mit seinem Bruder Hypnos, der Gott des Schlafes. Die Nähe der beiden Zustände war den Menschen schon immer bewusst.

Es ist daher nur verständlich, wenn Menschen sich einen Tod wie einen Schlaf wünschen und noch lieber ein Sterben wie ein Einschlafen. Unseren Haustieren gönnen wir bei Qual gern ein Einschläfern. Uns Menschen machen es die Menschen selbst zur Erschwernis beim Sterbenwollen. Ein Einschlafen in die Ewigkeit ist möglich, aber nicht von allen gewollt. Besonders von denen, die gern bestimmen, die Selbstbestimmung ungern sehen und Angst vor der eigenen Imagination haben. Anhänger und Vertreter von Religionen finden sich oft unter ihnen. Da wird die Fantasie schon mal wichtiger genommen als das Leid und die Bedürfnisse von anderen Menschen. „Die Hölle, das sind die anderen.“ (Jean-Paul Sartre) Ja genau, erst im Gegenüber werden wir unser Fehler bewusst und somit wird erst unsere Existenz mit Inhalt gefüllt. Ob es einem gefällt oder nicht: Die Meinung der anderen ist notwendig, um zu begreifen wer man ist oder wer man sein will.

Das kann alles ganz schon anstrengend sein. Es macht müde. Tagtäglich und irgendwann auch am Lebensende. Irgendwann wünschen wir uns alle ein liebevolles „Schlaf gut!“ ohne Aufwachen und ohne „Hast du gut geschlafen?“ Denn wenn es soweit ist, dann brauchen wir nicht mehr die „anderen“. Dann gibt es keine Hölle, sondern – frei nach Ulrich Wickert – nur noch eine geruhsame Nacht.

Euer Patrick


21.09.2022

Schon Lebkuchen gegessen? Ich schon. Na klar. Steht im Laden. Wird gekauft, gegessen und schmeckt wunderbar. Aber ich muss schon zugeben, dass ich beim Ergreifen der Packung kurz zuckte. Ja, eine kleine Unsicherheit spürte: „Wirklich? Jetzt schon?“ Aber wie sagt man heute auch gern: „Why not?“ Das ist genau die Frage. Warum eigentlich nicht? Die Hemmung etwas nicht zu tun, obwohl es gar kein Problem darstellen würde, erscheint wenig nachvollziehbar. Es gibt ja kein Gesetz, dass den Verkauf von Lebkuchen im September verbietet – also kein richtiges Gesetz. Denn es gibt das „Grünwaldsches Lebkuchengesetz“, das besagt, dass Lebkuchen nicht vor dem 9. November verkauft werden dürfe. Im Original: „Das Inverkehrbringen und Verzehren von Lebkuchen und ähnlich gelagerter weihnachtlicher Backwaren vor dem 9. November des jeweilig aktuellen Jahres wird mit Gefängnis nicht unter 4 Jahren bestraft. Wahlweise gibt es 12 Bockfotzn.“

Erdacht hat das Gesetz der bayerische Kabarettist Günter Grünwald. Das Ende der sog. Lebkuchenzeit datiert er auf den 9. Januar. Das ist natürlich ein Spaß, hat aber auch einen Hintergrund. Denn irgendwie scheint es für einige (oder sind es viele?) Menschen nicht in Ordnung zu sein, wenn es jetzt im Herbst schon losgeht mit dem Weihnachtsgebäck. Das Problem lässt sich sprachlich aber schnell lösen, wenn man das Gebäck nicht als Weihnachtsgebäck bezeichnet, sondern als Wintergebäck oder besser noch als Herbstgebäck. Und schon kann ich ohne Zuckung und dem leichten Anflug eines schlechten Gewissens die Packung in den Einkaufswagen legen.

Durch Umbenennen von Dingen oder Gefühlen, lässt sich generell viel aus der Welt schaffen. Ich bin nicht gestresst, sondern beschäftigt. Auch bin ich manchmal nicht dumm, sondern befinde mich auf einer Entdeckungsreise und bin im Lernen begriffen. Und natürlich bin ich nicht faul, sondern speichere Energie. Sollte ich mal ungeduldig sein, dann nutze ich doch lieber die Formulierung, dass ich voller Vorfreude bin. Manchmal ist es eben nur eine Frage des Vokabulars und der Bereitschaft es zu nutzen. Hinzu kommt noch der Aspekt der Perspektive und da bin ich gern mal naiv. Denn wenn ich den Lebkuchen im Supermarkt erblicke, kann ich mir auch Folgendes sagen: „Toll, dass der Markt mir jetzt schon die Möglichkeit gibt, Lebkuchen zu kaufen. Das ist eine schöne Geste und es freut mich, jetzt schon in den Genuss der Köstlichkeit zu kommen. (Wer weiß, wie lange ich noch lebe.)“ Etwas hochtrabend, aber es erfüllt seinen Zweck. Nämlich Lebkuchen essen zu können, dürfen, wollen und es auch zu tun.

Euer Patrick


07.09.2022

Retro hängt mit Konsum zusammen. Die Rückwärtsrolle der Generationen der 70er und 80er gründet in der Tatsache, dass die Wirtschaft die Kinder dieser Jahre als kaufkräftige Zielgruppe erkannt hatte. Mit anderen Worten: Weil ich bereits als Kind mein gesamtes Taschengeld für eine He-Man-Figur ausgegeben habe, bin ich anscheinend auch 30 Jahre später bereit wieder Geld dafür auszugeben. Mache ich jetzt nicht, denn ich besitze ja noch meine alten Figuren, aber der Markt scheint da zu sein, denn es ist alles wieder erhältlich. Das nur als Beispiel. Viele Dinge, die die heute 40 bis 50-Jährigen als Kind konsumierten reiten auf der sogenannten Retrowelle. Na klar, warum nicht ein zweites Mal mit den gleichen Sachen Geld verdienen? Das ist schon verständlich. Die mittlerweile erwachsenen Kinder machen das gern mit und geben dazu noch mehr Geld aus als damals.

Früher war alles besser. Nein, war es garantiert nicht. Man kann es sich aber vormachen. Gerade wenn es eine Leere gibt, ein Leben ohne Bezugsräume, ein Treiben im Egal, dann erscheint die Reise zurück als lohnenswert. Bereits 1978 schrieb Jean Baudrillard: „In dieser Leere fließen die Phantasmen einer versunkenen Geschichte zusammen, in ihr sammelt sich das Arsenal der Ereignisse, Ideologien und Retro-Moden – nicht so sehr deshalb, weil die Leute daran glauben oder darauf noch irgendeine Hoffnung gründen, sondern einfach, um die Zeit wiederaufleben zu lassen, in der es wenigstens Geschichte gab, […].“

Retro ist nicht politisch; es ist keine Revolution. Es ist der Schatten einer Abenteuergeschichte, die es nie in der wirklichen Welt gab. Ein aufgewärmtes Essen, das auch schon zuvor wenig Geschmack hatte. Aber alle anderen haben es ja auch gegessen. Es muss schmecken – ansonsten verliere ich meine Jugend. Keine Sorge, denn die Jugend ist bereits verloren. Keine Chance auf Wiederkehr. Da hilft kein He-Man, Lego, Zauberwürfel, TriTop, Grünofant oder Slime. Da kannst auch versuchen den alten Atari anzuschließen, es kommt die Enttäuschung, die Melancholie. Vielleicht auch ein flüchtiges Lächeln und dann die Gewissheit, dass es vorbei ist. So weit und negativ muss es aber gar nicht kommen. Wenn Retro wirklich mit dem Konsum zusammenhängt, dann macht es glücklich. Zwar nur sehr sehr kurz; also wirklich nur für den kleinen Moment des Erwerbs, aber zumindest ein wenig Glückseligkeit aus der Kindheit. Übrigens gab es letzte Woche eine einmalige Yps-Ausgabe. Keine Empfehlung.

Euer Patrick


24.08.2022

Es ist die Zeit der Drohnenschlacht. Je Gemütsverfassung oder auch Wissensstand kann man bei dem Begriff an Krieg oder an Bienen denken. Es geht, na klar, um die Honigbiene. Aber nicht nur, denn die Drohnenschlacht ist auch ein Sinnbild; glücklicherweise kein Vorbild – dazu gleich mehr. Fangen wir von vorne an. Drohnen: mittlerweile kennen wir sie alle, die unbemannten Flugobjekte aus dem Militär oder auch im persönlichen Freizeitbereich, um beeindruckende Bilder und Videos von weit oben zu machen. Den Namen haben diese technischen Geräte in der Tat von den männlichen Bienen: die Drohnen. Imker sprechen gern von dem Drohn, wobei die Drohne auch erlaubt ist.

Die männliche Honigbiene ist wichtig, da sie die Königin begattet, somit die Nachkommenschaft sichert und die Gene ihren Weg gehen – Biologie, Evolution, das ganze Programm halt. Nun leben die Drohnen mit in dem Bienenvolk, welches hauptsächlich aus weiblichen Bienen besteht. (Wir reden hier von ein paar hundert Drohnen, die bis zu 50000 Arbeiterinnen gegenüberstehen.) Also ihre Aufgabe ist die Begattung der Königin und dann noch … tja, das war es schon. Die Drohnen können keinen Nektar sammeln, sie haben nicht mal einen Stachel und beim Essen sind sie auf die weiblichen Bienen angewiesen, die ihnen das Futter direkt ins Maul übergeben. Daher wird es im Spätsommer eng für die Drohnen, denn dann wird nicht mehr begattet und das Volk stellt sich auf den Winter ein, bei dem jeder Tropfen Honig als Wintervorrat zählt. Da kann man keinen Schmarotzer mehr gebrauchen. Wir sind bei der Drohnenschlacht und es ist in der Tat so hart wie es klingt. Die Drohnen werden aus dem Stock gezerrt und ihrem Schicksal überlassen (verhungern) oder auch direkt abgestochen. Nett ist anders. Es ist ein nachvollziehbarer Mechanismus, denn das Überleben aller steht auf dem Spiel.

Nun ist der Weg zum Kalauer natürlich nicht weit. Das Klischee des triebgesteuerten Männchens, das weder für Essen sorgt, noch putzt oder sich um die Nachkommenschaft kümmert, möchte so gern bedient werden. Es ist vielmehr ein Stereotyp und darf gern für den Humor herhalten. Ja, die Männchen machen nichts im Haushalt, haha, im Herbst werden sie rausgeschmissen und müssen sterben, haha. Bei alledem sollten zwei Dinge beachtet werden: Zum einen sind Drohnen körperlich gar nicht in der Lage all diese Dinge zu tun, die die Weibchen leisten. Zum anderen haben die Opfer der Drohnenschlacht nie eine Königin begattet, denn bei der Begattung werden ihre Geschlechtsteile herausgerissen und sie sterben. Keine Pointe. Wie auch immer man Männlichkeit oder Weiblichkeit definieren möchte, am Ende stirbt jemand oder wird herausgeworfen. Wann, was und wie liegt an dem, was man kann und sollte. Haha. Kein Witz.

Euer Patrick


27.07.2022

Es ist immer gut, wenn Dinge einen Namen haben. Noch besser ist es allerdings, wenn Dinge mehrere Namen haben. Das gilt auch für Menschen. Oft gibt es da Spitznamen, Kurzformen vom Vornamen oder Mischformen davon. Bei den Dingen sind die Bezeichnungen regional und/oder familiär unterschiedlich. Die einen sagen Pümpel, die anderen lieber Pömpel oder Pimpel und meinen die Saugglocke beziehungsweise den Ausgussreiniger oder Gummisauger oder Abflussstampfer. Nicht mit dem Pylon verwechseln – das ist ein Verkehrsleitkegel.

Gerade Dinge, die es fast überall gibt, können viele Namen haben. Und da sind wir auch schon beim Gänseblümchen. Weiße Federn, gelber Schnabel: das Gänseblümchen. Oder eben auch Maßliebchen, Tausendschön oder Monatsröserl. Wenn man dann noch weiter schaut, kommen viel mehr und sehr schöne Namen zu Tage: Augenblümchen, Himmelsblume, Maiblume, Marienblümchen, Mondscheinblume, Morgenblume, Osterblume, Regenblume, Sommerröschen, Sonnenblümchen oder Markblomen. Das ist nur eine Auswahl. Kein Wunder, denn die Pflanze sieht nicht nur schön aus und ist weit verbreitet. Sie dient auch als Futterpflanze für Tier und Mensch; findet Verwendung als Heilpflanze und für die Abergläubigen hat sie auch einiges zu bieten: Als einer der ersten Frühlingsboten heißt es von ihr, dass wenn man die ersten drei Gänseblümchen im Frühjahr isst, bekommt man für das restliche Jahr weder Zahnschmerzen, noch Augenbeschwerden oder Fieber. Da kann der Pömpel aber getrost einpacken.

Schöne Wörter für schöne Dinge und hässliche Wörter für hässliche Dinge? Das wäre zu einfach. Womöglich gibt es gar keine unschönen Wörter, sondern nur eben unschöne Dinge und deren Bezeichnungen werden dann als hässlich wahrgenommen, da es zu Assoziationen kommt. Kaum jemand würde das Wort „Eiter“ als schön bezeichnen, dabei ist es nicht weg von „Reiter“ oder „heiter“. Richtig gemein wird es, wenn Menschen andere Menschen vorverurteilen, wenn sie nur den Namen erfahren, da sie sie ja schon einmal einen blöden Thomas oder Peter oder oder oder kennengelernt haben. Ähnlich bei der Namensfindung für den Nachwuchs: „Wir können unser Kind nicht Sabine nennen. Ich kannte mal eine. Die war ganz schrecklich.“ Einerseits nachvollziehbar. Andererseits ganz schön gemein zu all den Sabines auf der Welt.

Dem Gänseblümchen ist das alles egal. Schön anzusehen. Viele schöne Namen und am Ende doch nur Futter für andere oder ihr werden nacheinander brutal die Blütenblätter herausgerissen, nur um herauszufinden, ob man geliebt wird. Tja, am Ende geht es um das eigene Glück und einen guten Namen zu haben. Darauf ein Glas Gänsewein oder noch besser: Rohrperle.

Euer Patrick


13.07.2022

Wie alles andere hat auch der Diderot-Effekt zwei Seiten. Was der Diderot-Effekt ist? Ihr kennt es bestimmt: Man kauft sich z.b. einen besonderen Sessel und bemerkt dann, dass die Kommode nicht mehr zum Sessel passt bzw. die Kommode wird als unschön oder gar schäbig empfunden Auch das Sofa passt farblich nicht mehr und auch die Wandfarbe ist nicht mehr richtig und auch die Lampe müsste auch ausgetauscht werden. Es kommt zu einer Konsum-Kettenreaktion. Dies nennt man den Diderot-Effekt. Denis Diderot bekam einen neuen scharlachroten Hausrock geschenkt und das Unheil nahm seinen Lauf. Nichts passte mehr zusammen. „Mein alter Hausrock und der ganze Plunder, mit dem ich mich eingerichtet hatte – wie gut passte eins zum andern!“ Um den neuen Hausrock musste die Einrichtung entsprechend verändert und aufgewertet werden. Das machte ihn unzufrieden. Verständlich und ein Wort wie „Konsum-Kettenreaktion“ ist alles andere als schön – jedenfalls für den Konsumenten. Denn Geld auszugeben für Dinge, die man eigentlich schon hat nur eben anders, kann unsinnig sein.

Andererseits kann ich der sogenannten Diderot-Einheit auch etwas Positives abgewinnen. In der Anthropologie heißt es, dass der Mensch stets nach Übereinstimmung mit sich selbst strebt; also wählt er die Dinge des Lebens so aus, dass sie ein sinnvolles Ganzes ergeben. Besagter Sessel oder der schöne Mantel können initial sein, die alltägliche Umgebung so umzugestalten, dass es sich angenehmer und netter lebt. Vorausgesetzt man trauert seinem alten Hausrock nicht hinterher. Einen ähnlichen Effekt hatten wir, als wir etwas aus dem Wohnzimmer verbannten. Der Fernseher musste in den Keller. Die Wohnzimmereinrichtung war nun auf eine leere Wand ausgerichtet. Das war schon kurios und bei weiterer Betrachtung traurig. Wir konnten umgestalten – alles neu ausrichten. Das war schön.

Unschön am Diderot-Effekt bleibt die Tatsache, dass die vorher als angenehm und harmonisch wahrgenommene Umgebung durch einen einzelnen neuen Gegenstand abgewertet wird und einem auf einmal als unpassend und schäbig vorkommt. Klar, einfach nicht unüberlegt kaufen. (Das ist immer ein guter Rat.) Aber Diderots Hausrock war ein Geschenk. Geschenke können also schon ziemlich giftig sein. Also nicht einschüchtern lassen. Ein großzügiges Geschenk ist in erster Linie als Großzügigkeit zu betrachten. Dass es ein Geschenk ist – Schwamm drüber. Die Geste erfreut. Ich entscheide über die Einrichtung und wenn ich eine Vase geschenkt bekomme, dann bin ich nicht verpflichtet diese auf den Tisch zu stellen, wenn sie eben nicht zur Übereinstimmung mit mir selbst führt. Ein Geschenkt verpflichtet nicht. Ohnehin sollte man keine Einrichtungsgegenstände verschenken, da es als übergriffig wahrgenommen werden kann. Oder wie es Diderot sagte als er den Morgenmantel bekam: „Ich sehe aus wie ein reicher Tagedieb, man sieht mir nicht mehr an, wer ich bin.“ Wir sind mehr als wir selbst. Wir sind auch, was wir tragen und was uns umgibt. Wir sind nun mal Teil dieser Welt und das kann unschön und zugleich sehr schön sein.

Euer Patrick


29.06.2022

Da müssen wir mal die Zuständigkeiten klären. Wer das Auto fährt, bestimmt die Musik. So die Regel. Da spricht man auch von Hoheit. Wobei das eher ein staatsrechtlicher Begriff ist. Aber so ist das mit Wörtern. Sie werden nicht selten umgenutzt. Von einer falschen Verwendung spreche ich ungern, denn ich möchte, dass sich Wörter in ihrer Bedeutung verändern dürfen. So hat die Hoheit auch im alltäglichen bzw. privaten Gebrauch ihre Berechtigung. Nicht nur beim Autofahren, sondern auch beispielsweise bei der berühmten Hoheit über die TV-Fernbedienung.

Es gibt so einige Wörter, deren Bedeutung sich verändert hat. „Toll“ etwa. Heute bedeutet es, dass etwas großartig oder unglaublich ist. Die alte Bedeutung ist „verrückt“ oder „wahnsinnig“. Und wer früher brav war, galt als tapfer – heute hingegen als ruhig und keinen Ärger machend. Aber es gibt auch Wörter, die bewusst so gewählt sind, dass sie eine bestimmte Doppeldeutigkeit haben, die einem auf den ersten Blick gar nicht bewusst wird. Dies kommt häufig bei Markennamen vor. Bei dem Fruchtsaftgetränk mit dem Tiger etwa. Dieses heißt „Frucht-Tiger“. Meint zugleich aber auch , dass dieser auch fruchtiger ist (als andere Getränke). Oder was mir auch sehr spät aufgefallen ist, sind die Nimm2 Lachgummis. Es sind eigentlich Weingummis – oder eben gerade nicht. Und wer eine Ray-Ban Brille trägt, der trägt eben eine Sonnenbrille, auf der zu deutsch auch nur „Strahlenschutz“ steht.

Mit Wörtern und Sprache allgemein lässt sich einerseits bewusst spielen und andererseits werden sie über die Jahre hinweg bespielt und allmählich verändert. Leider gibt es auch Wörter, die in Vergessenheit geraten sind und immer seltener gebraucht werden. Kommod, Mumpitz oder saumselig. Ich selbst mag „Halunke“ gern. Das sage ich auch zu unserem Hund, wenn er mal wieder spitzbübisch wird und verschmitzt dreinschaut. Bei diesen Überlegungen stelle ich mir die Frage nach meinem Lieblingswort. Habe ich ein Lieblingswort? Gar nicht so leicht. Aber ich denke es ist die Interjektion „na“. Zu Beginn von Fragen und Zurufen kann es unterschiedliche Empfindungen ausdrücken – Zögern, Verwunderung, Überraschung, Staunen, Zweifeln, Ablehnung. Da spielt es auch eine große Rolle, wie dieses „na“ ausgesprochen wird. Daher kann man es auch für sich allein benutzen; als eine Art „Hallo, wie geht es dir? Ich spüre, dass es dir nicht gut geht. Wie kann ich dir helfen?“. Das alles kann ein liebes „na“ bedeuten.

Hier macht demnach der Ton die Musik und die Zuständigkeiten sind geklärt. Wir nutzen Wörter und nutzen sie um. Na, also.

Euer Patrick


15.06.2022

Wenn wir über die Zeit sprechen, dann gewöhnlich in einem Dreierschritt: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wir orientieren uns in diesem Gebilde und es hilft uns vom Zurückschauen zu sprechen oder vom Nachvorneschauen. Es gibt Redensarten, dass man das Leben jetzt leben sollte oder dass das Vergangene nicht zu ändern und die Zukunft noch nicht geschrieben sei. Mal kommt uns eine Minute wie ein Fingerschnippen vor, ein anderes Mal wie eine Ewigkeit. Und selbst die Wissenschaft kann aussagen, dass Zeit nicht starr und fest ist, sondern eben relativ und sich in den Kräften des Weltalls gar dehnen und stauchen kann.

Wir könnten uns ein Leben lang mit der Zeit auseinandersetzen, versuchen sie zu ergründen und mit Abstand objektiv betrachten und doch hat jede und jeder von uns eine ganz eigene Zeit und eine ganz eigene Art mit ihr umzugehen.

Am augenscheinlichsten wird uns die Zeit durch Veränderungen in unserem Leben. Dadurch wird sie für uns sichtbar. Der Sonnenstand und die Jahreszeiten helfen uns bei der Orientierung. Viele tragen eine Uhr am Handgelenk. Einen Zeitmesser. Diese Kolumne hier ist mittlerweile die dritte, die sich dem Thema Zeit annimmt. Es besteht natürlich die Gefahr, dass ich mich wiederhole. Die Ironie ist jedoch die Wiederholung selbst, da wir Zeit nicht nur durch Veränderung wahrnehmen, sondern durch die Anzahl von Wiederkehr, wie Geburtstage, Feiertage, Jahreszeiten. Daher hier eine Wiederholung aus der ersten Kolumne über die Zeit – ein Schillerzitat. Friedrich Schiller beschreibt in den Sprüchen des Konfuzius die Zeit folgendermaßen:

Dreifach ist der Schritt der Zeit: / Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, / Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, / Ewig still steht die Vergangenheit.

Es ist unser ganz eigener Umgang mit der Zeit, der bestimmt, wie wir uns zur Zeit fühlen und wie wir sie erleben. Die Vergangenheit steht still, aber wir bestimmen, was und wie wir uns erinnern möchten. Die Gegenwart ist pfeilschnell, aber wir bestimmen, was wir in diesem Augenblick tun und denken möchten. Die Zukunft ist zögernd, aber wir bestimmen die Richtung. Zeit ist dermaßen faszinierend, dass es unzählige Bücher, Filme, Musik u.s.w. gibt, die jene zum Thema haben. Oft im Zusammenhang mit der Idee von Zeitreisen. An einer Zeitreise wäre ich ehrlicherweise nicht interessiert, aber offensichtlich lässt mich die Zeit nicht los. Und noch bevor ich geboren wurde, also vor meiner Zeit, wurde von damals noch jungen Musikern nicht nur Musikgeschichte geschrieben, sondern das wohl schönste Lied dazu geschrieben. Es geht um die Tragik, dass wenn man genug Zeit hat (junger Mensch), diese nicht wertschätzt, gar verschwendet, um dann später festzustellen, dass die Zeit einfach um ist. „And then one day you find ten years have got behind you / No one told you when to run, you missed the starting gun.“

Euer Patrick


01.06.2022

So, am Himmelfahrtswochenende war ich mal nicht mittenmang. Will damit sagen, dass ich die meiste Zeit zu Hause und nicht auf der Insel unterwegs war. Es war ja ordentlich was los. So wurde es mir berichtet und dank Social Media konnte ich es auch auf Bildern sehen. Ich selbst habe es dabei belassen mit dem Hund zum Strand zu fahren zum Spazierengehen und habe mein Zuhause genossen. Das hat mich an meine Zeit in Kiel während der Kieler Woche erinnert, bei der ja auch im Prinzip zwei Möglichkeiten gab: Entweder man genießt die Nähe zur Kieler Woche und kann sie dadurch jeden Tag feiern und miterleben oder, was auch nicht wenige Kieler taten, man verließ die Stadt für diese Zeit, weil einem der Trubel zu viel wird. Ähnlich verhält es sich auch in Köln zum Karneval, wo es auch auf diese beiden Möglichkeiten hinausläuft.

Solch ein Verhalten, in die eine oder in die andere Richtung, sollte nicht bewertet werden. Jede und jeder hat eben einen eigenen Umgang mit solchen Ereignissen. Die einen lieben den Trubel, die Aktionen und die Geselligkeit. Die anderen dann doch lieber die Ruhe und die Entspannung.

Wenn man eher zur Fraktion Ruhe und Entspannung gehört, wie ich an dem besagten Wochenende, lässt sich folgendes nicht ausschließen: Es interessiert mich schon, was denn dort alles so los war. Da frage ich gerne mal nach bei denen, die dort waren, die halt mittendrin waren und dadurch war ich ein wenig dabei. Zwar nicht mittendrin, aber etwas dabei. Es ist die Umkehrung des alten DSF-Slogans: Mittendrin statt nur dabei.

Nun haben wir für die Insel Fehmarn das Motto „Im Meer mittendrin“. Das ist ja auch sehr schön und schließt alle mit ein. Alle sind nicht nur einfach dabei, sondern Teil von allem und jeder ist Teil der Insel. Ich bin für dieses Gemeinschaftsgefühl und das Schöne daran ist, dass das Leben mittendrin hier auch bedeutet, dass für jede und jeden etwas dabei ist. Und da kann man sich natürlich über alle möglichen Dinge aufregen oder versuchen es zu genießen. Beispiel gefällig? Wir waren auf dem Utkieker. Da gibt es jetzt natürlich die Möglichkeit sich darüber aufzuregen, wie viel Geld er gekostet hat oder wie er aussieht, was natürlich Geschmackssache ist, und so weiter und so fort. Nun steht er da und letztendlich habe wir die Aussicht genossen. Wirklich genossen; es war sehr schön und viele weitere Menschen sind dorthin gepilgert.

Es ist ganz oft eine Frage der Perspektive. Meine persönlichen Perspektiven auf Fehmarn haben sich oft geändert. Meine erste Perspektive war die eines Schülers vom Festland. Dann als Student, der immer mal wieder zurück auf die Insel kam. Dann nahm ich die Perspektive als hier lebend an. Zusätzlich als Vater (mit Kindern erfährt man ohnehin die Welt anders), hinzu dann die als Hundebesitzer. Und zusätzlich ändern sich die Perspektiven mit jedem neu kennengelernten Menschen, mit jedem Verein bei dem man Mitglied ist und so weiter. Das heißt, dass sich einerseits die Insel immer wieder verändert, andererseits verändern sich die Menschen selbst auch immer wieder und damit die Perspektiven und Erfahrungen, die damit gesammelt werden. Da gibt es Dinge, die erscheinen verbesserungswürdig und es gibt Dinge, die erscheinen erhaltungswürdig. Ein Spannungsfeld zwischen Konservatismus und Veränderung. In diesem Spannungsfeld leben, handeln und diskutieren wir.

Mal trifft es uns unmittelbar und wir sind mittendrin oder wir schauen eher passiv zu und sind dann nur dabei. Egal wie wir uns entscheiden, entfliehen können wir der Verantwortung nicht. Vielleicht mal etwas ruhiger machen und nicht in den Trubel einsteigen, um dann wieder bereit zu sein – mittenmang zu sein.

Euer Patrick


18.05.2022

„Faszinierend“ würde Spock sagen, wenn er an meiner Stelle wäre. Ich fand die neue Aufnahme vom schwarzen Loch in der Milchstraße schlichtweg faszinierend. Spock selbst benutzt das Wort zwar gern, aber ein schwarzes Loch hätte ihn nun nicht vom vulkanischen Ofen hervorgelockt. Das kann man zum Beispiel einem Star-Trek-Wiki entnehmen, in dem Sätze wie diesen hier stehen: „[Im Jahr] 2387 versucht Spock eine Schockwelle einer Supernova mit einem künstlich erzeugten schwarzen Loch, welches mit roter Materie erzeugt worden ist, aufzuhalten.“ Science-Fiction ist schon toll, aber eigentlich ist die Science realiter schon völlig ausreichend, was Faszination und Erstaunen angeht. Ein Blick in den Sternenhimmel reicht schon aus, um ins Staunen zu geraten. Der Versuch allein sich bewusst zu machen, dass das schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße etwa 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist oder über die Masse von 4,3 Millionen Sonnenmassen verfügt, überfordert mich. Hinzu kommt, dass es Wissenschaftler*innen gibt, die das Foto gemacht haben, das berechnen können und überhaupt das alles verstehen. Ich bin davon tief beeindruckt.

Da ist es schon paradox, dass in Anbetracht des Universums unsere lächerliche Existenz gerade ebendiese als solche erkennt. Daraus entsteht auch gern mal Hochmut, Eitelkeit oder mit anderen Worten: die völlige Fehleinschätzung der Mittelpunkt der Welt zu sein. Wir Menschen nehmen uns halt als äußerst wichtig wahr. Wir neigen sogar dazu zu denken, dass die anderen wiederum über uns alles Erdenkliche denken. Dabei ist das ein Trugschluss, denn wir sind echt nicht so wichtig und interessant, wie man meint oder es gern hätte. Wirklich. Gar nicht erst einbilden.

Außerdem mag man ja auch gar nicht diese Mittelpunktmenschen. Kennt man doch. Leute, die das Gespräch laut an sich reißen und mit ihrer Art Thema und Stimmung der Gesellschaft dominieren. Klar, die wollen auch nur geliebt werden, bekommen mit dieser Art aber nur falsche Liebe oder in Zeiten von Fake News würde man wohl Fake Love sagen. Irgendwie sind diese Partykracher wie schwarze Löcher: Um sie herum leuchtet es und sie selbst sind von innen schwarz und nichts kommt aus ihrem Inneren nach draußen. Aber ich gebe zu, dass diese Analogie sehr bemüht ist. Man sollte Menschen nicht als schwarze Löcher bezeichnen. Dafür wissen wir über diese noch zu wenig. Wen ich mit „diese“ meine? Die schwarzen Löcher natürlich – und die Menschen.

Die Wissenschaft mit ihren Erkenntnissen überrascht uns immer wieder; unsere Mitmenschen überraschen uns tagtäglich. Das ist einfach faszinierend oder um es mit Spocks Worten zu sagen: „Faszinierend ist ein Wort, das ich nur benutze, wenn mich etwas überrascht.“

Euer Patrick


04.05.2022

„Dreist.“ Kein gutes Verhalten, aber ein schönes Wort. Zum Verhalten: Niemand mag Dreistigkeit oder gar Menschen, die solche als Charakterzug haben. Dreist zu sein bedeutet unverschämt zu sein und das ist weder nett noch angebracht. Auch wenn man vielleicht manchmal meint, dass eine solche Unverfrorenheit in bestimmten Situationen angebracht wäre, so bleibt es unverschämt, frech, unhöflich, respektlos, anmaßend, rücksichtslos, unanständig, unflätig, ungehobelt, unmanierlich, schnodderig oder unbotmäßig. Und da sind wir schon bei den tollen Wörtern. Auch wenn sie eine unschöne Sache beschreiben, sind es schöne Wörter. Ja, vielleicht ist das auch Geschmackssache, aber es ist schon eine Freude in einem Satz, ach in einem Gespräch, Wörter wie „unmanierlich“ oder „ungehobelt“ zu benutzen. Auch etwa „dummdreist“, also wenn jemand dumm und frech zugleich ist, ist herrlich. Besonders wenn man bedenkt, dass das Wort bereits im 17. Jahrhundert (wahrscheinlich noch früher) benutzt wurde. Irgendwie beruhigend, dass die Menschen auch vor 400 Jahren mit dummdreisten Mitmenschen auskommen mussten und dafür dasselbe Wort hatten, wie wir es noch heute nutzen.

Andererseits, nun sind wir mal ehrlich, wünschen wir uns manchmal eine gewisse Dreistigkeit, denn sie verhilft ja schneller zu den Dingen, nach denen wir verlangen. Also nicht hinten an der Schlange sich anstellen, sondern einfach vorne ran. Dazu noch ein Spruch, aufrechte und selbstbewusste Körperhaltung. Bitte. Danke. Oder die Situation an der Supermarktkäsefleischwursttheke (Ich weiß, es heißt Frischetheke.) Eben an jener Theke kommt man an. Schaut sich gegenseitig an und es gibt ein schweigendes Einverständnis darüber, wer wann kam und wer somit wann dran ist. Meint man. Wohl nicht ohne Grund gibt es an manchen Theken das Nummernziehen. Vorbei mit Dreistigkeit. Wer sich da noch vordrängeln kann und damit durch kommt, ist ein (Hier bitte ein Schimpfwort einsetzen) oder vielleicht schon irgendwie genial.

Das Wort „dreist“ kommt wahrscheinlich von „dringen“, was soviel bedeutet wie „sich einen Weg verschaffen“. Das ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber auf diesem Weg sollte man die anderen Teilnehmer nicht außer Acht lassen. Auch sie wollen den Weg gehen. Der dreiste Mensch mag Zeit gewinnen, verliert aber Anerkennung. Der dummdreiste Mensch mag auch Zeit gewinnen, kann sie jedoch nicht sinnvoll nutzen. Großen Schaden mögen sie nicht anrichten, aber die Stimmung kann sich in ihrer Nähe verschlechtern. Bei manchen kommt eine Wut in den Bauch. Bei andern einfach nur Erstaunen darüber, wie jemand so ungehobelt sein kann. Dann hört man den Satz: „Wie kann man nur so dreist sein?“ Mein Vorschlag: Nicht aufregen, sondern schöne Wörter benutzen. „Wie kann man nur so unmanierlich sein?“ Kein gutes Verhalten, aber ein schönes Wort.

Euer Patrick


20.04.2022

„Fanta schmeckt nicht. Fantasie schon.“ Ein hübsches Wortspiel aus einem Kindermund, das zum Spaß einlädt. Ob Fanta nun schmeckt, ist Geschmackssache. Darum geht es im Grunde auch nicht. Aber dass Fantasie schmeckt, ist die eigentliche Botschaft. Natürlich kann man auch Phantasie schreiben, aber dann ist der Wortwitz weniger gut. Außerdem empfiehlt der Duden die Fanta-Schreibweise. Und wenn man sich heutzutage schon an wenigen Dingen festhalten kann oder es an Vertrauen mangelt, dann wenigstens der Duden – der kann einem Sicherheit geben.

Aber nun zurück zur Fantasie. Ohne Frage ist die Fantasie mit der Kreativität verknüpft, aber das allein wäre zu wenig. Es geht hauptsächlich um die Vorstellungskraft. Darum innere Bilder zu gestalten und eine Art Innenwelt zu erschaffen. Ob es nun ein lustiges Fantasietier ist oder eine ganze Welt voller fantastischen Wesen, in denen sich Abenteuergeschichten abspielen. Manche Menschen schaffen es dann diese Innenwelt nach außen zu tragen und schreiben diese auf. Sind sie auch noch detailreich und mit einer gewissen Länge, dann dürfen sich die Leser*innen ebenfalls in diese Innenwelt verlieren.

Ich lese mal wieder Tolkiens „Herr der Ringe“. Es gibt nicht viele Bücher, die ich „mal wieder“ lese. Es gibt Bücher, bei denen es weniger darum geht, wie es ausgeht oder wie die Lösung des Rätsels ist. Nein, bei denen geht es um die erzeugte Welt, in die man eintaucht. In der man gedanklich lebt und sich verliert. Das funktioniert bei „Herr der Ringe“ wunderbar, denn der Autor hatte Fantasie. (Natürlich hatte Tolkien noch viele weitere wichtige Eigenschaften, die es braucht, um ein solches Werk zu schreiben.) Es gibt Menschen, die tun solche Fantastereien als trivial ab, aber das ist zu simpel gedacht. Man muss es nicht mögen – wie etwa Fanta – aber dadurch wird es nicht weniger bedeutsam. Durch das Lesen ein Teil einer anderen Innenwelt zu werden kann durchaus erholsam sein. Ein anderer Autor, Benjamin von Stuckrad-Barre, schrieb mal über ein Buch, das er gerade wieder las, dass er nur eine Seite pro Tag lese, da es dann länger hält. Herrlich. Buch als Genuss, der nicht aufhören soll und daher bedächtig und langsam genossen wird. Ähnlich mache ich es auch mit den drei Ringe-Werken: Jeden Abend ein paar Seiten. Genug um abzutauchen. Aber nicht zu viel, damit es noch lange vorhält. Irgendwann ist es wieder zu Ende und irgendwann fange ich wieder von vorne an.

Das ist das Wunderbare an der Fantasie. Sie ist unerschöpflich; selbst wenn sie zu Papier gebracht wurde. Sie wird dadurch nicht starr, sondern lebt und ist einfach fantastisch. Fantasie hat den umfangreichsten Geschmack. Fanta nur Orange. Aber ich möchte für alle Fanta-Freunde versöhnlich schließen. Ein guter Fantasyroman mit einer Fanta genossen und schon haben wir es: „Fanta schmeckt und Fantasie auch.“

Euer Patrick


06.04.2022

Gespräche brauchen Zeit. Ich bin sogar der Meinung, dass erst ab einer bestimmten Länge ein Gespräch auch ein wirkliches, ein echtes, ein ernstzunehmendes Gespräch ist. Ein Gespräch zwischen Tür und Angel ist demnach kein Gespräch. Das ist ein lapidarer Austausch von vielleicht Informationen oder gar nur das Loslassen von Meinung im Sinne eines Ventils. Der sogenannte Smalltalk. Smalltalk hat seine Funktion, aber in der Regel kommt dabei nicht viel herum. Wenn Smalltalk so etwas ist wie ein menschlich gesellschaftlicher Klebstoff, und das ist eine gute und wichtige Funktion, dann ist das Gespräch das Fundament auf dem die Mitmenschlichkeit, die Freundschaft und somit auch die Gesellschaft stehen.

Laut Duden bedeutet Gespräch der „mündliche Gedankenaustausch in Rede und Gegenrede über ein bestimmtes Thema“. Das geht nicht mal eben so. Ein guter Indikator für ein solches Gespräch ist die Tasse Kaffee. (Es gilt aber auch bei anderen Getränken, die eher langsam getrunken werden.) Denn im Kaffee steckt das Versprechen, dass man sich Zeit nehmen möchte. Sich an den Tisch setzen. Die Sache wird also ernst. Es geht nicht nur darum Informationen auszutauschen oder die Meinung kundzutun, sondern die Meinung des anderen zu verstehen. Ich denke es geht darum, dass man gemeinsam zu einer Erkenntnis kommen möchte. Das heißt nicht unbedingt, dass das Gespräch die Lösung eines Problems zur Folge haben muss. Das kann wünschenswert sein, aber eigentlich geht es darum die Welt aus einer anderen Perspektive zu verstehen.

Daher sollte einem Gespräch auch immer ein Streit innewohnen. Das Streiten ist produktiv. Streit konfrontiert. Streit ist einfach förderlich und der bringt auch nur Spaß, wenn er auf der Sachebene bleibt. – Da ist schon der Haken. Es ist schon schwer zu streiten ohne es persönlich zu nehmen. Denn in jedem Gespräch und somit auch in jedem Streit steckt Persönlichkeit. Es braucht also Akzeptanz und Verständnis. Und da muss man schon ehrlich sein: Akzeptanz und Verständnis brauchen Zeit. Haut mir jemand seine Meinung um die Ohren, die nicht meinem Weltbild entspricht, dann ist die erste Reaktion, die Affekthandlung, meist Gegenwehr. Erst nach Beruhigung der Emotionen kann der sachliche Geist wieder übernehmen. Und das geht nicht zwischen Tür und Angel. Da braucht es schon mindestens eine Tasse Kaffee und im besten Fall eine Gesprächskultur. Also auch die nonverbalen Aspekte und natürlich ein Verständnis für die Wirkung des Gesagten auf das Gegenüber.

Gespräche als Fundament. Smalltalk als Klebstoff. Das hält unseren gesellschaftlichen Laden zusammen. Reden. Reden. Reden. Man kann es nicht oft genug sagen. Vielleicht mit einer kleinen Einschränkung. Die Sache mit dem Tratsch. (Duden: „übles, gehässiges Gerede hinter jemandes Rücken“) Das zählt nicht dazu. Das macht kaputt. Dann braucht man Zeit zum reparieren und lange Gespräche.

Euer Patrick


23.03.2022

Der Frühling, das Frühjahr, der Lenz. Da ist doch für jede und jeden etwas dabei. „Frühling“ ist wohl am gängigsten und „Lenz“ wirkt eher veraltet oder begegnet einem in der Poesie. Als Imker ist der Frühling für mich spannend und entspannend zugleich. Denn es ist spannend zu sehen, ob die Bienenvölker gut durch den Winter gekommen sind und ob es Verluste gibt. Entspannend ist es dann, wenn die ersten warmen Tage kommen und reger Flugbetrieb vor den Bienenbeuten zu beobachten sind. Und da kommen wir jetzt nochmal zum Lenz zurück: Beim Imkern gibt es den Begriff „Durchlenzung“. Dieser wird auf zweierlei Art gebraucht. Zum einen ist es der Umbruch im Bienenvolk, wenn mit der neuen Brut die Sommerbienen heranwachsen bzw. geboren werden und die Winterbienen sterben. Zum anderen wird der Begriff auch verwandt, um die ersten Frühjahrsarbeiten an den Völkern zu bezeichnen. Also die Durchschau und Begutachtung der Bienenwaben, das Zusammenlegen von schwachen Völkern und W

eiteres. Bienenvölker und Imker durchlenzen also – ein wunderbares Frühlingserwachen.

Dass der Frühling mit den wärmeren Temperaturen und den längeren Tagen dem Gemüt und der Stimmung guttut, ist – so will ich meinen – unbestritten. Doch gibt es paradoxerweise auch noch die Frühjahrsmüdigkeit. Der Körper muss sich erstmal an die neuen Verhältnisse, also Licht und Temperatur, gewöhnen und das kann anstrengen. Imkerlich gesprochen müssen wir Menschen auch durchlenzen. Vom Wintermenschen zum Sommermenschen werden. Übrigens unterscheiden sich die Winterbienen von den Sommerbienen in der Weise, wie sie sich zum Winter hin fettgefressen haben. Nur so am Rande. Mit Pathos gesprochen macht der Frühling Mut und Hoffnung. Obgleich der Probleme und dem Elend in der Welt ist es völlig in Ordnung dies zuzulassen. Sich an dem erfreuen, was einem Freude bereitet, ist nicht nur okay, es ist vielleicht auch eine Verpflichtung dem Leben gegenüber. Ein ungenossener Frühling ist zwar möglich, aber gedanklich unerträglich. Ich verstehe zwar den Gedanken, dass es einem im Angesicht der Nachrichten zuwider sein kann, sich zu freuen, zu genießen und sich wohl zu fühlen; aber was hilft es, es nicht zu tun und ausschließlich die Dunkelheit zu sehen? Es hilft nur der Dunkelheit.

Bald dürfen wir wieder ganz viel Grün sehen und wir sagen dann wie schön grün die Blätter und die Pflanzen sind. Verrückterweise sind sie es aber nicht. Sie absorbieren vom Licht alle Farben nur eben das grüne Licht nicht. Das reflektiert in unsere Augen. So betrachtet sind die Blätter alle Farben außer Grün. Poetisch ausgedrückt schenken sie uns das grüne Licht. Meine Bienenbeuten habe ich alle grün gestrichen. Den Bienen ist das egal, mir jedoch nicht. Und da dem Frühlingsthema auch immer der Kitsch innewohnt, hier noch ein Kalenderspruch: Frühling ist, wenn die Seele wieder bunt denkt.

Euer Patrick


09.03.2022

Es gibt immer Gründe sich aufzuregen. Kleine Dinge im Alltag oder das große Weltgeschehen. Schnell können wir in Wallung geraten, uns aufregen und unserem Unmut Luft machen. Ist ja nur menschlich. Aber es ist oft auch unangebracht, denn in Relation betrachtet erscheint der Anlass der Aufregung doch kleinlich oder man spricht gern von den „First World Problems“ – also das Jammern auf hohem Niveau. Es gibt immer einen Menschen, dem es schlechter geht. Und es gibt auch immer einen Menschen, dem es besser geht. Das eigentliche Problem ist der Vergleich; das Wissen um die vermeintlichen Befindlichkeit des anderen. Alles subjektiv versteht sich. Daher ist es doch oft ein künstliches Aufregen, da wird gern skandalisiert.

ALF sagte mal zu Willie Tenner: „Was bringt es über verschüttet Milch zu klagen?“ Als Kind sah das Sprichwort im Kopf immer sehr plastisch vor meinen Augen und es leuchtete mir daher auch immer ein. Die Milchpfütze auf dem Boden. Das Jammern darüber macht sie halt nicht weg bzw. bringt die Milch nicht zurück ins Glas. Außerdem versetzt Jammern den Körper unter Stress. Also mehr Cortisol und das ist nicht gesund. Andererseits kann man auch vom Entlastungsjammern sprechen. Jammern als Ventil, damit der Frust von Innen nach Außen geleitet werden kann. Man fühlt sich besser und befreiter. („Ich will mich aber aufregen!“) Das Problem ist dadurch nicht gelöst, aber zumindest geht es einem selbst besser. Ich will mich jetzt nicht aufregen, aber das ist schon recht egoistisch.

Was also tun, wenn der Blutdruck wieder steigt, die Atmung schwer wird und die Erregung ins Negative schlägt? Auch hier hilft uns ein fiktives außerirdischen Wesen, genannt ALF, weiter: „Das beste Mittel gegen eine gegessene Schokolade ist eine neue Schokolade.“ Manchmal liegt die Lösung auf der Hand. Sie ist einfacher als man zu denken glauben mag. Gründe sich aufzuregen gibt es viele. Das heißt aber nicht, das man sich aufregen muss. Man kann es einfach lassen und das Ventil in der Lösung suchen oder erkennen, dass so manches Problem nicht der Rede wert ist. In der Not hilft ein Sprichwort oder ein Zitat oder besser gleich mehrere davon. Die geben einem immer das Gefühl von weiser Sicherheit. Auf denen kann man sich gedanklich gemütlich hinlegen und durchatmen. Das wird dann schon. Kommt Zeit, kommt Rat. Null Problemo. – Doch leider ist das Leben keine Fernsehsendung.

Euer Patrick


23.02.2022

Aufräumen ist ein richtiges Wohlstandsproblem. Wir besitzen viel Kram und irgendwann haben wir dafür zu wenig Platz – es muss aufgeräumt werden. Dabei geht es nicht mehr klassischerweise um das Zurückräumen an den angestammten Platz. Nein, heute wird ausgemistet und minimalisiert. KonMari-Methode und Minimalismus sind die die Schlagwörter. Ersteres bedeutet in aller Kürze: Man behält nur das, was einem Freude bereitet und das, was man behält wird schön und gut zugänglich angeordnet. Dabei gilt, dass jeder Gegenstand, also wirklich jeder, einen Ort hat. Beim Minimalismus ist es ähnlich, wobei hier bewusst auf alles verzichtet wird, was unnötig zu sein scheint. Einige Minimalisten verzichten sogar auf ein Bettgestell und lassen nur ihre fünf Lieblingsbücher im Regal zu. Das ist schon eine Form der Askese. Gemeinsam ist solchen Prinzipien, dass diejenigen, die das machen, es als eine Art Befreiung verstehen. Weniger Besitz, weniger Konsum, bedeutet mehr Raum, Luft und Licht. Nicht nur im Haus, sondern auch im Kopf.

Dass unsere Wohnumgebung Einfluss auf unser Inneres hat, kann ich bestätigen. Ist der Schreibtisch aufgeräumt, dann kann ich besser arbeiten – in meinem Kopf fühlt es sich dann auch aufgeräumter an. Auch das Ausmisten fühlt sich gut an. Jetzt kommt das große „Aber“: Es gibt Dinge, die ich nicht gern ausgemistet hätte. Das weiß ich jetzt, aber damals fühlte es sich richtig an. Es ist nicht weiter tragisch, aber ich hätte so manche Hörspielkassette, LP, den guten alten Game Boy (mit den ganzen Spielen) oder das eine Buch, das jetzt nicht mehr zu bekommen ist, doch gern behalten. Mein damaliges Ich hat das schon richtig gemacht. Es konnte ja nicht ahnen, dass sein zukünftiges Ich den Kram gern wieder haben möchte.

Marie Kondo (KonMari-Methode) hatte ihren Hammer ausgemistet, da dieser laut ihrer eigenen Methode ihr keine Freude machte. Irgendwann stellte sie fest, dass dies nicht die beste Entscheidung war und kaufte einen neuen Hammer. Extreme sind eben selten gut. Irgendwie kommt man dann doch wieder zu der guten alten goldenen Mitte bzw. dem goldenen Mittelweg. Also die vermittelnde und daher optimale Vorgehensweise zwischen zwei extremeren Möglichkeiten.

Das finde ich sehr beruhigend: Aufräumen mit Maß. Nicht zu viel. Nicht zu oft. Oder wie es der tägliche Gedanke beim Blick ins Kinderzimmer ausdrückt: „Muss mal wieder aufgeräumt werden. Irgendwann. Wenn es halt passt.“

Euer Patrick


09.02.2022

Da ist sie wieder: die gute alte Zeit. Dass sich die Dinge wiederholen und Trends oder Moden sich die Klinke in die Hand geben, ist keine neue Erkenntnis. Die Schallplatte, also Vinyl, ist ja schon seit einigen Jahren wieder beliebt. Jetzt bahnt sich die Rückkehr der Musikkassette an. Da muss man schon nach dem „warum“ fragen. Bandsalat und die mit der Zeit immer schlechter werdende Qualität der Aufnahme waren schon immer Begleiter der MC. Nostalgie ist das eine, aber da gibt es noch den Aspekt des Haptischen. Digitalisierung ist schön und gut, praktisch und platzsparend, verfügbar und stets aktuell, aber nichts zum Anfassen. Wir Menschen sind nun mal keine digitalen Wesen. Wir brauchen die Sinneswahrnehmung zum Begreifen – letztendlich können wir nur so die Welt verstehen. Daher darf die Musikkassette auch die schlechtere Qualität haben; der Akt diese in den Spieler zu stecken, den Knopf zu drücken, dann das Rauschen – dadurch wird es unmittelbarer und wir werden ein Teil davon. Es ist schon ein Erlebnis.

Ein Erlebnis ist es auch, wenn das eben nicht funktioniert. Wie bei mir. Ich habe mir ein recht altes Gerät (Tapedeck) gekauft, um diese Gefühle zu erwecken. Nun hatte Grundig damals Zahnräder verbaut, die besonders leise waren, dafür aber nach etwa 20 Jahren zerbröselten. Das Gerät lag also aufgeschraubt auf dem Wohnzimmertisch und ich hing über dem Smartphone, um Ersatzteile zu finden. Kein Problem, denn, wie gesagt, die Musikkassette und die Abspielgeräte sind wieder im Kommen. Also nach einer Woche waren dann neue Zahnräder eingebaut und es funktionierte wieder. Fast. Das Gerät stoppte immer wieder. Bandsalat. Naja, das alte Spiel von früher eben. Eine krude Mischung aus Enttäuschung und Spaß empfand ich bei der ganzen Sache. Das wichtigste Wort in dem vorangegangenen Satz ist „empfand“. Es waren Gefühle im Spiel. Erwartungen, Erfolgserlebnisse, die genannte Enttäuschung, aber auch die Einsicht, dass hier und da viel romantisiert wird. Man kennt es: „Früher war alles besser.“ Eben nicht!

So einfach können und dürfen wir uns die Welt nicht erklären. Manche wünschen sich in die unbeschwerte Kindheit zurück. Das funktioniert nur, wenn man eine solche hatte. Vielleicht sollten wir uns für die Kinder heute eine unbeschwerte Zeit wünschen. Digitalisierung und technischer Fortschritt bzw. der Zugriff auf Medien sind natürlich attraktiv, aber das ist der Rausch immer. Während ich also tagelang an einem Tapedeck herumfrickel, um eine alte MC zu hören, haben meine Kinder mindestens dreißig Folgen der Drei ??? oder alle Hörspiele von Gregs Tagebuch digital konsumiert. Ich will das nicht bewerten, aber wäre es umgekehrt nicht irgendwie … toller, besser, schöner? Zumindest haben sie interessiert zugeschaut und wissen, was eine Musikkassette ist. Was aber nun wirklich interessant an der „guten alten Zeit“ ist, ist die Tatsache, dass meine Kinder in vielleicht dreißig Jahren von ihrer „guten alten Zeit“ sprechen und vielleicht diesen unsäglichen Satz sagen: „Früher war alles besser.“

Euer Patrick


26.01.2022

Schmeckt der Kaffee? Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Frage trifft, denn viele Menschen trinken Kaffee. Er ist Genuss und Medizin zugleich. Gerade morgens hilft er wach zu werden und der Verdauung den nötigen Schwung für den Tag zu geben. Die verschiedenen Zubereitungsformen, ob und wenn ja, welche Milch, hineingemischt wird oder Zucker bzw. Süßstoff (oder auch Honig; probiert das mal aus) dazu kommen, machen aus Kaffee ein recht individuelles Getränk mit oftmals niedriger Toleranzschwelle für das Gegenüber, das den Kaffee ja ganz unwürdig trinkt.

Mein erster Kaffee war ein Wirkungskaffee ohne jeglichen Genuss. Mit einem Freund hatte ich ein Projekt für die Schule zu beenden und wir mussten die Nacht an den Texten durcharbeiten. Er machte uns einen Kaffee. Und der sollte ja seine Wirkung haben. Also Kaffeepulver in eine große Tasse, heißes Wasser darauf und warten bis sich alles gesetzt hat. Er tat seine Arbeit, aber es war kein Tor in eine neue Genusswelt. Ich blieb weiterhin bei Tee. Später dann kam die unkultivierte Zeit des Cappuccinopulvers. Im Nachhinein zum Schütteln, aber es war einfach, schnell und süß. Das änderte sich mit dem Trend oder der Mode namens „Latte macchiato“. Den gab es dann überall. Es wurden auch Späße darüber gemacht – gerade Schwarztrinker konnten dieses Milchheißgetränk nicht ernst nehmen. In diesem Zusammenhang muss ich einfach mal einen Satz aus der Wikipedia zitieren: „Latte macchiato wird häufig als Symbol für trendbewusste Neu-Großstädter der kreativen Mittelschicht und jungen Elterngeneration in Szenebezirken verwendet und demzufolge auch abwertend als Modegetränk der Yuppies und sarkastisch als Symbol und begleitendes Getränk von Gentrifizierungsprozessen betrachtet.“ Übrigens steht in dem Artikel auch, dass ein Latte macchiato aufgrund seines niedrigen Kaffeegehalts auch Kindern gereicht wird. Nicht in meiner Welt. Aber vielleicht bin ich in dieser Hinsicht konservativ und halte Kaffee für ein Erwachsenengetränk.

Jedenfalls bin ich irgendwann beim Espresso gelandet. Der ist eine gute Grundlage. Zwar ist die Zubereitung eine Wissenschaft für sich, aber lohnenswert. Die Abhängigkeit zum Kaffee zeigt sich bei mir nicht nur im morgendlichen Verlangen danach, sondern auch darin, dass ich im Auto „Pocket Coffee“, also flüssigen Kaffee in Schokolade, lagere. Ohne schlechtes Gewissen. Wobei ich das haben müsste: Meine erste Projektwoche an der weiterführenden Schule hatte das Thema Kaffee. Geleitet von Oberstufenschülern und ich war gerade erst der Grundschule entkommen. Gelernt habe ich, dass Kaffee Armut und Kinderarbeit zu verantworten hat. Angebaut in Entwicklungsländern, getrunken in Industrieländern. Es dauerte dann noch eine ganze Weile bis zu meinem ersten Wirkungskaffee beim Freund und ich machte mir darüber keine Gedanken mehr. Es ist auch ein Graus mit der Ethik und der Kaffeevielfalt. So gibt es Menschen, die ihren Kaffee bewusst ohne Kuhmilch trinken, da sie Mitleid mit den Milchkühen haben. Ist ja auch okay. Aber wenn der Kaffee von Kinderhand geerntet wurde, dann wird die Sache, sagen wir mal vom Gewissen her betrachtet, interessant. Das geht dann weiter beim Kakao, Bananen und dem T-Shirt. Die Liste ist sehr lang. Wir sitzen da alle drin – in diesen ethischen Dilemmata.

Der Soziologe Stephan Lessenich sagte mal in einem Spiegelinterview: „Im Endeffekt ist es uns scheißegal, welche Effekte unser Kaffeekonsum auf das Leben anderer hat. Und wenn wir mal ethisch konsumieren, dann in erster Linie, weil wir uns dann selbst besser fühlen.“ Also nochmals zur Tasse greifen und zurück zum Anfang: Schmeckt der Kaffee?

Euer Patrick


12.01.2022

Nun ist es soweit: Kein Übermensch mehr. Kein gottgleiches Wesen. Denn meine Kinder können und wissen mittlerweile in einigen Bereichen mehr als ich. Ja, sie sind geradezu Experten auf Gebieten, die ich mir nun auch aneignen möchte, damit ich wenigstens mitreden kann. Aber das stimmt eigentlich nicht ganz. Ich kann mich für diese neuen Hobbys sogar begeistern. Lerne dazu und es eröffnen sich gar neue Welten.

Aktuelles Beispiel ist die Vogelbeobachtung oder der etwas schickere Begriff: Birding. Vögel zu beobachten war in meinem Leben nie ein Thema. Wenn wir in Wallnau waren, dann schaute ich etwas schmunzelnd zu den in grün gekleideten Menschen, die nicht mit Fernglas, sondern mit Spectiv unterwegs waren. Ich fragte mich, was die so spannend am Vogelbeobachten finden. Irgendwie speziell so die eigene Freizeit zu gestalten. Und nun gehöre ich schon fast zu diesem Schlag Mensch dazu. Also wirklich nur „fast“. Ahnung habe ich wirklich kaum. Aber meine Tochter. Die hat über dem Bett ein sehr großes Poster mit verschiedenen Vögeln hängen. Vor dem Schlafengehen zeigt sie auf einen Vogel, deckt mit den Händen die Bezeichnung zu und fragt mich, was das denn für ein Vogel sei. Sagen wir mal so: Ich werde langsam besser mit den Antworten. Aber ihre Faszination wird mit der Zeit auch meine. Spaziergänge und Ausflüge bekommen einen neuen Aspekt – eine andere Aufmerksamkeit. Birding ist unser neues Geocaching.

Dabei bleibt es aber nicht mit der Vogelliebe. Da ja Hühner auch Vögel sind und meine Tochter da keinen Unterschied zu einem, sagen wir mal, Buchfink oder Zaunkönig machen möchte, kommt eben dieses (das Huhn) nicht mehr auf den Teller. Wir essen keine Vögel mehr. Wir schauen sie uns an, freuen uns, wenn wir sie bestimmen konnten und dann wird die Sichtung in ein Buch eingetragen.

Man geht also anders durch die Welt als Birdwatcher. Man erlebt die Welt als eine andere. Mit verklärtem Pathos ausgedrückt: Vögel wecken eine Sehnsucht nach Freiheit, die für uns Menschen unerreichbar ist. Denn leider gibt es auch die unromantische Vogelbeobachtung: Vögel, die gegen Gebäude fliegen. Vögel, die von den Hauskatzen gefressen werden. Und Vögel, die es nicht rechtzeitig von der Straße schaffen und die schon erwähnten Vögel, die auf unserem Speiseplan stehen. (Die Vogelgrippe darf sich hier dann auch noch einreihen.) Aber das sind jetzt wieder ganz erwachsene Gedanken. Der Hang zum Realismus, der stets ein Stück Pessimismus in sich trägt. Frage ich meine Tochter, bekomme ich die Antwort: Vögel sind toll, weil sie schön und interessant sind und weil sie fliegen können.

Da lerne ich dann schon wieder etwas von meinen Kindern. Durch Faszination Freude erleben und Unbeschwertheit zulassen und die Erkenntnis, dass es noch viele Welten zu erschließen gibt, für die ich bisher kein Interesse oder Verständnis hatte. Übrigens: Der Übermensch oder ein gottgleiches Wesen war ich nie. Vielleicht einfach nur ein wenig überheblich.

Euer Patrick


29.12.2021

Zeit für Blödsinn. Zum Jahresende kommt dieser vermehrt in Form von Orakeln, Horoskopen und guten Vorsätzen zum Vorschein. Für den Spaß ist das schon in Ordnung, aber bitte nicht ernst nehmen. Ich selbst mag das Überraschungsei-Orakel. Man sitzt in fröhlicher Runde. Jede und jeder hat ein Überraschungsei. Es wird geöffnet und das Spielzeug bzw. die Figur wird allen Anwesenden gezeigt. Nun dürfen alle zu dem Gegenstand orakeln, was es denn für die Person für das nächste Jahr bedeutet oder symbolisiert. Ein Auto könnte bedeuten, dass man eine Reise macht oder etwas plumper: Ein neues Auto. So geht das Spiel reihum und man hat sein Spaß; dazu auch noch Schokolade. Es ist dem Bleigießen ähnlich und kein vernünftiger Mensch käme auf die Idee diese Sache ernst zu nehmen und das nächste Jahr dahingehend auszurichten und sich darauf zu verlassen. Das gilt eben auch für Horoskope. Für alle. Nicht nur für die in der Tageszeitung, sondern auch für die teuer bezahlten. Ich werde auch schnell ungehalten, wenn jemand die Wörter und Bedeutungen von Astrologie und Astronomie verwechselt. Da kann es einen ganz schön schütteln. Letzteres ist eine Pseudowissenschaft, da sie Wissenschaftlichkeit beansprucht, es aber nicht ist. Die Konstellation der Planeten soll da Einfluss auf unser Leben haben. Nun gut, vielleicht wäre es da besser den Einfluss seines eigenen Handelns zu betrachten und sich eher darüber Gedanken zu machen.

Zwischen den Jahren gibt es Jahresrückblicke und die Jahresvorausblicke. Wichtig ist jedenfalls nicht, was du zwischen Weihnachten und Neujahr isst, trinkst, machst und sagst, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten. Von daher will ich mal nicht so sein und diese Tage kann man sich der Mondfühligkeit oder dem Gummibärchen-Orakel (Das gibt es für diejenigen, die nicht so gern Schokolade essen.) hingeben. Hauptsache der Rest des Jahres wird wieder mit Vernunft gedacht und gehandelt. Das ist natürlich hier hübsch hingeschrieben: Vernunft. Ein großes Wort. Viel zu groß für eine kleine Kolumne, aber auch viel zu wichtig sich davor zu scheuen. Erkenntnis und richtiges Handeln. Zuvor hat unser Verstand durch Beobachtung und Erfahrungen Sachverhalte erfasst.

Das Spielzeugauto aus dem Überraschungsei kann ich also ganz gut mit meinem Verstand betrachten. Auch wie es zu mir gekommen ist und wie diese ganze Orakelsituation einzuschätzen ist, wenn mir sieben Leute was zur Bedeutung des Autos erzählen. Meine Vernunft ist nun mit den Schlussfolgerung dran und sagt mir: Alles Blödsinn! Aber ich weiß auch, dass im nächsten Jahr irgendetwas mit dem Auto sein wird. Irgendetwas muss immer repariert werden. Da brauche ich kein Orakel.

Euer Patrick


15.12.2021

Veränderungen tun gut, auch wenn man sie nicht wahrhaben möchte. Die Angst vor Veränderungen treibt so manchen in die Tradition – ohne zu hinterfragen. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, solange es nur einen selbst betrifft. (Vgl. hierzu die Kolumne vom 14.04.21) Herausfordernd sind die eigenen Wesensveränderungen. Ich meine alles, was die eigene Person betrifft. Also Charakter, Leidenschaften, Interessen, Werte oder Ideologie. Zu jedem Zeitpunkt des Lebens denken wir fertig als Person zu sein. Die richtige Einstellung zu den Dingen zu haben. Vielleicht auch mit dem Wunsch sich in der einen oder anderen Sache zu verbessern. Oder auch mal etwas Neues lernen und machen. Aber die eigene Persönlichkeit steht da unberührt. In der Rückschau zeigt sich dann schnell wie falsch man in der Vergangenheit lag. (Vielleicht ist es hier besser zu sagen, dass man nicht falsch lag, sondern einfach anders dachte und fühlte.)

Es gibt Musik, die höre ich seit meiner Jugend noch gern. Ohne Peinlichkeiten. Ok, ich muss arroganterweise sagen, dass ich schon immer einen recht guten Musikgeschmack hatte. Aber ich höre mittlerweile auch Musik, die ich vor zehn Jahren wie der Teufel das Weihwasser gemieden hätte. Und da sind wir schon bei der Crux: War mein Musikgeschmack doch nicht so toll, wie ich dachte oder ist er jetzt etwa zu rosa Kaugummi geworden? Zum Glück weder noch. Ich habe mich einfach verändert – ohne Wertung. Peinlich ist nur die Arroganz der Vergangenheit. Und in zehn Jahren schaue ich wieder zurück und schüttel möglicherweise leicht den Kopf und denke mir: „Man, man, man.“

Als ich in der Grundschule war, ich erinnere mich noch sehr gut an diese eine Schulstunde, da sollten wir versuchen die Zeit zu malen. Die meisten von uns malten Blumen oder Pflanzen. Zuerst ein Samenkorn, dann ein Pflänzchen, zum Schluss eine prächtige Pflanze mit großen Blüten. Wir waren mit dieser Veranschaulichung der Zeit zufrieden und das Gespräch mit der Lehrerin hatte zum Ergebnis, dass wir Zeit eben als Veränderung wahrnehmen. In dieser Anordnung fehlten natürlich noch Bilder und es war auch nicht wichtig für die Übung diese zu malen. Aber heute würde ich zwei Bilder hinzufügen: Zum einen wie die prächtige Pflanze ihre Kraft verliert und sie erste Blätter verliert und zum anderen ein Bild mit den Überresten dieser Pflanze, die eingegangen, vergangen, gestorben ist. Natürlich machen diese letzten beiden Bilder keine Freude, aber sie gehören dazu.

Es ist so leicht in die eigene Vergangenheit zu schauen und alles mögliche an einem selbst zu kritisieren (oder gar bei anderen), aber vielleicht liegt es daran, dass wir diese prächtige Pflanze nicht als solche aushalten, während wir schon die ersten Blätter verlieren. Also zurück zum Anfang: Veränderungen tun gut, auch wenn man sie nicht wahrhaben möchte. Da kann es sogar passieren, dass im Frühjahr die Pflanze wieder neue Blätter bekommt und sich denkt: „Hätte ich das gewusst, dann wäre ich im Winter viel fröhlicher gewesen.“

Euer Patrick


01.12.2021

Dann lasst uns mal in das Neologismenwörterbuch vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache schauen. Das versammelt über 1500 neue Wörter, die durch die Coronapandemie in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen sind; und die Liste wächst weiter. Neben (jetzt schon) Klassikern wie „Lockdown“, „Maskenpflicht“ oder „Zoomparty“ gibt es auch Wörter wie „Abstandsnudel“ (Eine Poolnudel als Abstandsmesser.), Krisenfrise (Ja, genau das.) oder die Frischluftquote (Anteil der frischen Luft in einem Raum zur Wahrung der Hygienestandards). Mit dieser Auswahl lassen sich herrliche Sätze bilden wie: „Ein Maskenvermeidungsesser ist jemand, der ständig etwas isst, um keine Maske tragen zu müssen. Man findet solche Leute oft auf Deppenparaden, da sie für Öffnungsorgien demonstrieren.“

Es ist schon erstaunlich, wie natürlich einige Wörter mittlerweile im Gebrauch sind. Andere hingegen sind eher etwas zum Schmunzeln. Wiederum andere zeugen vom Elend oder vom gesellschaftlichen Abgrund. Da gab es auch die Tourismusphobie. Die Angst der ortsansässigen Bevölkerung vor (zu) vielen Urlaubern im eigenen Land – oder auch Insel. Wir erinnern uns. Neue Wörter bilden eben auch die Zeit ab, in der sie entstanden sind. Einige werden bleiben, andere mit der Zeit verschwinden. Und dann gibt es ja noch Wörter, die nicht neu sind, aber auf neue Art und Weise benutzt werden. Aktuell ist es der „Instrumentenkasten“. Der soll voller Möglichkeiten und Maßnahmen stecken. Es gibt auch Menschen, die finden seinen Inhalt eher mager. Wie auch immer sein Inhalt zu bewerten ist, zumindest haben wir ein gutes Wort. Andere Wörter hingegen werden ihrem Kern beraubt und sie werden inflationär abgenutzt. Zum Beispiel „Freiheit“. Was heutzutage alles unter Freiheit zu verstehen sein soll, ist schon an Arroganz nicht zu überbieten. Aber was soll‘s – zumindest konnte man sich freitesten.

Das kann einen ganz schon mütend (sic!) machen, besonders wenn man gerade wieder overzoomed ist. Außerdem werden wir müde und unzufrieden, da mittlerweile die Erkenntnis da ist, dass nun gar nichts mehr sicher ist. Morgen ist vielleicht schon wieder alles anders. Das kann in der dunklen Jahreszeit ganz schön bedrücken. Also besser noch ein paar neue Wörter für das Lächeln: „Zellstoffhamster“ (Person, die einen unnötig großen Vorrat an Toilettenpapier anlegt.), „Nasenpimmler“ (Person, die eine Nasen-Mund-Bedeckung nur über dem Mund trägt, sodass die Nase frei bleibt.), Bratwurstimpfung (Vakzination gegen SARS-CoV-2, bei welcher die zu vakzinierende Person zusätzlich eine kostenlose Fleischspezialität erhält.) oder auch der Schnutenpulli – das ist ein Munaschu.

Euer Patrick


17.11.2021

Allein. Das bedeutet „einsam“, „ohne Gesellschaft“. Für die meisten Menschen bedeutet dies zunächst nichts Positives. Das kann auch Angst machen. In der Tat ist ein ständiges Alleinsein oder ein Leben in Einsamkeit der Gesundheit nicht förderlich. Ich denke aber, dass das Gegenteil ebenso problematisch sein kann. Die ständige Geselligkeit kann auf Dauer auch so ihre Folgen haben. Wie so oft ist das Maß entscheidend. Wir Menschen brauchen andere Menschen – klar. Aber wir brauchen auch die Auseinandersetzung mit uns selbst, durch uns selbst. Das geht, wenn wir mal alleine sind. Ob es nun die kleinen einsamen Momente im Alltag sind oder die Tage und Wochen allein auf Reisen; wir sollten uns diese Einsamkeiten gönnen.

Das sollte man nun nicht verwechseln mit dem Herauskommen aus dem Alltag oder der Flucht vor der Familie. So nach dem Motto: Ich brauche mal Abstand. Ich brauche mal Zeit für mich. Nein, das ist nicht die richtige Denke und Herangehensweise. (Aber natürlich hin und wieder verständlich.) Es geht mir schon um den eher großen Gedanken. Daher hier ein Zitat von Hermann Hesse: „Nur im Alleinsein können wir uns selber finden. Alleinsein ist nicht Einsamkeit, sie ist das größte Abenteuer!“ Das klingt doch schon ganz anders. Ein Abenteuer ist aufregend und überraschend. Es verändert einen Menschen. Es macht uns reicher. Die Auseinandersetzung mit sich selbst kann gar nicht einsam sein – man hat ja sich selbst. Ich für meinen Teil führe ständig Selbstgespräche, nicht laut, aber in Gedanken. Da quatscht keiner zwischen. Glücklicherweise gehe ich mir selbst nicht auf die Nerven.

Nun funktioniert die Einsamkeit als Selbstbetrachtung in der Gegenschau zur Geselligkeit. Anders: Man genießt die Stille besonders, wenn es einem mal wieder zu laut wird. Noch anders: Ein Strandspaziergang ist am winterlichen, einsamen Strand etwas ganz anderes als im Sommer, wenn die Sonnencremeleiber und Strandspielzeuge einem ein Ali Mitgutsch Wimmelbild auf die Netzhaut jagen. Natürlich gibt es da viel zu entdecken. Nur hat es nichts mit einem selbst zu tun. Da kann man sich ganz schön einsam in dem Gewimmel fühlen.

Die großen Fragen des Lebens können wir uns nur selbst beantworten. Also rein in das Alleinsein und ab ins Selbstgespräch, denn – hier bemühe ich nochmals Hesse: „Man hat nur Angst, wenn man mit sich selber nicht einig ist.“

Euer Patrick


03.11.2021

„Wetten, dass..?“ kommt wieder. Diesen Samstag. Im ZDF. Moderiert von Thomas Gottschalk. Mit Baggerwette und was eben zu einer „Wetten, dass.. ?“-Show gehört. Es ist ein Leichtes, das für überflüssig, dämlich oder auch unangemessen zu halten. Hängt vielleicht auch davon ab, wie man in der Vergangenheit zu der Sendung stand. Ich freue mich auf die Show, obwohl ich da wahrscheinlich kaum etwas mögen werde. Von der Musik bis zu den gequälten Gesprächen mit den Promis auf dem Sofa. Aber ich mag das Grundgefühl des Abends. Dieses Stück deutsche Fernsehgeschichte. Ein Abend für die ganze Familie vor dem Flimmerkasten – die gute alte Zeit. Stimmt natürlich nur bedingt. In den Erinnerungen betrügen wir uns ja selbst. Aber es geht mir um das Gefühl „Deutschland schaut gemeinsam Fernsehen“. Und Österreich und die Schweiz schauen ja auch noch zu. Herrlich. Wie gesagt, es ist nur das Gefühl. Nicht alle schauen sich das in Wirklichkeit an.

Für mich hatte diese Show, und so wird es diesen Samstag auch sein, immer etwas von sogenannten „Car-Crash TV“. Also eine Sendung, die mit ihren verstörenden Bildern eine gewisse Faszination beim Zuschauer auslöst. Man will eigentlich nicht hinsehen, muss es aber irgendwie dann doch. Am Ende fragt man sich dann: „Warum habe ich mir das angesehen?“ Macht man sich diesen Umstand aber bewusst, dann bleibt das Gewissen rein und der Spaß tritt in den Vordergrund. Ich habe jetzt schon Spaß bei dem Gedanken daran, wie Thomas Gottschalk sprachlich herrlich fehltreten wird. Und ich hoffe, dass dies nicht zu ernst genommen wird. 2008 sagte Gottschalk im „Spiegel“: „Ich mache mitunter albernes, aber schmerzfreies Unterhaltungsfernsehen, zynismusfrei und generationsübergreifend. Ich nenne es Überheblichkeit, wenn mir und den Leuten so was madig gemacht wird.“ Manche Dinge dienen eben keinem höheren Zweck; sie haben keinen Tiefgang, keinen doppelten Boden. Sie dienen zur Unterhaltung. Ihre Trivialität mag nicht jeder Mensch. Aber man muss ja auch nicht einschalten.

Jedenfalls ist es Unterhaltung. Mehr nicht. Echt nicht. Es ist ein Abend auf der Couch, bei dem sich die Familie gegenseitig erklären muss, was da gerade zu sehen ist oder wer diese Schauspielerin ist. Oder was an der Wette jetzt schwer sein soll. Am Ende ist alles egal. Hauptsache Thomas überzieht wieder ordentlich. Es soll eine einmalige Jubiläumssendung sein. Wer weiß – vielleicht kommt ja noch was. Ach, ich freue mich. Aber eine Sache habe ich vergessen. Da war ja etwas. Gar nicht trivial. Keine leichte Unterhaltung. Car Crash-TV. Da war Samuel Koch.

Euer Patrick


20.10.2021

Man kann ja über alles streiten. Auch über die Frage, ob ein Punkt in einem Text kursiv dargestellt werden kann oder nicht bzw. ob man es denn überhaupt sollte. Das waren Fragen, über die ich mit meinen Kolleg*innen während meiner Tätigkeit an einem Forschungsprojekt zur Edition von Predigtnachschriften brütete. Es handelten sich um handschriftliche Texte, die „Fans“ des Predigers vor etwa 200 Jahren mitgeschrieben hatten. Wir haben daraus lesbare Bücher gemacht, bei denen bestimmte Sachverhalte durch die kursive Schreibweise dargestellt wurden. Etwa eine Hinzufügung zur besseren Lesbarkeit von uns, wenn z. B. ein Punkt fehlte. Die Leser*innen sollten unterscheiden können, was ist original und was wurde verändert oder hinzugefügt. Nun ja – über solche Dinge haben wir dann lebhaft diskutiert. Das mag skurril klingen, aber beim wissenschaftlichen Arbeiten muss es eben sehr genau und nachvollziehbar sein. Es war auch amüsant, aber mit ein paar Jahren Abstand bin ich nicht ganz sicher, ob diese stundenlangen Dienstbesprechungen wirklich sinnvolle Lebenszeit waren.

Diese Frage ist ohnehin nicht sinnvoll, denn welche Lebenszeit ist nun die sinnvolle? Die mit der Familie? Na klar. Wobei mit der ganzen Familie? Siehste, da geht es schon los. Oder die Zeit auf der Autobahn oder im Zug? Meist wohl nötig, aber auch sinnvoll? Manchmal sind die Dinge, die unsere Lebenszeit beanspruchen, schlicht unvermeidbar. Der tiefere Sinn bleibt vielleicht verborgen. Oder es ergibt eben keinen Sinn – so meint man vielleicht. Denn Sinn im Sinne (!) von Zweck oder Ziel steckt in jeder Tätigkeit und im Nichtstun. Auch wenn es von außen betrachtet nicht so erscheinen mag; wenn andere Leute darüber urteilen, dann hat es keine Bedeutung. Es geht ja um die eigene Lebenszeit.

Da sind wir schon beim Sinn des Lebens. Keine Sorge. Die Frage werde ich hier nicht beantworten. Denn ich halte die Frage nach dem Sinn des Lebens für eine falsche Frage und den Anspruch sie zu beantworten für überheblich. Ich denke, dass wir unser Leben selbst mit Sinn füllen sollten. Uns und unserem Dasein Sinn geben. Das erspart die Fragerei und das Gesuche. Außerdem kann niemand von außen mit einer windigen Idee uns einen Sinn aufquatschen.

Die Damen und Herren, die damals die Predigten auf die kleinen Zettel mitgeschrieben hatten, hielten das sicherlich für eine sinnvolle Tätigkeit. Es gab da bestimmt auch Leute, die das reichlich merkwürdig fanden. 200 Jahre später bearbeitet ein Atheist diese Schriften und macht sie für die Nachwelt zugänglich und lesbar. Ob das alles Sinn ergibt? Man kann ja über alles streiten.

Euer Patrick


05.10.2021

Ich schaue selten bis nie wehmütig in die Vergangenheit. Es hilft nicht und erzeugt diese stille Trauer. Zwar kann diese Form von Traurigkeit auch von Erheiterung und Freude begleitet werden, da die Erinnerungen vielseitig sind und die Vergangenheit eine Gemischtwarenhandlung sein kann, und doch mag ich es nicht, mich in meine Kindheit und Jugend zu verlieren. Aber – jetzt kommt das große „Aber“ – die Begeisterung, die ich als Kind für bestimmte Dinge hatte, gibt es noch immer, ganz ohne Wehmut. Besonders schön ist es, wenn ich die mit meinen Kindern teilen kann. Also jetzt mal ganz konkret: Ich war mit meinem Sohn in der Star-Wars-Ausstellung. Herrlich sich in diese Welt zu verlieren und sich einfach für die Szenerien zu begeistern. Ganz ohne Wehmut, denn an dem Tag wurde eine neue Erinnerung erschaffen. Gut, vielleicht schaue ich in zwanzig Jahren wehmütig auf diesen „Papatag“ (So nennen wir solche Ausflüge.) zurück, aber was soll mich das jetzt beschäftigen. Dieses gemeinsame Erleben und das zugehörige Fachsimpeln ist natürlich purer Eskapismus. Das soll es auch sein – jedenfalls für mich als Erwachsener. Für Kinder ist es oft Teil der Wirklichkeit; da ist keine Flucht nötig.

Weiterhin beobachte ich, dass solche Dinge wie Star Wars bei Erwachsenen analysiert, kritisiert und dann sogar persönlich genommen wird. Dadurch wird einem doch der ganze Spaß genommen. „Das ist nicht mehr mein Luke Skywalker!“, heißt es dann ganz empört. Als ob er es jemals war. Wir können die Gefühle, die wir als Kinder bei Filmen, Büchern, Musik oder beim Spielen hatten, nicht einfach wiederholen. Das Schlimmste am Erwachsensein ist die Abkoppelung von der eigenen Kindheit. Wir sind unserem kindlichen Selbst fremd geworden. Es würde mich nicht wundern, wenn so mancher bei einer Begegnung mit der eigenen jugendlichen Person, kleingeistig mit Verachtung in den Augen ins Selbst blickt. Das ist derselbe Blick auf die Menschen, die gerade mit eben dieser Begeisterung zu solchen Ausstellungen gehen, sich wie die Helden der Kindheit verkleiden oder ein Zimmer mit Comics, Postern und Spielsachen unterhalten. Dieser Blick eines Erwachsenen, der nicht erwachsen geworden ist, sondern sich eher entwachsen oder verwachsen hat. Da wurde aus Wehmut irgendwann Missmut und dann kommt leider der Hochmut. Schade.

Als wir wieder von der Ausstellung zu Hause waren, haben wir – na klar – Star Wars geschaut. Nicht nach der Reihenfolge der Entstehung, auch nicht nach der filmischen Chronologie (Ich weiß, dass dies hier für Menschen, die nicht im Thema sind, absolut nichtssagend ist, aber die haben wahrscheinlich ohnehin nicht bis hierher gelesen.), sondern einfach mal im hinteren Drittel begonnen. Was soll‘s? Spaß und Begeisterung müssen sich nicht an Regeln halten. Da darf man auch mal mutig sein. Ohne Weh, Miss oder Hoch. Möge die Macht mit euch sein.

Euer Patrick


22.09.2021

Es heißt ja so schön, dass Reisen bildet oder etwas anders sagte es Mark Twain: „Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit.“ Es ist also auf jeden Fall lohnenswert andere Länder, Kulturen und natürlich Menschen kennenzulernen, als stets auf der eigenen Scholle zu leben. Ich kann jetzt zwar nicht sagen, dass ich gebildeter oder gar schlauer von unserer Reise nach Genf zurückkehrte, dafür aber beeindruckt. Nicht direkt von der Stadt, sondern von der Wissenschaft. Wir besuchten Freunde dort und der Simon ist Physiker und arbeitet am CERN. Daher hatten wir die Möglichkeit eine persönliche Führung zu bekommen und auch in ein paar Bereiche zu gelangen, die für den normalen Besucher nicht zugänglich waren. Ich selbst kenne mich nicht mit Kernforschung bzw. Teilchenphysik aus, aber ich finde es faszinierend. Der Simon konnte auch alles sehr gut erklären, sodass sich so einiges erschloss.

Ich kann und will nicht ins Detail gehen, aber in diesem Teilchenbeschleuniger werden eben Teilchen beschleunigt und prallen dann auch aufeinander und es entstehen neue Teilchen und es wird dann viel gemessen. Und das passiert da ständig. Es entsteht eine Unmenge von Daten. Sehr viele Daten. Übrigens ist dort auch das Internet aus diesem Grund als Nebenprodukt entstanden. Tim Berners-Lee wollte, dass die Informationen zwischen den französischen und schweizerischen Wissenschaftlern schneller und einfacher in einem Netzwerk fließen sollten. Die Geburtsstunde des WWW. Ein recht unspektakuläres Schild in einem kleinen Gang zeugt und berichtet davon. Aber zurück zu den Daten. Die sind überall. Wir sind in die Kantine, um etwas zu essen, und auch dort sind Monitore, die auch überall sind, und sie zeigen die Daten an. Das war das, was mich so beeindruckte. Während wir über das Gelände gingen oder in der Kantine einen Kaffee tranken wurden diese Teilchen ständig aufeinander geschossen und es wurde gemessen. Für die Mitarbeiter dort, für Simon, alles ganz unaufgeregt. Das ist auch verständlich, wenn es die tägliche Arbeit ist. Ich dachte dabei aber ständig an Goethes Faust bzw. an den Satz: „Dass ich erkenne, was die Welt // Im Innersten zusammenhält.“ In der Wissenschaft fand Faust leider keine Antwort und so nahm mit Magie und Teufel das Unglück seinen Lauf. Auch heute meinen Menschen in Magie und irgendwelchen alten unbelegten Lehren ihr Glück und ihre Welterklärung zu finden. Dabei gibt es Menschen wie Simon, die ehrlich so viel von der Welt erklären, wie es gerade möglich und verantwortbar ist. Geradezu mit Demut.

Diese Reise nach Genf ist schon einige Jahre her und noch immer bin ich beeindruckt, wenn ich daran zurückdenke. Ich hatte das Gefühl, dass dort wirklich was Wichtiges passiert. Ohne es beurteilen zu können, aber ich verschenke gern mein Vertrauen an diejenigen, die etwas von ihrem Gebiet verstehen – ohne Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit.

Euer Patrick


08.09.2021

Schon Weihnachtsgeschenke besorgt? Ich auch nicht. Aber die Gespräche über Weihnachten häufen sich bei mir bereits. Gerade nach dem letzten Coronaweihnachten werden die Karten neu gemischt oder besser gesagt: Es darf weitergemischt werden. Zurück zur großen Familienfeier oder doch lieber im ganz kleinen Kreis. Oder eben, war letztes Jahr auch schwierig, verreisen und dem Wahnsinn entfliehen. Reden wir also über Weihnachten, damit wir es im Dezember nicht tun müssen.

Der besagt Wahnsinn ist ja, dass wir uns unnötige Erwartungen, Wünsche und Verpflichtungen aufhalsen und diese nur für ein paar Tage im Jahr. Aber sie beanspruchen viel Zeit, Kraft und Verhandlung. Versteht mich jetzt nicht falsch. Ich habe etwas für das Fest übrig. Da gibt es einiges Schönes, aber das steht doch in keinem Verhältnis zu dem Aufwand und dem allseits bekannten familiären Konfliktpotenzial. Und außerdem möchte ich mich nicht schon im September damit auseinandersetzten müssen. Ja klar, es ist schon meine Entscheidung das zu machen oder eben nicht. Hätte hier auch ein anderes Thema ansprechen können. Aber das Thema kam halt auf den Familientisch. Zumal mein Sohn am Abend gern und täglich die Geschenkwünsche besprechen möchte. Das geht auch ganz gut, denn er hat im Mai Geburtstag und somit ist diese Geschenkesache gut im Jahr verteilt. Als ich in dem Alter war, hatte ich einen Freund, der am 23. Dezember Geburtstag hatte und ich konnte damals schon verstehen, dass das für ihn nicht nur nicht toll, sondern auch richtig frustrierend sein konnte – alles auf einmal und irgendwie nicht richtig voneinander abgegrenzt.

Also reden wir allabendlich über Weihnachtswünsche und es geht dabei nicht – Obacht – um Weihnachten. Das wäre schon etwas zu einfach und ich schreibe doch nicht im September über Weihnachten … . Es geht vielmehr um Verlässlichkeit und Sicherheit; es geht um Tradition im besten Sinne. Auch um Wiederholung und Beständigkeit. Sich gedanklich damit einzukuscheln und sich mit Geschenkvorstellungen in Aufregung und Befriedigung zugleich zu versetzen. Denn das Ende ist nah. So ist das weihnachtliche Grundgefühl: Ende des Jahres. Also einen ruhigen Abschluss finden, der einem dann so dermaßen die Realität mit dem Januar vor Augen einen vor den Latz ballert, dass kollektiv an Silvester die Sau rausgelassen wird.

Denn dann kommt das allseits bekannte Erwachen. Die Zeit schreitet voran. Die Probleme sind alle noch da. (Lebkuchen schmeckt nicht mehr.) Die Aufgaben müssen erledigt werden und das nächste Weihnachten kommt bestimmt. Da man sich diesem Rad nicht gänzlich entziehen kann, hilft es, wenn man es denn möchte, umzudenken. Daher ist es schön und gut, jetzt schon über die Weihnachtsgeschenke zu sprechen. Und wie wäre es, diese jetzt schon zu besorgen und zu verschenken? Bei dem Gedanken zieht sich was in der Brust zusammen. Das geht dann doch irgendwie nicht. Den Kindern jetzt schon die Geschenke machen? Und was ist dann an Weihnachten? Was sind wir doch unfrei und bräuchten es nicht sein. Daher wiederhole ich die anfangs gestellte Frage: Schon Weihnachtsgeschenke besorgt? Meinem Freund aus der Kindheit hätte es wohl gefallen.

Euer Patrick


25.08.2021

In Fahrtrichtung oder entgegen der Fahrtrichtung sitzen – das ist nicht jedem egal. Das eine kann angenehmer sein oder das andere sogar schädlich, da einem übel wird. Aber ob Zug oder Bus, es ist keine große Sache. Man setzt sich einfach so, wie man es eben gern hat. Spannend wird es aber, wenn wir dieses Bild auf die Zeit (an sich) anwenden. Zum Beispiel wie man sprachlich die Zeit darstellt und beschreibt. Unser grammatikalisches System etwa entspricht dem Sitzen zur Fahrtrichtung. Wir sehen, was auf uns zukommt. Die Vergangenheit liegt hinter uns. Schwieriger für mich zu verstehen war das Verständnis der Zeit im Althebräischen, denn da meinte mein Lehrer, dass hier das Verhältnis der Zeiten zueinander anders aufgefasst wird. Denn man fährt zwar in die dieselbe Richtung sitzt aber entgegen der Fahrtrichtung; der Blick also auf die Vergangenheit gerichtet, während man sich in die Zukunft bewegt. Es ist, wie so oft, die Perspektive, die den Unterschied macht. Denn obwohl die Fahrtrichtung dieselbe ist, ist die Betrachtung des Weges eine ganz andere.

Da mag ich mir doch glatt das ganze Leben in dieses Bild packen. Wenn schon denn schon. Also wie gehe ich durchs Leben? Den Blick auf das Ziel gerichtet und das Vergangene im Rücken? So dachte ich es immer, aber absolut ist das nicht mehr. Ich erlaube es mir, mich mal umzudrehen und nach hinten zu schauen. Jetzt nicht gerade wehmütig, aber mit ein wenig Neugierde, ob das alles so ok war. Die vergangenen Tatsachen selbst ändern nichts mehr, deren Betrachtung kann jedoch für die Zukunft hilfreich sein. Ihr kennt den Spruch: Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Meint auch: Aus den Erfolgen der Vergangenheit lernen. Der Kern ist also das Lernen. Und doch machen immer wieder und wieder dieselben Fehler. Wir ganz persönlich, aber auch im Großen. Kein Wunder, wenn wir die Fehler (so die eigene Wahrnehmung) der Eltern wiederholen. Die gleichen Sprüche bei Tisch oder zum Thema Kinderzimmeraufräumen. Wir nerven unsere Kinder, wie auch wir genervt wurden. Nicht gerade sinnvoll. Und so einen Spruch wie: „Das hat uns ja auch nicht geschadet“, ist schon gewagt. So ein Schaden lässt sich gut verdrängen. Niemand gibt gern seinen Schaden zu. Also: Mein Kinderzimmer war stets eine Katastrophe. Aufräumen auf Kommando eine Qual und Aufräumen aus eigenem Antrieb ein großer Spaß. Leider hat das Kommando den Antrieb oft ausgebremst. Bei meinen Kinder wiederholt sich das Thema natürlich und es könnte mich aufregen.

Glücklicherweise hatte ich einen guten Hebräischlehrer und daher setze ich mich entgegen der Fahrtrichtung und betrachte das Geschehen wie es geschieht und geschehen ist. Es erlaubt mir, mein Kind und mich als Kind zusammen zu betrachten. Da stellt sich dann so ein Gefühl ein. Eine gewisse Entspannung und Beruhigung. Ach, da gibt es auch einen Spruch für: „Dat löpt sich allens torecht!“

Eurer Patrick


11.08.2021

Endlich wieder Flohmarkt! Es war mal wieder schön auf einem großen Flohmarkt mit den Kindern nach kleinen Schätzen zu suchen. Coronabedingt war das leider lange nicht möglich. Unsere Ausbeute war nicht schlecht: Batmanstofftier, Beatlespuzzle, Playmobil, Spidermanactionfigur.

Es kann jetzt natürlich sein, dass nicht jede*r Leser*in was mit diesen vier Wörtern anzufangen weiß. Ein Wort wie „Spidermanactionfigur“ ist schon speziell. Nicht allein die Mischung aus englischen und deutschen Wörtern, sondern möglicherweise auch die Unkenntnis darüber, was oder wer „Spiderman“ ist. Es gibt einfach viele Dinge und Themen in der Welt. Dass man nicht alles wissen kann, ist klar. Aber gibt es denn noch Dinge, die man wissen wollte? Sind das die Inhalte, die wir in der Schule lernen oder gerade die Sachen, die man eben nicht in der Schule lernt? Oder beides? Und gehört Spiderman nun dazu oder nicht? Ähnlich ist es auch mit Büchern, „die man gelesen haben sollte“. Da gibt es den einen Kanon oder den anderen Kanon. Davon getrieben habe ich mich auch schon durch den einen oder anderen Klassiker gequält. Den persönlichen Geschmack gibt es eben auch noch. Daher habe ich kein Problem damit ein Buch oder auch einen Film abzubrechen, wenn mich der Anfang nicht überzeugt. „Aber am Ende wird es noch richtig spannend.“ Mag sein. Vielleicht. Wenn mich der Weg zum spannenden Finale nicht überzeugt, dann lasse ich es lieber.

Und schon sind wir wieder beim Flohmarkt. Mal davon abgesehen, dass der Begriff „Flohmarkt“ äußerst sympathisch ist, ist ein solcher dazu noch spannend. Denn jeder Stand verspricht ein Schnäppchen oder einen Artikel, den man schon lange gesucht hat oder mit dem man gerade nicht gerechnet hat. Aufregung und Enttäuschung wechseln sich ab. Hinzu kommt, dass man keinen Artikel, den man findet oder eben nicht, wirklich überhaupt nicht braucht. Dadurch ist das Schlendern über den Flohmarkt eine sehr entspannte Angelegenheit. Kulturell unerheblich, aber zwischenmenschlich Gold wert. Denn das Feilschen gehört dazu und ist so eine Art Spiel. Aus zwei Euro wird ein Euro. Fertig. Bitte nicht zu ernst nehmen.

Von daher kann es ein wunderbarer Sonntag sein, wenn er das Abenteuer Flohmarkt beinhaltet und ich danach ein Buch lese, das ich selbst wirklich gut finde – egal wie andere es finden. Und ja, dann darf es auch Spiderman sein, denn Comics sind auch Literatur. Wenn mich dabei eine Spidermanactionfigur von der Seite anschaut, ist das schon recht stimmig. Irgendwann sind dann die eigenen Kartons voll und es geht wieder auf den Flohmarkt. Diesmal früher und wir stehen auf der anderen Seite. „Was soll der Spiderman kosten?“ „Einen Euro.“ „Fünfzig Cent?“ „OK.“

Euer Patrick


28.07.2021

Lesungen werden dann interessant, wenn nicht mehr vorgelesen wird. Es ist zwar schön, wenn man die Lieblingsautor*innen auf der Bühne sehen und dem Buchtext lauschen kann, aber das Buch kann man ja selbst lesen. Abwechslung und Freude bringen die Abweichungen, das Erzählen und Kommentieren abseits des festgesetzten Textes. Da wird es menschlicher und zugänglicher – unmittelbarer. Manchmal funktioniert das auch bei Konzerten. Die Ankündigung des nächsten Liedes kann interessant sein, aber eher selten. Beim Konzert geht es um den Musikgenuss und die Besonderheit, die Künstler*innen beim Gestalten und der kreativen Arbeit zu erleben. Das muss nun nicht noch groß erklärt werden. Anders bei z.B. Helge Schneider, denn bei ihm sind Musik und Gerede gleichsam unterhaltsam. Der hat nun ein Konzert abgebrochen, da ständig Kellner zwischen die Reihen gelaufen sind. Das hatte ihn dermaßen gestört, dass er nicht mehr weitermachen wollte. Seine Begründung war, dass er bei seinen Konzerten nicht einfach ein Programm abspult, sondern kreiert und in dem Moment künstlerisch ist. Das kann ich gut nachvollziehen. Da stellt sich auch die Frage, warum man ständig was zu Trinken und Essen haben muss, wenn gerade der Geist gefüttert wird?
Klar, mache ich mir auch gern eine Tasse Tee und schlage den Roman auf. Aber der Tee nervt dann ständig, da er ja auch noch getrunken werden muss. Bei einem schlechten Film kann ich gut eine Pizza essen. Bei einem guten Film denke ich nicht an Essen. Die Tasse Kaffee zur Zeitung ist eine Gewohnheit. Beides für sich zu genießen wäre schon angemessener. Im Falle von Herrn Schneiders Konzert hat es auch viel mit Höflichkeit zu tun. Höflichkeit und Respekt gegenüber dem Künstler – dem Menschen. Dem Kaffee oder der Zeitung gegenüber brauche ich eigentlich nicht höflich zu sein. Falsch. Stimmt nicht. Beides sind Produkte von Menschen und verdienen daher Respekt. Wie auch das Brot, die Konfitüre, der Tisch, das Licht der Lampe, die Lesebrille etc. Hinter all den Dingen stecken Arbeit, Kreativität, Freude, Mühe, Zeit und so vieles mehr von Menschen. Und nur weil wir es in der Regel bezahlt haben, verliert es nicht ihren Wert. Oder etwas anders ausgedrückt: Die belegten Brote oder die Apfelschnitze schmecken viel besser, wenn jemand anderes sie gemacht hat. Die bekommen einen Mehrwert. Es menschelt.
So auch bei der Lesung. Über den Buchtext hinaus soll es menscheln, denn bei einer Lesung lesen wir nicht selbst. Bücher selbst können uns schon zu Freund*innen geworden sein. Nun sollen es auch die Künstler*innen werden.
Wenn das Lesen, wie Marcel Proust sagte, eine Freundschaft ist, dann können auch andere Dinge Freundschaft sein. Wir müssen in den Dingen eben das Menschliche erkennen. Ob nun Apfelschnitze oder der Küchenstuhl. Hinter allem steckt immer ein/e Künstler*in.

Euer Patrick


14.07.2021

Im Laufe der Menschheitsgeschichte wurden schon so einige Sauen durch Dörfer getrieben. Unter anderem auch mehrere tausend Götter. Unterschiedliche Religionen und dazu eben unterschiedliche Göttervorstellungen. Viele sind in Vergessenheit geraten und andere sind noch oder wieder beliebt. Da gibt es Moden und auch Beständigkeit. Da gibt es Gemeinschaft, Diskussionen, Streit und sogar Kriege. Die ganze Palette menschlicher Abgründe und Liebesbeweise. Wenn man nun Lust hat an einen und mehrere Götter zu glauben, dann ist die Auswahl recht groß. Und wenn man nichts passendes findet, dann kann man ja sich was zurechtbasteln. Stichwort: Patchworkreligion. Aber viele bleiben dann doch bei dem, was sie als Kind kennengelernt haben. Da gab es keine echte selbständige Entscheidung. Kindern kann man ja viel erzählen. Schon recht unfair, denn was die Existenz einer Gottheit angeht, ist diese spekulativ. Religionen gibt es – ohne Frage. Aber ob es nun Götter gibt? Und welche dann? Alle 5000? (Das ist jetzt eine grobe Zahl der Götter, die im Laufe der Menschheitsgeschichte erdacht wurden.) Oder doch nur einer? Aber welcher von den dann?

Gut, das sind jetzt viele Fragen und die redlichste Antwort ist natürlich, dass eben keine Götter gab und gibt. Das darf ich so denken und schreiben. Das werden jetzt einige Leser*innen richtig blöd finden. Ja geradezu unmöglich. Genauso im umgekehrten Fall. Hätte ich jetzt geschrieben, dass es natürlich nur einen Gott gibt und zwar das Fliegende Spaghettimonster, dann wäre das auch nicht gut angekommen. Beim christlichen Gott hätte ich es eher bequem, da dieser hier im ländlichen Raum noch recht verbreitet ist. Also weniger Widerstand.

Das Thema kann schon emotional werden. Schwierig, es nicht persönlich zu nehmen oder gar einfach zu akzeptieren, dass es auch anders geht. Im Theologiestudium wird die Existenz des (christlichen) Gottes nicht wirklich in Frage gestellt. Da geht man mal die sogenannten Gottesbeweise durch und sieht auch ein, dass sie nicht funktionieren. Einer meiner Professoren meinte immer, dass wir uns in der Theologie nicht mit Gott selbst beschäftigen, sondern mit den Erfahrungen der Menschen mit eben diesen Gott. Ich merkte schnell, dass Theologie viel Rhetorik ist. Als ich mein Examen bestand, wurde direkt nach der Prüfung eine Andacht mit dem Bischof gehalten. Ein halbes Jahr später gefiel mir Gedanke, dass es keinen Gott gibt und habe beschlossen es sein zu lassen mit dem Glauben daran. Es tat nicht nur nicht weh, sondern war wie ein Befreiungsschlag – ein gutes Gefühl. Auch ohne Bischof.

Aber warum schreibe ich das hier überhaupt? Was hat meine Privatangelegenheit hier zu suchen? Nun ja, zum einen erlaubt es mir eine Kolumne per se mich zu äußern, wie es mir gefällt. Zum anderen schaue ich auf eine Entwicklung in der Gesellschaft, die eindeutig ist: Immer mehr Menschen treten aus den Kirchen aus bzw. die Mitgliederzahlen schwinden. Glaube im Sinne von Vertrauen auf eine Sache, die Halt gibt, ist vielfältig. Individuell in der pluralistischen Gesellschaft. Ich habe gelernt, dass es in Ordnung ist, was man selbst oder die anderen so glauben bzw. nicht glauben. Wichtig ist nur, dass man sein Gegenüber damit nicht behelligen sollte. Also halten wir uns einfach an das zweite norddeutsche Gebot: „Wat den een sien Uhl is den annern sien Nachtigal.“

Euer Patrick


30.06.2021

Hej!

Grüße aus Dänemark! Diese Zeilen habe ich in Dänemark geschrieben. Abgedruckt jedoch, jetzt da ich wieder auf Fehmarn bin. Nun ist es nicht mein Anliegen diese Kolumne als zu lang geratene Urlaubspostkarte zu missbrauchen, aber mein jährlicher Aufenthalt im Nachbarland ist für mich immer wieder eine Inspiration. Ob das nun am Land selbst oder an den Dänen liegt sei dahingestellt – es erginge mir bestimmt auch ähnlich an einem anderen Urlaubsort.

Aber natürlich ist Dänemark uns Fehmaranern sehr nahe. Keine Frage. Nicht nur geographisch. Ich selbst mag das Land, die Leute und einige besondere Produkte im Supermarkt. (Dass ich LEGO mag, haben aufmerksame Leser*innen wohl schon bemerkt.) Auch die Sprache mag ich sehr und das ist nun ein Thema. Vielleicht schon ein wunder Punkt: Ich kann kein Dänisch. Und es ärgert mich manchmal. Also es ärgert mich im Urlaub. Zuhause habe ich das schnell wieder verdrängt. Was mir missfällt ist die Tatsache, dass sehr viele Dänen ohne Probleme sehr gut deutsch sprechen. Fast alle richtig gut englisch und man selbst in der Kommunikation stets ganz klein wird und nichts anzubieten hat. Kein echtes Entgegenkommen meinerseits. Dass ich mir teilweise recht mühselig für das Studium Latein, Altgriechisch und Althebräisch einverleibt habe, es mir zwischenmenschlich jedoch wenig Nutzen brachte, nahm mir lange Zeit die Lust wieder eine Sprache zu lernen. Und für eine Woche Urlaub im Jahr scheint die Kosten-Nutzen Rechnung auch nicht besonders sinnvoll.

Doch ich habe noch Artikel im Hinterkopf von Menschen, die Sprachen lernen nur um bestimmte Autor*innen im Original lesen zu können. Das ist ja keine Kleinigkeit. Mindestens bemerkenswert. Vielleicht auch überambitioniert, aber zugleich auch nachvollziehbar. Ich muss zugeben, dass ich es mit dem Dänischen bereits halbherzig mit einer App probiert habe. Es machte Spaß, aber mit der Zeit sank Motivation und Engagement. Und hier im Dänemarkurlaub kommt beides wieder. Bis sie wieder im Alltag verschwinden.

Da hilft es, wie in vielen anderen Dingen auch, einen Gang runter zu schalten und eine Art Kompromiss zu finden. Eigentlich ist es nur ein Kompromiss für meinen persönlichen Sprachenkonflikt. Den Verkäufer*innen im dänischen Laden ist es wohl egal, aber vielleicht einfach ein paar Sätze und Formeln lernen und sprechen. Ein „Hej“, „Tak“ oder „Goddag“ wäre ein Anfang. Einfach benutzen und ein kleines Signal der Aufmerksamkeit und Liebe zu dem Nachbarn senden. Denn die haben uns nicht nur sprachlich was voraus, sondern haben auch noch „Hygge“. Wirklich beneidenswert. Daher soll auch der Urlaub immer ein wenig hyggelig sein. Das ist eben eine inspirierende Lebensweise. In diesem Sinn: Farvel!

Euer Patrick


16.06.2021

Ich denke nicht, dass das Leben Normalität verdient hat. Es wäre ihm nicht angemessen. Viele wünschen sich Normalität zurück, aber scheint dies doch mehr eine Floskel zu sein, denn die Definitionen dahinter sind doch recht dürftig. Wenn das Leben das Gewohnte und Normalisierte einfach weiterführt, dann hängt die Platte und das nervt. Also aufstehen und die Nadel neu aufsetzen. Und damit das nicht wieder passiert, sollte man am Besten die Platte mal reinigen oder zumindest entstauben.

Die grundsätzliche Analogie von Leben zu Musik und umgekehrt gefällt mir sehr gut. Musik begleitet unser Leben. Sie versetzt uns in Stimmungen. Sie ist eine Ausdrucksform, die eben lebendig ist. Nicht ausschließlich lebensbejahend – kann auch mal Angst, Traurigkeit und Zweifel auslösen oder verstärken. Allein im Bett oder auf einem Konzert als Gemeinschaftserlebnis. Musik ist manipulativ. Man denke nur an ihren Einsatz im Kino oder in der Werbung. Ein guter DJ ist ein guter Manipulator. Ein guter Film hat gute Musik. Sergio Leone ließ die Musik für seine Western von Ennio Morricone schreiben und diese auch schon vor Dreharbeiten. So konnte beim Dreh die Musik abgespielt werden, damit Crew und Schauspieler in die richtige Stimmung kamen. Das Ergebnis ist unzweifelhaft stimmig.

Ähnlich ist es bei Zeremonien. Trauungen, Bestattungen und jegliche Arten von Ritualen haben einen musikalischen Teil. Mal im Geiste der Gemeinschaft, mal als Ausdruck der Individualität und des persönlichen Geschmacks. In meiner Tätigkeit als Redner lasse ich die Paare bzw. die Hinterbliebenen die Musik für die Feier aussuchen. Die Ergebnisse, also die Auswahl der Musikstücke, sind unterschiedlich und persönlich. Daher passend und richtig. Eben nicht normal, sondern lebendig.

Wenn das Leben oder der Tod normal werden, dann sind wir weder lebendig noch tot. Wir sollten uns keine Normalität wünschen. „Normal ist langweilig“ ist einer von vielen Sprüchen, die mit dem Wort „normal“ spielen. Es ist noch einer der etwas besseren. Zumindest wird eine mögliche Interpretation von „normal“ angeboten. Jedoch ist diese ganz davon abhängig, wie „langweilig“ zu verstehen ist. Und so kommt man von einem geöffneten Fass zum nächsten.

Also zurück zum Leben und zur Musik. Lieder aus der Vergangenheit können Sehnsucht, aber auch Wohlbehagen auslösen. Gefühle eben. Und wenn es auch immer die selbe Platte ist, die wir hören, so geht es doch um die Gefühle. Diese füllen das Leben mit Leben und machen aus Normalität die Aufregung und Lust zu leben. Und da die Vergangenheit im Jetzt angelegt wird, ist jetzt, also ständig, die Chance das Leben zu fühlen. Und das ist nicht einfach nur normal, sondern besonders, denn: „Mit dem Leben ist es wie mit der Musik: Beides muss statt nach Regeln mit Phantasie, Gefühl und Instinkt komponiert werden.“ (Samuel Butler)

Euer Patrick


02.06.2021

Gern wird ja zwischen den großen Themen und den kleinen Themen unterschieden. Große Themen sind eher global, politisch oder einfach die zwei relevanten Themen der Literatur: „Große Literatur hat im Grunde nur zwei Themen: Liebe und den Tod. Alles andere ist Mumpitz.“ (Marcel Reich-Ranicki). Die kleinen Themen sind eher alltäglich und persönlich. Was frühstücke ich? Wie verbringe ich den Sonntag? Oder: Welches Buch ist zu empfehlen?

Mir fällt es oftmals schwer bei den kleinen Themen auch wirklich klein zu bleiben. Wenn ich mir zum Beispiel Gedanken über Klemmbausteine mache, dann könnte ich natürlich gedanklich beim Spielspaß verharren. Ich erinnere mich an meine legogeprägte Kindheit oder erfreue mich an den Bausets meiner Kinder. Aber dann muss ich auch wieder daran denken, dass die Klemmbausteine (auch Noppensteine genannt, also die Legosteine) aus Erdöl hergestellt sind. Hergestellt, wie so vieles, meistens in China und das führt mich dann wieder zu den fragwürdigen Arbeitsbedingungen und den viel zu langen Transportwegen und so weiter. Das lässt sich wahrscheinlich mit so ziemlich jedem Konsumgegenstand durchspielen.

Aber auch andere kleine Themen, anscheinend unverfänglich, wie etwa Sport. Da gibt es ja nicht nur eine schier unendliche Auswahl von Sportarten oder die Art und Weise, wie mit wem welche Art von Sport man überhaupt machen möchte: Alleine joggen. Teamsport. Mit einem Ball. Draußen. Drinnen. Ein YouTube-Video nachsporteln. Und natürlich gibt es da auch unzählige Apps und Bücher. Ich habe wirklich ein Buch das den Titel „Trainieren wie im Knast“ trägt. Es gibt da also allerlei Möglichkeiten. Bei näherer Beschäftigung kann aus dem kleinen Thema „Ich mache jetzt mal Sport“ das große Thema „Sport ist nicht gleich Sport. Da muss man schon genau hinschauen und überhaupt gibt es da viel zu viele Dinge zu bedenken. Da kannste viel falsch machen. Gesundheitlich etwa.“

Also am besten mal meditieren. Das kann ja gar nicht so schwer sein. Auch da gibt es unzählige Bücher und Apps, die dir genau sagen, wie und was du zu tun oder nicht zu tun hast. Da kann man schon mal unsicher werden, wobei das natürlich völliger Unsinn ist. Denn letztendlich ist Meditieren das Einfachste, was man machen kann und dazu braucht es eben nicht eine unzählige Menge von Informationen. Hinsetzen, Augen schließen und atmen. Das ist es schon.

Da aber die innere Einkehr ziemlich groß, weit und beeindruckend sein kann, zeigt sich hier, dass die kleinen Themen von den großen Themen nicht immer zu unterscheiden sind.

Jedenfalls arbeitet die Firma Lego an Noppensteinen aus pflanzlichen Rohstoffen. Bis dahin kann ich für mich sagen, dass Klemmbausteine die schönste Form von Erdöl sind und beim Bauen eine Tiefenentspannung einsetzt, die mit keiner Meditation zu erreichen ist.

Euer Patrick


05.05.2021

Selbstverständlich leben wir an der Ostsee. Und zwar mit einer Selbstverständlichkeit, die nur natürlich ist. Gerade, wenn man hier aufgewachsen ist, dann ist der Strand vor der Haustür Normalität – also nichts Besonderes. Aber das ist nicht richtig. Etwas ungenau. Meiner Erfahrung nach kann es eine besondere Normalität und eine normale Besonderheit sein, wenn ich mir nicht ständig, aber immer wieder, bewusst mache, dass ich es richtig gut und schön hier habe. Klar, viel zu selten fahre ich zum Strand. Gerade jetzt im Frühjahr oder später im Winter. Oder im Winter und im Sommer auch zu selten. Ich erwische mich schon bei dem Gedanken bzw. bei der – Obacht, großes Wort – Erkenntnis, dass ich ja jetzt schon eine ganze Weile nicht mehr am Strand war. Dabei sind es die Strandspaziergänge in der kalten Zeit, die ich sehr gern habe und die sollten nicht zuletzt Weihnachten oder Neujahrstag – da ja traditionell – gewesen sein.

Nun reicht es mir aber auch, allein das Meer in der Nähe zu wissen. Das ist ein beruhigendes Gefühl und auch andere erzählen mir, dass die Gewissheit, man könne ja zum Strand fahren, auch wenn man es eben nicht macht, Glück bedeute. Meist belasse ich es bei dieser Oberflächenromantik, denn im Hinterkopf zucken die Themen Verschmutzung und Vergänglichkeit. Das eine haben wir in der Hand, hat Auswirkung auf unser Leben und wir sind dafür verantwortlich. Das andere ist unumgänglich. Aber ich meine nicht unsere eigene und kleine Sterblichkeit, sondern die Tatsache, dass unsere Sonne in weiter Zukunft sich verändern wird und, nachdem es hier auf der Erde für Leben viel zu heiß geworden ist, letztendlich erkaltet. Dann ist Schluss.

Aber bitte nicht missverstehen! Ich halte das nicht für einen pessimistischen Gedanken und es macht mich auch nicht traurig. Es sind doch nur Strandspaziergänge. Der Blick auf das Meer macht eben romantisch. Wie so ein typischer Caspar David Friedrich. Der Wellengang gibt mir die Hoffnung, ach was, die Gewissheit, dass wir Menschen da eine Lösung finden werden. Aus dem vierten den ersten Akt machen und dann geht es wieder los; mit einer anderen Sonne ganz woanders. Dort wird es bestimmt auch Strände geben, welche die Gemüter beruhigen. Mal abschalten und auf andere Gedanken kommen. Das Besondere in der Normalität entdecken. Sich ganz klein fühlen und dabei großartige Visionen haben. Auf dem Boden der Tatsachen nach den Sternen greifen. Das nenne ich einen Strandspaziergang.

Euer Patrick


21.04.2021

So eine Veränderung tut doch mal gut. Oder lieber: Veränderungen machen mir Angst. Das eine schließt das andere nicht aus. Meiner Erfahrung nach ist die Angst vor Veränderung ein guter Indikator eine Lebensumstellung erst recht anzugehen. Ist die Angst nicht zugegen ebenso. Mit anderen Worten ist Veränderung, nicht per se, aber grundsätzlich positiv zu bewerten. Das bewusste Loslassen vom Alten und die Hinwendung zum Neuen ist ein Prozess, der zu Glücksgefühlen führen kann.

Andererseits gibt die Tradition auch ein wohliges Gefühl der Bequemlichkeit. Das meine ich nicht nur despektierlich – aber ein wenig. Besonders die geistige Bequemlichkeit nervt ungemein. Oder platt: Das haben wir schon immer so gemacht. Oder: Hat bisher doch auch gut so funktioniert. Da schaue ich lieber gar nicht auf meine Mitmenschen. Nee, nee, immer schön bei sich bleiben. Denn die eigenen gedanklichen Grenzen sind für unser Unglück verantwortlich und nicht das, was die anderen tun und sagen. Der Fingerzeig auf die anderen ist Frust über sich selbst und weist auf fehlende Gelassenheit hin. Und da muss ich sagen mangelt es manchmal bei mir. Gelassenheit. (Wir erinnern uns an den Gleichmut vom letzten Monat.) Jedenfalls empfinde ich es als schwierig bei zum Beispiel Ungerechtigkeiten oder Beleidigungen gelassen zu bleiben. Ich meine nicht Untätigkeit, sondern emotional gefasst sein und zugleich aktiv werden. Und das ist der Knackpunkt; denn in dem Fall bin ich ja schon bei meinen Mitmenschen. Die sind doch für das Unglück dieser Welt verantwortlich. Die sind doch so ungerecht, engstirnig und überhaupt von gestern und dazu noch realitätsfern. Ja, ja, nee, nee.

Das eigene Glück ist nicht unabhängig von unseren Mitmenschen. Unter Mitmenschen sollte man übrigens nicht die christlich recht eng gefasste Definition der „Nächsten“ verstehen. Da sind schon alle gemeint. Wirklich alle – global. Um das zu verstehen reicht schon ein Blick auf das Etikett im T-Shirt oder in die Gemüseabteilung im Supermarkt. Also doch nicht immer schön bei sich bleiben? Tja, wenn es denn so einfach wäre. Es ist ein ständiges Vergegenseitigen und dadurch sind wir gezwungen uns zu verändern und die Veränderung der anderen wahrzunehmen und erneut darauf zu reagieren. Dabei noch gelassen bleiben, aber dennoch produktiv aufgeregt sein. Das kann Angst machen und auch guttun. Als Kalenderspruch formuliert: Im Zweifel wähle stets die Veränderung. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Hakuna Matata.

Euer Patrick


07.04.2021

Mittlerweile sollte jeder und jedem bewusst sein, dass wir in Blasen leben. Die Auswahl der Menschen, mit denen wir uns umgeben, die Quellen, aus denen wir unsere Informationen über das Weltgeschehen beziehen oder die grundsätzliche Entscheidung, was wir zulassen bzw. an uns heranlassen – dies sind die Bausteine für unsere persönlichen Welten, in denen wir uns bewegen. Aus diesen Blasen heraus mag man gern verallgemeinern, was natürlich Quatsch ist. Wenn ich sage, dass es doch ganz klar und redlich ist, sich nicht in Angelegenheiten einzumischen, die einen nichts angehen, dann klingt das aus meiner Perspektive richtig und gut. So allgemein gesagt, mag es bestimmt auch viel Zuspruch geben und doch sind die Erfahrungen da nicht so eindeutig. Wichtig ist hierbei die genannte Voraussetzung, ob es denn einen etwas angeht. Wo ist da die Grenze?

Das Private kann da schnell öffentlich werden. Etwas bildlicher: Der Nachbar macht ein Lagerfeuer – privat. Das nasse Holz räuchert das halbe Dorf durch – öffentlich. Bei öffentlich relevanten Dingen kann es heißen: „Das geht mich nichts an“. Ein Satz, der ein wenig geistige Bequemlichkeit voraussetzt und dazu noch Heldenmut vermissen lässt.

Konflikte sind da unerlässlich. Streit ist wichtig. Es sind Grundpfeiler der Demokratie und ganz schön anstrengend. So sehr, dass es müde macht und dann auch noch wütend. Gerade jetzt fühlen viele Menschen beides und die sozialen Netzwerke haben die Wortschöpfung „mütend“ ins Spiel gebracht. Ich mag ja Wortschöpfungen und kann gut nachvollziehen, dass man mütend ist. Es ist ein Gefühl, bei dem aber auch Resignation mitschwingt und das ist leider weder eine Lösung noch besonders hilfreich, wenn es darum geht etwas zu ändern. Darum geht es ja: Habe ich ein schlechtes Gefühl, sollte ich daran arbeiten, es zu überwinden, um mich wieder gut zu fühlen. Und dazu braucht es manchmal ein klares Wort. Sich mal einmischen und sagen: „Das geht mich was an und ich möchte eine Veränderung.“

Es lässt sich wohl kaum verhindern, dass wir uns weiterhin in verschiedenen Blasen bewegen, aber ab und zu mal in eine andere hineinschnuppern, mal interessiert hinüberschauen, kann der Verallgemeinerung entgegenwirken und Verständnis erwirken. Also nicht gleich auf den Nachbarn schimpfen, sondern mit einer Schubkarre Brennholz (trocken) rüber und mal schnacken: „Es geht mich zwar nichts an … doch eigentlich schon, dein Holz ist zu nass und der Rauch ist überall. Vielleicht können wir zusammen eine Lösung finden.“

Euer Patrick


24.03.2021

Na, wie ist es bei euch mit der Vorfreude? Gar nicht so leicht im Augenblick, was? Es gibt momentan so viel Vorfreude, die schlichtweg nicht da ist bzw. nicht funktioniert. Gut, der Frühling, der Sommer, die werden schon kommen. Darüber können wir uns schon freuen. Aber die Dinge, die wir dann machen möchten oder geplant haben, sind ungewiss. Der Urlaub, die Feier oder überhaupt eine Form der Leichtigkeit – alles vage und unstet. Planbar vielleicht, aber Vorfreude mag sich nicht einstellen.

Bei „Vorfreude“ wird schnell das dazugehörige Sprichwort mitgedacht und leider auch gesagt. Also hier ist es: Vorfreude ist die schönste Freude. Eine Steigerung ist demnach nicht möglich und die Erfüllung, also die eigentliche Freude, ist demnach eine Enttäuschung. Die Erfahrung zeigt glücklicherweise, dass man das mit den Sprichwörtern nicht zu ernst nehmen sollte. Doch in diesem Fall gab es sogar wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass in der Tat die Vorfreude, der Verzögerungsgenuss, dem eigentlichen Ereignis der Vorzug gegeben wird. Teilnehmer der Studie wollten lieber mehr Verzögerung, da die Vorfreude so schön ist. Die Erwartung auf das freudige Ereignis ist berauschend und gleichzeitig neigt der Mensch doch zur Ungeduld. Positive Aufregung und negative Ungeduld. Das gehört zusammen und ist abhängig vom Ziel: Bezieht sich die Freude auf ein Produkt oder ein Erlebnis. Hier zeigte eine Umfrage, dass eine Vorfreude auf ein Erlebnis bezogen ist, während die Aussicht auf ein Produkt eher mit Ungeduld einhergeht.

Bei aller Freude ist die Enttäuschung also nicht fern. Zerstörte Hoffnung ist schmerzhaft und frustrierend. Dazu noch gefährlich, denn die Enttäuschung kann dazu führen, dass man sich weniger Hoffnung macht. Das wäre kein Ja zum Leben. Also besser wie der Fuchs denken, als er dem kleinen Prinzen erklärte, dass, wenn er (Prinz) um 16 Uhr kommen wird, der Fuchs sich eine Stunde vorher schon darüber freuen kann: „Wenn du zum Beispiel um vier Uhr am Nachmittag kommst, dann kann ich schon um drei Uhr beginnen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit voranschreitet, umso glücklicher werde ich.“ (aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry)

Vielleicht nicht zu groß denken und den kleinen Vorfreuden den Vorzug geben. Alltägliche positive Ereignisse kreieren und diesen mit Verzögerung begegnen, um dadurch Vorfreude, sprich Freude, zu spüren. Oder um es mal ganz einfach zu sagen: Wenn ich mir eine TK-Pizza in den Ofen schiebe, dann sind die 15 Minuten, bis sie fertig ist, die reinste Freude und zudem ist das Produkt zugleich ein Erlebnis und damit ein Stück Glück.

Euer Patrick


10.03.2021

Ein altes Wort für Geduld ist Langmut. Es ist ein sehr schönes Wort und ich mag, dass darin das Wort Mut steckt. Also auf langer Strecke Mut zu haben, Dinge zu ertragen oder eben Wünsche oder Sehnsüchte zurückzustellen. Auf etwas geduldig zu warten kann sehr hilfreich und die bessere Entscheidung sein als der spontane Zugriff. Das ist dann die freiwillige, selbst auferlegte Geduld. Anders verhält es sich manchmal, wenn man geduldig sein muss. Als Patient (Hier steckt die Geduld sogar in der lateinischen Herleitung des Wortes.) etwa ist Geduld oft eine Notwendigkeit. Ob nun der Warteraum beim Hausarzt oder bei einem Aufenthalt im Krankenhaus. Da muss gewartet und ertragen werden. Mein längster Krankenhausaufenthalt waren etwa fünf Wochen. Da hatte ich jetzt nicht besonders Langmut bewiesen, war ich doch einfach froh am Leben zu sein. Aber ich hatte auch schon einen kurzen Aufenthalt im Krankenhaus, eine Woche, und da ging es mir gut. Ach, war ich ungeduldig, gerade zu unausstehlich, denn es ging ja nur um eine Untersuchung, die ständig verschoben wurde. Auch jetzt bin ich manchmal ungeduldig, was die Coronaimpfung angeht. Ich kann es kaum erwarten, diesen Schutz gegen die Erkrankung zu bekommen.

Es lohnt sich aber geduldig zu sein. Kindheitserinnerung gefällig? Zu meinem 10. Geburtstag bekam ich ein neues Fahrrad bzw. sollte eines bekommen, denn ich durfte mir im Vorfeld das richtige aussuchen. Ein Mountainbike sollte es sein. Die Umstände waren so, dass ich entweder das eine aus dem Katalog nehmen könnte – inklusive Wartezeit – oder das andere, das es gerade beim Supermarkt im Angebot gab. Mit Geduld hätte ich das wesentlich bessere Fahrrad bekommen, aber ich nahm den Spatz in der Hand. Das Rad war schon in Ordnung; der Knackpunkt ist aber, dass ich diese Erinnerung wie ein Mahnmal mit mir herumtrage. Hätte hätte Fahrradkette.

Sich zur Geduld zu zwingen ist auf jeden Fall eine Überlegung wert. Wobei das wenig motivierend klingt. Besser: Sich der (s.u.) Langmut hingeben. Dann kann es auch zu einem Gleichmut kommen, also Gelassenheit.

Wenn es also nicht anders geht und die Geduld von außen gefordert wird – also kein freiwilliges Zurückstellen der eigenen Wünsche – dann nicht einfach nur geduldig sein, sondern langmütig werden. Dann kommt der Gleichmut, welcher selten „die“ Gleichmut heißt, während es immer „die“ Langmut heißt, und wir können uns entspannen. Übrigens rührt die Unterscheidung, dass Wörter, die auf -mut enden, entweder maskulin oder feminin gebraucht werden, aus ihrer nach innen gekehrten und nach außen gekehrten Gemütslage her. Demnach ist die Langmut introvertiert und der Gleichmut extrovertiert zu verstehen. Hatte ich erwähnt, dass das Fahrrad, welches ich dann bekam ein Damenrad war? Mit der Sprache braucht es schon viel Geduld.

Euer Patrick


24.02.2021

Und da sind wir auch schon beim Thema. „Moin“ ist ein herrlicher Gruß. Geht immer und deckt den privaten, wie auch den formellen Bereich ab. Es ist wie eine geheime Absprache. Mit „Moin“ gehen Norddeutsche einen Schritt auf das Gegenüber zu – ohne es gleich zu übertreiben. Gern erheben wir Anspruch auf diesen Gruß, aber er ist mittlerweile in geradezu ganz Deutschland mal mehr, mal weniger in Gebrauch. Meist eher auch nur als Morgengruß. Und dann ist noch zu beachten, dass es Formen des Grußes zum Beispiel in Dänemark, Niederlanden und sogar in der Schweiz gibt. Bei der Herkunft wird es sogar recht kniffelig, denn diese ist nicht eindeutig und es gibt eine Reihe von Herleitungen. Aber wir wollen uns damit gar nicht aufhalten, denn mir geht es um den alltäglichen und unkomplizierten Gebrauch des Wortes. In unserer Region reicht zum Glück ja auch nur ein „Moin“, denn wie heißt es so schön: „Moin Moin“ ist schon Gesabbel.

„Moinsen“ dagegen soll umgangssprachlich eher von Jugendlichen verwendet werden, hat aber den Vorteil, dass damit gleich mehrere gemeint werden können. Also als Kurzform von „Moin zusammen“. Nun muss ich gestehen, dass ich schon irritiert bin, wenn ich „Moin“ in südlichen Teilen des Landes höre. Eigentlich könnte man froh sein, dass es überall beliebter wird und nicht regional beschränkt. Auch bin ich stets dafür, Sprache sich frei entwickeln zu lassen. Und doch finde ich es nett, wenn ich woanders regionaltypisch begrüßt werde und daheim mit „Moin“.

Anderes Beispiel: Wir haben in den vergangenen Jahren hin und wieder Urlaub auf den Kanaren verbracht. Dort tranken wir gern einen Café Cortado leche y leche. Eine typische Kaffeevariante dort. Aber Zuhause habe ich mir diesen Kaffee nicht zubereitet, denn ich möchte, dass er dort bleibt. Auf mich wartet und ich ihn irgendwann zusammen mit der Luft, den Geräuschen und Menschen vor Ort genießen kann. Nur dort ist er für mich so besonders.

Ähnliches Gefühl habe ich eben auch mit „Moin“. Ich gebe zu das ist schon beinahe provinziell, aber mein „Moin“ gehört an die Seeluft. Wird nicht zu freundlich gesagt, ist ein akustisches Zunicken. Es ist salzig und kennt keine Klassen. Es gibt Gegenden, da sagt man „Moin“ auch als Abschiedsgruß. Von daher: Moin!

Euer Patrick


10.02.2021

Wir lassen uns gerne und oft täuschen. Bewusst und unbewusst werden Sinneseindrücke falsch wahrgenommen. Bei optischen Täuschungen etwa sehen wir Dinge, die nicht da sind bzw. in Wirklichkeit anders sind. Unser Gehirn ist dafür verantwortlich, dass sich die Zeichnung auf dem Papier dreht, obwohl sie stillsteht. Das ist immer wieder verblüffend, aber wir können beide Wahrheiten nebenher aushalten. Wir akzeptieren, dass unser Gehirn da etwas macht und uns eine Fehlinformation über die Wirklichkeit gibt. Unser Gehirn versucht auch ständig Muster zu erkennen. Ein Klassiker ist da das Wolkenschauen. Hunde, Dinosaurier oder Fahrzeuge können wir in den Wolkenformationen erkennen. Auf unscharfen Bildern erkennen wir Geister oder Gesichter, die da eigentlich nicht sein dürften. Selbst auf irgendwelchen Strukturen, wie einer Holzoberfläche oder der Raufasertapete, erkennen wir Gesichter. Das ist normal und von der Natur gewollt, denn Gesichter sind das wichtigste Muster, was es zu erkennen gibt. Wir sind eben soziale Wesen und brauchen andere Menschen. In Extremsituationen war und ist es bis heute wichtig, andere Menschen zu erkennen und sich ihnen anzuschließen. Da braucht es nicht viel, um ein Gesicht zu sehen, denn unser Gehirn vervollständigt das Muster. Das nennt sich dann Pareidolie.

Wir sind in so einigen Dingen unserem Gehirn ausgeliefert. Verfallen in alte Denkmuster und alltägliche Automatismen, da dies für das Hirn einfach ökonomischer ist. Neue Verhaltensweisen oder gar ein neues Denken ist sehr energieaufwendig und anstrengend. Wenn man gezwungen ist seine Meinung zu ändern, da die Beweise oder die Argumentation erdrückend sind, kann das schon ein quälender Prozess sein. Es ist bequemer zu sagen: „Das war schon immer so.“ „Da kannste mir viel erzählen. Ich bleibe dabei.“ „Das gibt es nicht.“ Wir sind schon alle sehr von uns überzeugt und möchten ungern überzeugt werden.

Wenn aber im Kinderzimmer der Schatten an der Wand wie ein Monster aussieht, dann können wir unserem Kind zwar sagen, dass es keine Monster gibt und dazu noch die Erklärung und das Aufzeigen, was da an der Wand wirklich passierte. Nun ist das Monster aber im Kopf des Kindes – es ist Wirklichkeit. Da können wir noch so sehr davon überzeugt sein, dass es keine Monster gibt; wir fangen an, das Zimmer nach dem Monster abzusuchen. Ein Kuscheltier wird als Beschützer ernannt. Licht angelassen. Der Staubsauger wird zum Monstersauger und an die Tür kommt ein Verbotsschild für Monster. Das ist energieaufwendig und anstrengend. Wir lassen uns gerne und oft täuschen und lassen uns überzeugen, wenn es um die Liebsten geht. Wir bekämpfen Monster, die es nicht gibt.

Euer Patrick


27.01.2021

Die Müdigkeit im Gespräch. Ein Monolog über ein Thema, das einen überhaupt nicht interessiert, kann eine Müdigkeit auslösen, die es in sich hat. Ab einem bestimmten Punkt ist diese Müdigkeit so stark, dass die Kraft zur aktiven Unterbrechung des „Gespräches“ fehlt. Das mag beim Partner vielleicht ein altes Spiel sein und endet bestenfalls in einer humorvollen Auflösung, aber bei geselligen Abenden kommen dann eher Emotionen wie Gereiztheit, Unruhe und der Vorwurf der Unhöflichkeit dazu. Das geht in beide Richtungen. Unhöflich ist derjenige, der nicht richtig zuhört und zugleich derjenige, der ohne Rücksicht monologisiert.

Nun sind gesellige Abende in größerer Runde gerade unerlaubt und auch nicht vernünftig. Manch einer greift öfter zum Telefon, nutzt den PC oder das Handy mit Kamera für Videotelefonie. Und hier zeigten sich bereits bei Menschen, die das sehr häufig machen oder auch beruflich machen müssen, eine außerordentliche Erschöpfung. Nennt sich Zoom-Müdigkeit oder auch Zoom-Fatigue. Das kommt durch das Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren. In einem Radiointerview hat die Wissenschaftlerin, die das erklärte, unter anderen darauf hingewiesen, dass in den Videokonferenzen zu wenig Pausen gemacht werden. Daher können die Teilnehmenden auch selten eine biologische Pause machen. Ich möchte ehrlich sein: Ich kannte den Begriff bis dato nicht. Aber ich finde ihn immer besser, je öfter ich ihn mir sage. „Biologische Pause“. Herrlich. Ja, es ist auch genau das, was Ihr denkt, was es ist. Ich überlege nun meinen Kindern diese Begrifflichkeit beizubringen. Ist schon ein wenig eleganter als: „Ich gehe jetzt Kacken.“

Es ist eine so nette Umschreibung, dass man auf einem Kongress hunderten von Menschen sagen kann: „So, wir machen jetzt alle mal 20 Minuten eine biologische Pause und treffen uns dann wieder.“ Es gibt noch einen Vorteil bei dem Begriff. Er ist interpretierbar. Denn gehört zu einer biologischen Pause auch das Zuführen von Lebensmitteln? Oder ein kleiner erholsamer Spaziergang? Wieso nicht? Wer es nicht ganz so wissenschaftlich haben möchte, sagt einfach „Biopause“. Die biologische Pause ist ein Grundrecht, das niemandem verwehrt werden darf. In offiziellen Texten steht dann was von „Notdurft“. Genau, sprachlich nicht gerade sexy.

Also bei der Müdigkeit, ausgelöst vom uninteressanten Monolog von wem auch immer, einfach kurz einwerfen, dass man jetzt eine Biopause braucht und dann guten Gewissens den Raum verlassen. Wie lange eine solche Pause dauert, ist auch Teil des Interpretationsspielraumes.

Euer Patrick


13.01.2021

„Die Kneipen schließen, die Kinos auch | Und im Schauspielhaus fällt der letzte Vorhang aus | Die Nachrichten rennen dem Algorithmus hinterher | Wenn in Moria die Zelte brennen, dann sieht das niemand mehr.“ Dies sind Worte aus dem Lied „Gegenwart“ der Band AnnenMayKantereit. Es ist leicht zu erkennen, dass es in den letzten Monaten entstanden ist. Ein ganzes Album haben sie in der Zeit, in der sie nicht Konzerte spielen durften, aufgenommen. Das genannte Lied hat mich beim ersten Hören gepackt; es ist auch überaus eingängig, was ich mag. Nun sind wir alle von der aktuellen Situation unterschiedlich getroffen und auch betroffen. Da gibt es Ängste, Frust und verhaltenen Optimismus. Es würde gut tun, den guten alten Eskapismus hervorzuholen und sich in eine andere Welt oder Zeit zu versetzen. Kann durchaus funktionieren, wenn die Welt und die Zeit ganz weit weg ist. Denn bei Orks oder auf fernen Planeten stört mich der nicht eingehaltene Mindestabstand nicht, aber ein Film im Hier und Jetzt, bei dem alle sich so verhalten, als sei nichts gewesen, berührt mich nicht mehr. Konkreter: Ob der Held nun die Welt rettet oder nicht – egal, ist ohnehin nicht mehr meine Welt.

Das sieht natürlich jeder Mensch anders, denn die eigene Welt kann durchaus sehr eng oder auch äußerst weit gefasst werden. Kneipen, Kinos und Schauspielhäuser kann ich zu meiner Welt zählen. Und dann kommt diese Zeile mit Moria. Nach Moria kam das Lager Kara Tepe. Es wurde für die Menschen schlimmer. Dort werden die Kinder nachts von Ratten angefressen.

Ich kann mich noch sehr gut an den Moment meiner Kindheit erinnern, als ich mit meinen Eltern die Tagesschau im Fernseher sah und mir zum ersten Mal bewusst wurde, was alles Schreckliches in der Welt geschieht. Mich überkam Angst und ein Gefühl der Machtlosigkeit. Mit der Zeit lernte ich mich von den schlimmen Dingen jener Welt zu distanzieren und die schönen Dinge dieser (meiner) Welt zu sehen. Drang dann ein Unglück in meine Welt war das natürlich vorherrschend und überhaupt das Allerschlimmste. Auch diese Dummheit habe ich mittlerweile überwunden. Daher geht mir das Bild mit den Ratten nicht mehr aus den Kopf. Ich hoffe, euch auch nicht. #LeaveNoOneBehind

Euer Patrick


30.12.2020

Lust auf einen Jahresrückblick? Ich bin mir selbst nicht so sicher, was ich davon halten soll. Grundsätzlich sollte ein solcher Rückblick die positiven und auch die negativen Dinge beinhalten. Man sollte dies nun auch nicht zu genau nehmen; wenn am Ende die schönen Dinge überwiegen, dann überwiegt die Freude. Ist nüchtern betrachtet das Jahr wirklich mies verlaufen, dann hilft der Selbstbetrug. Einfach den wenigen positiven Erlebnissen mehr Gewicht verleihen und schon fühlt es sich besser an. Ich habe hier den persönlichen Jahresrückblick im Blick und diesen übertrage ich in die Erwartungshaltung auf das kommende Jahr. Nicht diese törichten Vorsätze, die den Selbstbetrug schon vorwegnehmen, sondern eine Vision entwickeln. Einen Anblick dessen, was einem persönlich geschehen soll.

Nun kommen die Dinge für gewöhnlich und daher nicht selten anders. Also flexibel im Denken bleiben und nicht verzagen! Das klingt jetzt nach billiger Durchhalteparole, Kalenderspruch und Wandtattoo. Mir egal. Auffällig an Vorsätzen und Visionen für die Zukunft ist der Egoismus. Wir wünschen für uns alles Mögliche – nur das Beste. Auch wenn wir uns für unsere Familien das Beste wünschen, dann fällt es ja auch auf uns zurück. Mit der Nächstenliebe können wir uns anfreunden, wenn es denn gerecht zugeht. Es muss ja nicht gleich die Feindesliebe sein, aber denen, die uns fern sind die Freundschaft anzubieten, ist äußert zukunftsorientiertes Denken. Denn darum geht es bei der alljährlichen Rückschau: die Zukunft. Zwischen den Jahren (oder das norddeutsche „Zwischen den Tagen“) ist ein hübscher Ausdruck, der uns Zeit für eine Neuorientierung gibt – Denken und Handeln überdenken.

Bei alldem werden wir oft von den Gewohnheiten übermannt und die Routine, einem Automatismus gleich, führt unseren Blick weg von uns selbst zu den anderen, denen es ähnlich geht („Puh!“), besser geht („Mist!“) oder gar schlechter („…“). Dies sind die Grundpfeiler für Tratsch. Ich verstehe zwar, dass Tratsch gesellschaftlich wichtig sein kann, mache mir selbst daraus kaum was. Klar, damit bin ich schlechter informiert über die Dinge, die mich nichts angehen, habe dafür aber auch weniger Angst. Es ist der Vergleich und das Wissen über die Vorzüge, die der Nächste, Ferne oder gar Feind genießt, was Angst machen kann. Und zwar diese ganz spezielle Angst der Deutschen: Das Zukurzkommen. Daher finde ich einen Jahresrückblick gar nicht mal schlecht, wenn er ein Blick nach innen ist, der nach außen gelangt und mit Selbstzufriedenheit und daher mit Gelassenheit den Mitmenschen gegenüber begegnet. Dann also „Prost“, was so viel heißt wie „es nütze“.

Euer Patrick


16.12.2020

Lust auf eine Partie? Die Pandemie und Netflix haben einen Schachboom ausgelöst. Schachbretter sind beinahe ausverkauft. Online-Schach wird überrannt und Videokurse sind beliebt wie nie zuvor. Bevor es zu einem Missverständnis kommt: die Pandemie mit ihren Auswirkungen, wie etwa dem vermehrten Zuhausebleiben, und Netflix stecken da nicht unter einer Decke. Die Miniserie „Das Damengambit“ über eine junge Frau, die in den USA der 1960ern eine Schachkarriere durchläuft, ist nicht nur eine sehr gute Serie, sie macht auch ganz offensichtlich Lust auf Schach. Auch bei uns in der Familie. Die grundsätzlichen Regeln sind einfach und daher können Kinder schon sehr früh Schach lernen. Glück spielt keine Rolle und jede Partie ist anders. Zudem ist es ein sehr höflicher Sport. Der Verlierer gibt respektvoll dem Sieger die Hand und man gewährt dem Gegner die Bedenkzeit, die er für den nächsten Zug braucht.

Nun stehen uns der nächste Lockdown und die Feiertage bevor. Anders als im Frühjahr ist es diesmal, nun ja, kein Frühjahr. Allein das kann auf das Gemüt schlagen. Fatal wäre es, sich gehen zu lassen und in die Unsicherheit hineinzuleben. Hilfreich wäre es, eine Strategie für die Zeit zu entwickeln. Oder lieber eine Taktik? Savielly Tartakower meinte dazu: „Taktik ist, was man tun muss, wenn etwas zu tun ist. Strategie ist, was man tun muss, wenn nichts zu tun ist.“ Tartakower war Schachspieler und redet hier auch über Schach.

Nun hinken Vergleiche in der Regel. Das Leben ist kein Brettspiel. Wir Menschen sind die unbewegten Beweger; sind ausgestattet mit Höflichkeit und Respekt. Also was bleibt am Ende? Es scheint doch wieder alles viel zu verkopft, wenn zwischen den Zeilen große Erkenntnisse erwartet werden oder Geheimnisse. Also runter auf den Teppich und weg mit der Decke, unter der niemand zusammen steckt, und, ihr ahnt es, die Kinder gefragt, was denn nun so toll am Schach ist. Antwort: „Es bringt einfach Spaß.“ Was Kinder sagen, ist für Erwachsene oft schwer zu denken. Daher noch eine letzte Frage ohne Antwort: „Was ist denn nun so toll am Leben?“

Euer Patrick


02.12.2020

Kaffee oder Tee? Beatles oder Stones? Hund oder Katze? Lego oder Playmobil? Obwohl das noch recht harmlose Beispiele für das „Entweder-Oder“ sind, können selbst die für Diskussionen sorgen. Sogar für einen innerlichen Unmut verantwortlich sein, denn wir möchten für uns selbst ja auch Klarheit. Was möchte ich und was mag ich überhaupt? Sich für eine Sache zu entscheiden ist das eine, die Erkenntnis sich nicht entscheiden zu müssen das andere. Eine Bekannte berichtete mir zu diesem Thema, dass es sie morgens nervt, sich für Kaffee oder Tee entscheiden zu müssen, da sie beides gern trinkt. Ihre Lösung war ganz wunderbar: Sie traf die grundsätzliche Entscheidung immer im Wechsel zu trinken; den einen Tag Kaffee, den Tag darauf Tee usw.

Dem geht natürlich voraus, dass sie sich nicht in gedankliche Schubladen verirrt hat, und sie möchte sich nicht über ein Getränk definieren. Interessant wird es, wenn das Glas Wasser ins Spiel kommt. Klassische Frage bei Besuch, ob nun privat oder geschäftlich, ist oft: „Kaffee oder Tee?“ Manchmal kommt noch wie das unliebsame Kind hinterher: „Oder lieber nur Wasser?“ Das Wörtchen „nur“ sagt es schon: Wasser ist ungemütlich. Es ist nicht angemessen. Es passt nicht in das „Entweder-Oder“. Daher machen wir mit dem Wasser gleich ein neues Fass auf, indem wir es in „mit“ oder „ohne“ aufteilen. Ob nun Hang zur Symmetrie oder gedankliche Kraftschonung, Dualismus kann helfen die Welt zu deuten, macht es sich aber oft zu leicht. Es fehlen die Grautöne. In diesem Zwielicht kann sich eine Entspannung ausbreiten, sich nicht für Tag oder Nacht entscheiden zu müssen, sondern beides gleichermaßen zuzulassen.

Eine solche Überlegung ist im Grunde auf so ziemlich alles anwendbar. Philosophie, Politik, Gesellschaft oder Kunst. Ich persönlich mag die Idee, die hinter dem traurigen Clown steckt. Der Clown Joseph Grimaldi soll folgenden Witz über sich selbst verbreitet haben: „Ein junger Mann geht zum Arzt und klagt über seine unüberwindlichen Depressionen. Darauf rät ihm der Arzt, er solle doch zum berühmten Clown Grimaldi gehen, um sich aufzuheitern. Der Patient erwidert: ‚Aber ich bin doch Grimaldi.‘“

Es lässt sich also durchaus hin und wieder ein „oder“ durch ein „und“ ersetzen. Mein Sohn macht das ständig: „Papa, welchen Superhelden findest du am besten? Spiderman oder Batman?“ Ich überlege, wäge ab und komme zu dem Schluss: „Batman.“ Darauf mein Sohn: „Ich finde beide am besten.“ Recht hat er.

Euer Patrick


18.11.2020

In was für einer Zeit leben wir eigentlich? Keine Sorge, jetzt folgt keine Empörung, sondern nur die kleine Überlegung, in welcher der drei Zeitgestalten man sich am liebsten aufhält. Sich ausschließlich in der Vergangenheit zu baden oder alles nur auf die Zukunft auszurichten darf gern mal unangebracht, wenn nicht sogar schädlich sein. „Aber wir leben doch in der Gegenwart“ mag nun der richtige Satz sein. Geschenkt. Die Gegenwart ist nicht genau zu bestimmen – sie ist irgendwo zwischen Vergangenheit und Zukunft. In der Gehirnforschung legen Studien nahe, dass das Gehirn die Gegenwart in knapp drei Sekunden verarbeitet. Ein Zeitraum, der gut zu Einheiten in Lyrik und Musik passt. Innerhalb der Lieder, die wir hören, oder der Texte, die wir lesen, wandern wir mit unserer gegenwärtigen Aufmerksamkeit durch die Zeit.

Und dann kommt das Reisen durch die Zeit; die Nostalgie etwa. Das Hören der alten Lieder kann uns in die Vergangenheit zurückholen. Nicht nur zufällig, sondern ganz bewusst. Das sind nicht nur Erinnerungen, sondern emotionale Zeitreisen. Das geht natürlich auch mit Gegenständen, Bildern, Orten und Fernsehserien. Die Nostalgie ist Heimweh und kann uns ein heimeliges Gefühl geben.

Welches ist wohl das erfolgreichste Hörspiel der Welt und Einschlafhilfe Nummer eins der Deutschen? Die Drei ??? sind auch bei mir ein Stück Heimat. Die vertrauten Stimmen sind es, die viele Menschen wohlig in den Schlaf begleiten. Die nostalgische Krönung ist, dass die Hörspiele bis heute neben modernen Varianten auch stets als Schallplatte und Kassette zu erwerben sind.

Da schwingt auch immer ein Stück Verlässlichkeit mit – bei dem, was uns lieb geworden ist. Mit einer solchen Vergänglichkeit im Rücken lässt es sich auch offener mit der Zukunft umgehen. Gedankenspiele, wie es in der Zukunft aussehen könnte, sind spannend, erwartungsvoll oder auch beängstigend. Kommt halt darauf an, wen man fragt oder wie alt die Person ist. Jedenfalls macht die Gegenwart den Unterschied aus. Drei Sekunden Zeit haben wir, um ein Stück Zukunft zu gestalten. Kaum über die Sekunden nachgedacht sind diese schon vergangen. Recht schnell. Das wusste schon Friedrich Schiller: „Dreifach ist der Schritt der Zeit: | Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, | Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, | Ewig still steht die Vergangenheit.“

In was für einer Zeit leben wir eigentlich? Drei Zeiten. Drei Sekunden. Drei ???.

Euer Patrick


04.11.2020

Lineares Fernsehen und nichtlineares Fernsehen. Ersteres ist das, was noch gemeinhin als Fernsehen verstanden wird. Letzteres bezeichnet das Schauen von Nachrichten, Filme, Serien etc. über das Internet und ist zeitlich flexibel abrufbar. Bei einem von beiden gibt es den interessanten Aspekt des Gemeinschaftsgefühls, denn zu einer festen Uhrzeit wird eingeschaltet. Man schaut gleichzeitig. Nun verliert das lineare Fernsehen an Bedeutung, was nachvollziehbar und schade zugleich ist. Das sage ich, obwohl ich vor etwa zehn Jahren den Fernseher in den Keller gestellt habe. Es war mir nicht möglich mich zu disziplinieren und dem Zapping zu entkommen – also kalter Entzug. Das tat sehr gut, auch wenn ich noch ein paar Tage auf dem Sofa liegend eine Phantomfernbedienung in der Hand spürte.

Ich stellte fest, dass ich somit zu den 1% der Nichtfernseher gehörte. Ein unglaublich positiver Effekt war der Zeitgewinn. Was kann man an einem Abend so alles lesen, hören oder anderweitig machen, wenn das Fernsehprogramm einem nicht die Zeit stiehlt! Dies gilt auch nach wissenschaftlichen Studien (Ja, die gibt es darüber.) als größter Vorteil. In Peter Sickings „Leben ohne Fernsehen. Eine qualitative Nichtfernseherstudie“ steht: „Das alltägliche Handeln der bewusst-reflektierten Nichtfernseher wird maßgeblich von ihrem Bedürfnis nach authentischer, bewusster Welterfahrung und sinnhafter, selbstbestimmter Lebenserfüllung bestimmt.“ Das Buch ist 2008 erschienen und ich muss eingestehen, dass ich das TV-Gerät durch ein Smartphone ersetzt habe. Zeit wird nicht vor der Glotze, sondern mit dem internetfähigen Ackerschnacker totgeschlagen. Für eine bewusstere Welterfahrung müsste nun das Smartphone in den Keller oder es braucht eben mehr Disziplin mit dem Umgang.

Jedenfalls hat mich das lineare Fernsehen wieder eingeholt, da es mittlerweile auch im Netz ausgestrahlt und kein Fernseher benötigt wird. Gut für mein Gemeinschaftsgefühl, aber als Nichtfernseher kann ich mich also nicht mehr bezeichnen. Gerne möchte ich aber noch „bewusst-reflektiert“ sein – so mit Lebenserfüllung und so weiter. Da hilft der gute alte Strandspaziergang, ohne Handy versteht sich. Was für ein Privileg hier zu leben und stets an den Strand fahren zu können! Neben der Tatsache die Gedanken schweifen zu lassen, liebe ich den Blick auf das Meer bis zu dem Horizont. Und da bin ich es dann gern: ein Fernseher.

Euer Patrick


21.10.2020

Schreibblockade. Das kommt immer wieder mal vor. Ich stehe mit verschiedenen Menschen im Kontakt, die mit Hilferufen in einen Forum oder einer Gruppe im Internet nach Lösungen suchen, sich aus einer Schreibblockade zu befreien. Da gibt es viele Möglichkeiten: Spaziergang, Vertagen, Alkohol, Tee, Kaffee, Musik oder Zeitdruck. Oder ganz was anderes. Letztendlich ist es egal wie man die Blockade in den Griff bekommt. Ich finde es allerdings erstaunlich, dass es zu einer solchen Blockade kommt, denn sie scheint keinem Zweck zu dienen außer Frust hervorzurufen. Frust hilft nun genau so wenig wie Aufregung und der erste Schritt sollte es sein die Stimmung zu verbessern. Daher helfen die genannten Tipps in der Regel auch.

Ich selbst fange mit dem ersten Satz an. Klingt jetzt furchtbar banal. Aber ein mieser Satz ist zumindest ein Satz und zugleich ein Einreißen der Blockade. Sprachlich zeigt sich hier ein Unterschied: Blockaden lösen und Blockaden einreißen. Welches Modell letztendlich funktioniert, hängt oft mit der Höhe des Zeitdrucks zusammen. Außerdem braucht es auch Entscheidungskraft. Jedes Wort ist im Grunde eine Entscheidung. Leider haben wir pro Tag nur eine begrenzte Ressource an Entscheidungen zur Verfügung. Treffen wir über den Tag verteilt Entscheidungen, wird das Entscheidungskonto immer leerer – abends spüren wir es. Allein morgens sich darüber Gedanken zu machen, was wir anziehen wollen, leert dieses Konto. Daher trug z.B. Steve Jobs immer das gleiche; er wollte sich morgens nicht mit unwichtigen Entscheidungen plagen und seine Ressourcen schonen.

Nun fragst Du Dich vielleicht, ob ich eine Schreibblockade hatte, als ich diese Kolumne beginnen wollte. Nicht ganz. Ehrlich gesagt hatte ich einen anderen Text geschrieben und er funktionierte nicht richtig. Ich mag ihn, aber nicht als Kolumne. Das ist die nächste Stufe der Frustration: Kill your darlings. Liebgewordenes sterben lassen. Formulierungen, Ideen, Wörter, auf die man stolz ist, die aber nicht dem Ziel dienen, streichen müssen. Da hat man die Blockade überwunden und dann ist es nötig einen Teil davon wieder verschwinden zu lassen. Kreativität und Methode gehen Hand in Hand. Daher ist es immer eine spannende Frage: Wie viel Persönlichkeit des Menschen steckt in seinem Text? Alles. Immer. Wirklich.

Euer Patrick


07.10.2020

Was ist wichtiger? Die Frage oder die Antwort? Natürlich die Frage, denn diese impliziert ja schon die Antwort. Anders gesagt: Ohne Fragen keine Antworten. Um an gute Antworten zu kommen, sind die eben guten Fragen die Voraussetzung. Und das ist der Knackpunkt: Wir neigen dazu, uns zu sehr auf Ergebnisse und generelle Befriedigung zu richten, als mit der richtigen Frage schon zu Beginn des Denkprozesses den richtigen Weg einzuschlagen. Ok, das klingt jetzt alles recht abstrakt. Es geht in erster Linie um die Fragen, die wir uns selbst stellen. Das passiert ständig, denn Denken ist eine Reihe und meist auch Kettenreaktion von Fragen an uns selbst. (Na, hast Du Dir gerade die Frage gestellt, ob das stimmt?) Wenn es einem schlecht geht, miese Laune zum Beispiel, dann kann man sich fragen: Warum geht es mir schlecht? Oder man stellt sich die Frage: Was kann ich tun, damit es mir besser geht? Die erste Frage hilft nicht weiter. Die zweite schon. Oder um George Bernhard Shaw zu zitieren: „Viele Menschen sehen die Dinge, so wie sie sind – und fragen: ‚Warum?‘ Ich träume von Dingen, die es noch nie gegeben hat, und frage: ‚Warum eigentlich nicht?‘“

Es ist also lohnenswert sich über die richtigen Fragen Gedanken zu machen – auch wenn dies schwer fällt, denn wir fahren im Alltag doch gern gedanklich auf Autopilot und das Außergewöhnliche oder die Krise zwingt uns diesen wieder auszuschalten. Ist nur schade, wenn das zu spät ist, da wir gute Fragen schlecht trainiert haben.

Wer Kinder hat, hat das Glück mit Fragen geradezu bombardiert zu werden. Mit richtig guten Fragen, denn Kinder möchten dazulernen, eigenständig denken und sie versuchen zu beurteilen, welche Bedeutung eine Situation hat und was sie tun sollen. Sie wollen uns damit nicht nerven – auch wenn es sich so anfühlt. Viele Fragen bedeuten viele Blickwinkel und erweitern unser Sichtfeld.

Mit Fragen nehmen wir direkten Einfluss auf unser Denken und das unserer Mitmenschen. Denn es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich frage: „Bin ich glücklich? Was bringt mir Glück?“ oder ob ich frage: „Worüber bin ich jetzt gerade glücklich? Wofür bin ich heute dankbar?“ Eigentlich recht schöne Fragen, oder? Bleibt noch kurz zu klären: Gibt es dumme Fragen? Antwort: Ja.

Euer Patrick


23.09.2020

Es gibt eine Menge Superhelden. Ja, ich meine diese Menschen und Wesen mit übermenschlichen Kräften, Heldenmut und dem Hang das Böse zu bekämpfen. Sie sind popkulturell allgegenwärtig in Kino, Serien, Bücher und natürlich Comics. Ein gänzlich modernes Phänomen sind Geschichten mit Superhelden nicht. Schon literarische Figuren wie Herakles oder Simson faszinierten mit besonderen Kräften und abenteuerlichen Geschichten. Und immerhin ist Batman auch schon über 80 Jahre alt. Mittlerweile gibt es sogar den jährlich stattfindenden Batman-Tag. Es gibt also nicht nur eine große Zahl verschiedener Superhelden, sondern auch eine umsatzstarke Unterhaltungsbranche.
Möglicherweise funktioniert das gerade so gut, da es bei vielen Menschen nicht nur eine Sehnsucht nach Helden gibt, sondern auch nach fantastischer Übermenschlichkeit. Dass der Eskapismus uns gern mal in ein Abenteuer auf dem Bildschirm oder in ein Buch, in dem es eher einfach gestrickt zugeht, treibt, ist eine Sache. Auf der anderen Seite sollte unser privilegiertes Leben nicht so langweilig sein, dass Superhelden nicht in eben diesem stattfinden dürfen. Das „super“, also das Übermenschliche, ist zwar der Fiktion zu überlassen, aber über sich hinauszuwachsen ist auch eine Möglichkeit. In den lustigen Taschenbüchern gibt es Donald Ducks Alter Ego Phantomias. Wer Donald kennt, weiß, dass er in der Regel vom Pech verfolgt, faul und nicht ganz so helle wie seine Neffen ist, aber schon schlauer als Dussel. (Übrigens wurde Phantomias 1969 geschaffen, da sich Kinder beim Verlag beschwerten, dass Donald immer nur als Verlierer dargestellt wurde.) Als Phantomias legt er diese Eigenschaften ab und als Leser fragt man sich doch, warum er nicht auch tagsüber im normalen Leben so schlau und mutig wie sein zweites Ich sein kann. Was hindert ihn eigentlich? Außergewöhnlich funktioniert halt nur im Gewöhnlichen.
Selbst diejenigen, die sich nicht für heldenhafte Figuren begeistern können, finden Faszination am Außergewöhnlichen. Für den notorisch unpünktlichen Menschen, ist das einmalige Pünktlichsein eine Heldentat. Oder einfach nett zu jemanden sein, der dies nicht war – eine Superkraft. Lächeln ist auch so eine Superkraft. Die besitzen wir alle und in unbegrenztem Maße. Es gibt übrigens nicht nur den Batman-Tag, sondern auch des Tag des Lächelns. Am 2. Oktober findet der dieses Jahr statt und wir können alle Superhelden sein.

Euer Patrick


09.09.2020

Geschmacksneutral. Ein Wort, das wir in Bezug auf Lebensmittel kennen. Da gibt es eben Dinge, die keinen spezifischen Geschmack haben und daher lässt sich darüber auch nicht streiten. Über Musik, Filme, Bücher oder ganz allgemein über Kunst lässt sich hingegen streiten. Nun gut, besser gesagt diskutieren. Da trifft der Geschmack schon mal oder es ist geschmacklos. Da sind die Geschmäcker verschieden.

Ich lese gerade ein Buch, dass gemeinhin als Klassiker bezeichnet wird – zumindest im Genre der Science-Fiction. Jedenfalls wurde mir mit dem Wissen, dass es sich um ein wohl gutes und honoriertes Buch handelt, eine Geschmacksrichtung vorgegeben. Nachdem ich nun etwa die Hälfte des Romans gelesen habe, komme ich zu dem Schluss, dass ich ohne das Wissen bereits das Buch beiseite gelegt hätte. Aber ich lese weiter und kann nun nicht mehr ganz entscheiden, ob ich es mag oder nicht. Es fühlt sich gerade geschmacksneutral an.

Ähnliches empfand ich bei Liedern, die mir vor Jahren egal waren. Sie lösten bei mir keine bestimmten Emotionen aus. Sie waren mir gegenüber neutral. Ich war ihnen gegenüber neutral. Mittlerweile können solche Lieder bei mir sehr wohl Gefühle auslösen und ich habe Geschmack an ihnen gefunden.

Sich der Geschmacksneutralität hinzugeben ist ein Resultat der Gelassenheit. Unvoreingenommen und mit innerer Ruhe nicht nur den Dingen an sich, sondern auch den schwierigen Situationen, mit Fassung gegenüberstehen. Das ist doch ganz wunderbar. Das gefällt mir und das klingt furchtbar erwachsen. Die Jugend hingegen hat das Privileg der Unruhe. Sich eben nicht gelassen geben, sondern sagen, ja, heraus schreien, was nicht gefällt. Die selbsternannten Geschmacklosigkeiten vorführen und missbilligen. Da heißt es über Geschmack streiten, denn es gibt den guten und schlechten Geschmack. Und auch das ist ganz wunderbar.

In einem Gespräch mit einer befreundeten Lehrerin kam sie auf die Schüler zu sprechen, die fürchterlich angepasst waren. Jugendliche, die als Berufswunsch den der Eltern hatten. Sie spürte da keine Rebellion. Wir waren jedenfalls der Meinung, dass Jugend aufbegehrend sein sollte. Auch wenn es anstrengend ist und zu Streitereien führt. Aber dafür haben wir ja unsere Gelassenheit. Unsere Geschmacksneutralität, die mich das Buch weiterlesen lässt, das ich als Jugendlicher in die Ecke geworfen hätte. Ich muss mich zumindest nicht mehr mit Büchern streiten.

Euer Patrick


26.08.2020

Geschenke sind ein wichtiger Bestandteil unserer Beziehungen zu anderen Menschen, zugleich eine sehr große Herausforderung. Nicht selten mit Enttäuschung verbunden und daher ist es nicht verwunderlich, wenn es gern mal heißt: „Wir schenken uns nichts.“ Das scheint eine gute Lösung für das Problem mit dem Schenken zu sein. Kein Kopfzerbrechen mehr, was ihr oder ihm eine Freude machen könnte. Und überhaupt: Kann sie oder er es denn gebrauchen? Mir persönlich sind Geschenke gar nicht so wichtig. (Auch so ein Satz …) Aber dennoch freue ich mich über Geschenke. Bei nicht so gelungenen Gaben freue ich mich über die Geste – wirklich.

Mir gefiel schon immer die Herleitung vom Wort „Gift“, welches im Englischen ja noch die Bedeutung von Gabe bzw. Geschenk hat. Die Übergabe einer Aufmerksamkeit, einer, ganz allgemein gesagt, Sache, kann wohltuend, aber auch toxisch sein. Wie bei einer Arznei sollte ein Geschenk in Dosis und Art angepasst sein. Das gelingt nicht immer – klar. Bei manchen sogar äußerst selten und bei anderen wiederum klappt es immer. Sie finden stets das richtige Geschenk.

Das ergibt natürlich nur Sinn bei einer bestimmten Voraussetzung: Die Nichterfüllung von Wünschen. Erfülle ich einfach nur den Geschenkwunsch, dann bin ich eben nur der Überbringer. Als Eltern sind wir oft diese Überbringer. (Vorher überlassen wir es den fantastischen Wesen.) Zwischen Erwachsenen jedoch sollte es nicht um Wunscherfüllung gehen, sondern um die Geste und welcher Gedanke hinter dem Geschenk steht. Daher können Geschenke eine freudige Überraschung sein, obwohl man sich für wunschlos glücklich hält.

Warum schreibe ich jetzt und nicht in vier Monaten über Geschenke? Ich hatte gerade Geburtstag und ich wurde beschenkt. Eben nicht nur mit Dingen, sondern auch mit liebevoller Aufmerksamkeit. Und seien wir mal ehrlich: Das tut gut. Jede und jeder hat glücklicherweise Geburtstag und darf diese Aufmerksamkeit für sich beanspruchen und freut sich darüber hinaus über eine kleine Aufmerksamkeit – sprich Geschenk. Auch auf die Gefahr, dass es mal giftig sein kann, sollten wir uns gegenseitig beschenken, denn für unsere Beziehungen kann es sehr heilsam sein.

Euer Patrick


21.8.2020

Wollen wir uns nicht einfach duzen? Ich biete gern das „Du“ an und meist wird es auch gern angenommen. Ob nun das Siezen höflicher und respektvoller ist, liegt in der Bewertung einer jeden und eines jeden selbst. Ich persönlich behalte meinen Respekt auch beim Duzen bei – beruflich und privat. Per Du auf Augenhöhe kann störende Hierarchien abschaffen. Dass der Respekt nicht verloren geht, haben meine Frau und ich in Norwegen kennengelernt. Dort wird, wie etwa auch in Schweden, stets geduzt. Da die Tasche meiner Frau nach einer Busfahrt in Oslo verschwunden war, machten wir uns auf den Weg zur Polizeihauptwache der Stadt. Das Gebäude, die Polizistinnen und Polizisten und das allgemeine Gewusel machte Eindruck. Nachdem wir uns am Eingang angemeldet hatten, mussten wir noch etwas warten. Dann wurde meine Frau aufgerufen. Mit ihrem Vornamen. Die Polizistin duzte meine Frau von Anfang an und das noch in einem guten Deutsch. Es war angenehm menschlich und der Respekt blieb.

2017 wurde auf „Deutschlandfunk Kultur“ von einer Studie berichtet, dass in Norddeutschland mehr geduzt wird als im Süden der Republik. Da hieß es „Je Norden desto Du“. Das liegt wohl an der Nähe zu unseren skandinavischen Nachbarn. Eine bundesweite Du-Reform, wie vor 50 Jahren in Schweden, wird es wohl in absehbarer Zeit nicht geben. Aber für Fehmarn habe ich noch Hoffnung – die Insel, auf der geduzt wird.

Euer Patrick


29.07.2020

Ich habe gelernt, dass man einen Satz nicht mit „Ich“ beginnen und dass man „man“ eher nicht gebrauchen sollte. Und doch mache ich dies recht häufig und gern; auch einen Satz mit „Und“ zu beginnen war in den Augen meiner Deutschlehrerin kein guter Stil. Zudem mag ich den Gebrauch des Semikolons; es kommt einfach zu selten vor.

Als ich noch als Wissenschaftler an der Uni Kiel Handschriften um 1800 ediert habe, lernte ich einiges an Varianten und, ich sage mal, den lockeren Umgang mit Schreibweisen kennen. Die SchreiberInnen konnte ich gut an der Handschrift unterscheiden, aber es wurde auch viel abgeschrieben. Anhand der Schreibung von Wörtern und des Gebrauchs von Satzzeichen, konnte ich gut den Urheber bestimmen. Es war nicht immer leicht zu bestimmen, ob Wörter falsch geschrieben wurden oder ob es einfach eine der Eigenarten der VerfasserInnen war. Die Vereinheitlichung der Schreibung begann ja erst zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Ich mag noch immer den Gebrauch von „mogte“ für „mochte“. Das liegt auch daran, dass meine Tochter als Kleinkind gern „mogte“ gebrauchte. Das war wohl einige Zeit auch Mode, denn so ist in dem „Wochenblatt über die Richtigkeit des deutschen Ausdrucks“ (Jahrgang 1802) zu lesen: „Es giebt viel sonderbare Menschen in der Welt, welche sich selbst über gewisse Erfindungen, auf die ein Kind eben so gut verfallen könnte, heimlich und öffentlich Beifall zuklatschen, und dann am Ende doch wohl – gänzlich Unrecht haben. So geht es denen, welche ‚mogte, ‚mögte‘ und ‚gemogt‘ schreiben, und sich hoch über diejenigen hinausdünken, die bei dem längst eingeführten und lange allgemein gebräuchlich gewesenen ‚mochte‘, ‚möchte‘ und ‚gemocht‘ bleiben.“

Sprache und deren Schreibung ist steter Veränderung unterworfen, ob nun bewusst gesteuert oder sich frei entwickelnd. Ich bin daher sprachlichen Veränderungen, ob nun in der Jugendsprache oder der starke Einfluss von Begriffen durch Internet und Digitalisierung, aufgeschlossen. Und ich freue mich sehr, wenn meiner Tochter noch vereinzelnd ein „mogte“ herausrutscht.

Euer Patrick